Kapitel 10: Monster in schwarz

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Skyler:

Wenn mir irgendjemand früher erzählt hätte, dass ich jetzt hier mit jemandem in meinen Armen in einer großen XXL-Jacke an einer Bushaltestelle einschlafen würde, ohne nur den leisesten Gedanken zu verschwenden, wieder abzuhauen, hätte ich demjenigen eiskalt ins Gesicht gelacht. Aber tatsächlich hier war ich, gepresst an ein Stück Glas, was ich wette eh nur billiges Plastik war und ich nahm sofort meinen Kopf von der Wand, da sie richtig kalt war.

Da ich am ganzen Leib zitterte, bewegte ich mich, immer noch mit der schlafenden Elena im Schlepptau rutschend über die eiskalte Bank auf meinen Rucksack zu, der neben der Bank lag. Da nur eine Hand von mir aus einem Ärmel schaute, wühlte ich mit dieser mit angestrengter Miene in meinem Rucksack bis ich meine Motorradhandschuhe gefunden hatte. Okay, ich würde nie den Kauf meiner schwarzen Dukati bedauern...besonders nicht, wenn diese Handschuhe ein gratis Geschenk dazu gewesen waren. Das sogenannte Sahnehäubchen auf dem Schokoeis!

Ich zog den einen Handschuh an und versuchte ewig, an Elenas Arm heran zu kommen, aber zwecklos. Sie musste schlauer als ich gewesen sein und ihn gleich in die Jacke getan haben. Ich blickte noch einmal auf das Schaubild neben mir: Die vor ungefähr sechs oder weniger Stunden jammernde Elena hatte es wirklich geschafft, sich in eine schlafende und entspannte Stimmung zu bringen, dazu noch sah sie irgendwie friedlich aus, was für sie eher untypisch war. Sonst hatte ich sie eher als ein aufbrausendes Mädchen erlebt, die ihren Willen hatte und vielleicht genauso viel am Tag meckerte, wie ein Chihuahua bellte. Ich musste bei dem Vergleich grinsen. Jap, das Tier passte; aber nur in diesen Momenten, wo sie ausflippte. In Momenten wie diesen war sie eher wie ein schwarzer Labradorwelpe, schön, still und irgendwie goldig.

Jedoch klappte diese Dornröschen Nummer bei mir nicht. Erstens würde ich sie nicht wachküssen, da sie bestimmt mich anfauchen würde und auch ich nicht die entspannte Stimmung vermiesen wollte, da auch ich gestresst war, außerdem fühlte es sich langsam so an, als wären wir einer dieser aneinander geschweißten Zwillinge durch diese Jacke. Fühlten sich so vielleicht Beziehungen an? Wenn ja, dann war es gut so, dass ich noch eine ernsthafte gehabt hatte und es auch nie tun würde.

Vielleicht. Ich hatte noch keine Ahnung, was mir die Zukunft bringen würde und wie Oma gesagt hätte, wäre ich auch noch jung. Meine Oma. Es war erstaunlich, wie sich Menschen mit dir veränderten, offenbartest du ihnen deine wahre Seite, so zeigen sie auch ihre, völlig unbewusst.

Sie hatte mich einfach nur angeekelt gemustert, als diese Worte aus mir herausgepurzelt kamen, wie eine Bombe. Die Neuigkeiten rollten am Boden, Stille herrschte und dann – Bumm!- war es aus mit dem Ganzen, eine Explosion und ein Chaos begann, und du wusstest nicht mehr, wo oben und unten war.

„Wenn du noch mehr starrst, wird es offensichtlicher." Ich schreckte zurück, so gut ich konnte und das nächste, was ich sah, war ein breites Grinsen auf ihren Lippen. „Wusste ich doch, dass selbst die härteste Gangsterin mit den simpelsten Tricks zu erschrecken ist. Oh warte... Hatte diese nicht auch noch Angst vor Hühnern?" Laut äffte Elena Hühnergackern nach und warf mir einen neckischen Blick zu, bevor ich sie mit der Jacke zurückzog und stöhnte. „Du wirst mich jetzt damit die ganze Reise nerven oder?"

Sie grinste. „Haarscharf erfasst!" Elena saß sich gerade auf und streckte ihren Rücken durch, worauf ein lautes Knacksen und ein verbissener Blick von ihr folgten. „Vor allem „Reise"? Wollen wir jetzt etwa so eine Art Weltumsiedlung machen, dass du dein Metier ändern kannst und ein Buch schreibst: „In zwei Wochen um ganz England"?"

Ich musste bei dem Gedanken schmunzeln, verkniff es mir aber schon wieder. „Das ist nicht, worum es bei der Sache geht, du bringst mich aus dem Konzept!" Ich erntete nur pure Zufriedenheit in ihrem Ausdruck, führte jedoch ungerührt fort: „Außerdem geht es hier darum, dass wir beide hier schuldig sind, laut Polizeiregister und deiner äußerst wunderbaren Entscheidung, dich nicht aus dem Schlamassel heraus zu bringen!" „Und du hättest es alleine geschafft? Aus der U-Haft? Aus der Stadt raus?" Sie hob eine Augenbraue und ich nickte selbstsicher. „Ja! Und im Gegensatz zu dir war ich ein Drittel meines Lebens auf der Flucht, was sich verdammt nochmal scheiße anfühlt! Ich habe keine Eltern, die mich lieben, kein warmes Zuhause und noch dazu keine Freunde, die ich behalten kann. Ebenfalls fehlt mir ein Mensch an der Seite, der mich versteht und liebt, wie es kein anderer kann! Also ja, entschuldige ich mich für meinen Luxus von Leben!" Ohne ein weiteres Wort schlüpfte ich aus der Jacke, verkniff mir das Zittern, meine eigentliche Reaktion auf die Masse von leicht kühlem Morgenwind, der meine Haut traf und lief mit dem Rucksack voraus.

Autumn Runaways (Alte Version) (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt