22 - 𝕬𝖇𝖘𝖈𝖍𝖎𝖊𝖉 𝖓𝖊𝖍𝖒𝖊𝖓

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Langsam legte ich meinen Fuß vor die letzte Stufe und setzte an der Türklinke an.

Trotz der Stille, die, außer des Klimperns des Glitzers, dort herrschte, konnte ich eine unüberhörbare Unruhe in mir wahrnehmen.

Ein Knirschen ertönte, als ich die Tür öffnete.

Ein wenig schaute ich mich um, doch dann sah ich etwas, das meinen Atem zum Stoppen brachte. Etwas, das meine Beine weich werden ließ, meine Augen von einer auf die andere Sekunde mit den Tränen meiner füllte und mir einen kalten Schauer über den rücken fahren ließ.

Vorsichtig näherte ich mich dem leblosem Körper.

So näher ich ihm kam, desto mehr klarer konnte ich die Realität in meinem Kopf ausmalen.

Dort lag er.

Regungslos.

Leblos.

Mit blassem Gesicht und offenen Augen, die pausenlos die Decke anstarrten.

Wie eine umgefallene Statue lag er da.

Ich fiel auf meine Knie.

Presste mir die Hand gegen meinen Mund, um nicht sofort in Schreie auszubrechen. Selbst wenn schreien das war, was ich dem Moment am aller liebsten getan hätte.

Erneut musterte ich seinen Körper.

Nun war ich allein. Nun war ich allein und keines meiner Familienmitglieder konnte nun für mich da sein.

Und sie alle konnten nicht einmal etwas dafür. Sie waren alle wehrlos, ausgesetzt der listigen Hand dieser Kreatur.

Ich strich mit meinen Fingerkuppen über seine blasse, kalte Wange.

Meine Hand löste sich von meinem Mund und ich schmiss meinen Kopf kraftlos auf die Brust der Leiche.

Nun schrie ich. Ich konnte nicht mehr anders. Ich musste schreien. Ich musste weinen. Ich musste Jammern.

"Pietro!" mit meiner ganzen Kraft raffte ich mich auf und rüttelte an ihm. So sehr, dass der Boden unter mir beben musste.

"Es kann doch nicht sein, dass du ganz weg bist! Du- Du kannst mich doch nicht so allein lassen! Pietro! Pietro! Wach auf für mich! Bitte noch ein letztes mal, da-damit ich mich wenigstens von dir verabschieden kann-"

Ich spürte eine Wärme in meinem Rücken. Reflexartig drehe ich mich um.

Dort sprangen die Glitzerpartikel durch die Luft, als würden sie mir einen Tanz zeigen wollen.

Blitzschnell bildeten sie eine Hand, welche meine Wange strich.

Schluchzend wollte ich sie festhalten, doch Sie löste sich von mir, wank mir zu und löste sich in nichts auf.

"...Beileid. Haben Sie einen Ort, an dem sie über Nacht bleiben können?" konnte ich die Lippen der Polizistin bewegen beobachten.

Die komischen Typen packten ihn in so eine große Tasche ein, während ich an der kalten Wand saß und Reaktionslos zuschaute.

"Ja.", antwortete ich knapp und wischte mir meine letzten Tränen von meinen Wangen ab und spürte, wie sie von dem Salz meiner Tränen schon wund geworden waren.

Sie nickte mir lächelnd zu und gab mir ein paar Karten, als wären die ganzen Papiere, die ich davor ausfüllen musste nicht genug gewesen.

Dann stand sie auf, gab den Männern ein Zeichen mit der Hand und diese verschwanden samt der großen Tasche mit der Leiche durch die Tür.

Nun war er endgültig fort.

Das war das letzte Mal, dass ich ihn so gesehen hatte.

Nicht einmal der Körper, den ich davor noch hatte, war mir zurückgeblieben.

Es schien mir so, als wäre er die ganze Zeit im Koma gewesen, der Hirntod hätte schon eingetroffen und die Maschine, die sein Herz am Schlagen hielt, war die Kreatur.

Ich verstand endlich, warum angehörige ihre geliebten an den Maschinen lassen wollen, obwohl ihre Seele schon längst hinfort war.

Denn wenn die Stecker gezogen sind und kein Licht mehr blinkt, würde es kein Zurück mehr geben. Nicht, dass es das Zurück schon beim Eintreten des Hirntodes nicht mehr gab, aber es wirkt so.

Für einen Moment wollte man noch dem Puls der Person noch lauschen. Ihn noch ein letztes Mal schwer aus der Nase atmen hören und die wärme des zu Lebend scheinendem Körpers spüren.

Ab morgen würde ich bei Damiana und Albina übernachten, doch sie waren gerade irgendwo in einem Kurzurlaub und würden, selbst, wenn sie mit dem Flugzeug fliegen würden, es nicht in dieser Nacht zu mir schaffen.

Die ganze Zeit hatte ich gewusst, dass das, was eine Zeit lang mit mir geredet hatte, nur der Körper von meinem Onkel war aber trotz all dem fühlte es sich wie ein riesiger Verlust an.

Aber ich nahm mir etwas fest vor.

Ich wollte dieses Ding umbringen.

Es sollte sich in Luft auflösen.

So wie das Buch es mir gezeigt hatte und nicht anders.

Nun hatte ich einen Geistesblitz.

Das war es also, was ich in dieser Höhle getan hatte. Die Höhle war der Ort, an dem ich trainiert hatte!

Aber wie konnte ich trainieren, wenn ich nicht wusste, wie ich meine Kräfte gezielt einzusetzen hatte?

Ich rieb mir die Augen und stand anschließend auf um mich in mein Bett zu legen.

So leer hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Als hätte ich mir die Seele aus dem Leib geweint.

Lustlos ließ ich mich auf mein Bett fallen. Sollte ich vielleicht etwas essen? Der Appetit war nicht da. Aber war das nicht bei vielen so, die ihren Onkel, der seine letzten Tage von einer bösen, übernatürlichen Kreatur gesteuert wurde, tot im Keller gefunden hatten?

Ich hörte plötzlich aus dem nichts ein streichen auf meiner Decke.

Bis ich die Dunkelheit mit zu hellem Licht zerstörte, als ich meine Augen öffnete.

Ich befand mich in meinem Zimmer und vor mir, auf meinem Bett saß Noah.

Was machte er hier?!

Verwirrt wanderte ich überall mit meinen Augen in meinem Zimmer herum, bis ich sah, dass das Streichen davon kam, das Noah über meine Schulter strich, welche sich unter meiner Decke befand.

Ich schaute wieder zu ihm.

Seine Augen strahlten Gelassenheit aus.

Nachdem ich gefühlt zehn Stunden in dem tiefen Meer seiner Augen nahe zu ertrunken war, setzte er sich auf den Boden neben meinem Bett.

Einen Arm stützte er auf der Bettkante ab und schaute mich mit einem für mich nicht identifizierbaren Blick an.

Kurz starrte er auf den Boden aber gab mir auf einmal einen anderen, mir aber auch nicht identifizierbaren Gesichtsausdruck.

Ich konnte nur merken, wie sein Gesicht meinem immer näher kam, während er mich in einen Bann des Augenkontakts fesselte, aus dem ich nicht entfliehen konnte.

Magic Hunter - Solange mein Feuer brennt!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt