14

83 11 2
                                    

Sie wusste nicht, was geschah. Sie verstand nicht, doch sie fühlte es, ihr Herz begriff, was ihr Verstand nicht zu erfassen vermochte. Denn das Herz konnte sehen, was den Augen und dem Verstand verborgen blieben. Es fühlte, obwohl es zerbrochen war, nein, es war zerissen, entzweit, zerfetzt, zerstört. Sie fand keine Worte dafür, sie wusste nur, dass es geschehen war. Und sie begann zu verstehen, warum. Sie kam näher, woran wusste sie nicht, doch bald könnte sie es greifen. Sie könnte es beschützen, für es sorgen, sie könnte es hüten wie einen Schatz, denn es war ein Schatz. Der Schatz, der ihr zeigen konnte, erklären konnte.

Und eines Tages würde sie es freilassen, es würde in die Unendlichkeit empor steigen. Würde ihr die Hand reichen, sie dachte darüber nach. Die Musik spielte, aber sie beachtete sie nicht, dachte nach. Und verlor sich darin, sie merkte es nicht. Sie konnte fliegen, auf den Flügeln der Ewigkeit in das entschweben, wonach ihr Herz sich sehnte. Das, wonach sie strebte, was sie nicht fand. Sie würde es nie finden, es hatte sich versteckt. Sie musste suchen, rufen. Und wenn es sich zeigte, musste sie es locken.

Es sich vertraut machen, zum Freund gewinnen. Doch es würde schwierig sein, sie hatte zu kämpfen, einen langen Weg zu gehen. Aber sie wollte es, mehr als alles Andere. Sie war stark, sie konnte es schaffen, sie wusste, es lag bei ihr. Und die Musik spielte auf, bemerkte, dass sie überhört wurde und wurde lauter, bestimmter, energischer. Sie schlich sich leise heran, darauf bedacht keinen Laut von sich zu geben. Sie sprang, ein langer, eleganter, doch verzweifelter Sprung. Sie verfehlte sie.

Und sie bemerkte die Melodie, doch sie konnte nicht an sie heran, es war eine Mauer zwischen ihnen, errichtet aus einem unbekannten Stoff. Härter als jeder Stein, aber so zerbrechlich, ein Wort reichte, und sie würde brechen und mit ihr all das, was sie am Leben erhielt. Sie erschrak, wich zurück, schrie. Stille. Sie schloss die Augen, atmete tief ein, atmete aus, öffnete die Augen. Sie drehte sich um, lief von der Mauer davon, blieb stehen, drehte sich um.

Sie lief los, wurde immer schneller, rannte, rannte auf die Mauer zu und die Musik spielte. Sie spielte fremde Töne, doch sie waren ihr vertraut, sie erinnerte sich an Klänge, die sie nie zuvor vernommen hatte. Sie stieß sich ab, sprang und die Mauer zerbarst. Zerbast in Millionen von Stücken. Und die Stücke waren wie Staub, so fein, salzig wie Tränen und sie waren süß wie Blut.

Denn sie waren leere Worte, deren Bedeutung und Reichtum unermesslich waren. Es waren die Gedanken, der Wahnsinn ihr Vater, der Verstand ihre Mutter. Und die Gedanken lebten, denn sie waren schwarz.

Schwarz wie das Nichts.

Die Stille des SeinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt