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Und so ging es denn, dass sie nicht recht ein noch aus wusste. Doch sie fühlte nicht, dass sie betrübt wäre, es war denn so. Und nicht einmal diese Gleichgültigkeit gegenüber diesem Gefühl bekümmerte sie. Denn sie war es müde geworden, zu fühlen, zu atmen, zu leben. Und so lag sie denn im Nichts und dachte nicht. Sie schloss die Augen, existierte. Ein Schlaf würde bald kommen, er würde sie erlösen. Erlösen von der Existenz. Und um dieses Wissen schlief sie ein.

Sie wusste nicht was, aber etwas störte sie. Sie schlug widerwillig die Augen auf, sah nichts als Dunkelheit. Sie nahm etwas wahr, von dessen Existenz sie nicht überzeugt war, sie konnte nicht genau sagen, was es war. Sie wusste nur, dass es etwas ihr auslöste. Und da merkte sie, wie ihr Herz sprang, und in wilder Freude sprang es auf und ab, wie ein Kind. Und weil sie nicht wusste, was sie mit diesem Wissen anzufangen vermochte, lachte sie. Und sie lief, tanzte, sprang und lachte und weinte.

Und dort, wo ihre Füße den Boden berührten, das war er nicht mehr schwarz, nein, er verblasste. Wurde immer heller, dann strahlend weiß. Es waren leuchtend weiße Fußspuren. Ihre Kraft schwand, sie war verbraucht und sie sank zu Boden. Sie lag auf dem Rücken und atmete, nicht im Stande, etwas anderes zu tun. Ihr Kopf fiel zur Seite und sie sah die Fußspuren. Und sie sah, wie eine andere Spur darüber verlief, etwas war ihre Schritte nachgegangen.

Sie wand den Kopf, blickte zu allen Seiten, doch nirgends konnte sie ein lebend Ding in der Dunkelheit ausmachen. Sie setzte sich auf, sie wollte schreien, rufen. Was auch immer bei ihr war, sie musste es fassen, es festhalten, hüten wie einen Schatz. Sie fühlte, dass kein Leben mehr in ihr war, es war große Leere. Wie ein See, den sie vergeblich zu füllen versuchte, ein Fingerhut voll Wasser würde niemals den großen See füllen, und doch, sie würde es immer weiter versuchen. Bis ihr eines Tages der Fingerhut würde aus den kalten Fingern fallen, bis sie eines Tages würde erlöst werden.

Und sodann sie sich erhob, nahm sie einen Schatten war und drehte sich herum. Sie blickte in das Antlitz eines jungen Mädchens. Es war tot, doch die Augen waren lebendig gewesen, bis sie brachen, brachen, als sie die anderen Augen sahen.

Sie kannte das Mädchen.

Etwas an ihnen war gleich gewesen.

Es war ihr Angesicht.

Die Stille des SeinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt