Ohne viel zu tun und über die seltsamen Geschehnisse des Abends nachzudenken, lege ich mich hin und schlafe auch direkt ein.
Am nächsten Morgen.
Ich erwache viel zu langsam, verbringe den ganzen Tag im Bett. In meiner vollen Trauer.
Heute ist es wieder ein besonders schlimmer Tag. Es ist Weihnachten. Genauer gesagt der 2ten Weihnachtstag.
An dem Tag an dem ich mit meinem Vater immer Schlitten fahren gegangen bin. Wir gingen danach in unser Stamm Café und tranken heiße Schokolade.
Mein Vater hatte mir dann immer erzählt, wie meine Mom und er hier saßen. An ihrem ersten Date. Deswegen träumte auch ich immer von einem so besonderen ersten Date.
Nun frage ich mich, ob das nicht vielleicht alles Lügen waren. Ich frage mich was von dem echt war, was ich als die Wahrheit zu wissen glaubte.
Waren Sie wirklich damals hier gewesen und starb meine Mutter bei meiner Geburt? Kannte meine Mutter meinen Onkel? Wusste Sie von den möglicherweise kriminellen Machenschaften meines Onkels?
Ich versuchte nicht weiter darüber nachzudenken, sondern zu planen, wie wohl die Beerdigung ablaufen würde. Wegen der Feiertage verschiebt sich seine Andacht. Sie sollte übermorgen stattfinden.
Plötzlich packten mich erneut Ängste vor der Zukunft. Wo würde ich leben? Würde ich in eine Wohngruppe kommen oder zu Pflegeeltern?
Ich war nicht volljährig und durfte nicht alleine wohnen. Was wäre mit dem Haus und all meinen Sachen?
Nicht dran denken wollend drückte ich mir seufzend ein Kissen aufs Gesicht.
Ich drehe mich auf die andere Seite und schaue aus dem Fenster. Es hat über Nacht wieder geschneit.
Mit einem Mal kann ich kaum atmen, setze mich auf in der Hoffnung das es etwas bringt.
Meine Hand liegt auf der schmerzenden Stelle in meiner Brust. Ich versuche ein paar Atemübungen, die mir im Krankenhaus empfohlen wurden, wegen der Panikattacken.
Ich denke ich werde daran sterben, an einem gebrochenen Herzen.
Es klopft leise an der Tür und ich kann in der Spiegelung des Fensters sehen wie Soph die Tür öffnet. Sie trägt zwei Tassen mit sich. Ich erkenne Marshmallows und kann die Schokolade riechen. Heiße Schokolade.
Ich breche erneut in mir zusammen und lasse mich zurück in das Kissen fallen. Es geht einfach nicht, ich kann nicht damit umgehen, nicht mit diesem Schmerz.
Soph stellt die Tassen vorsichtig ab und setzt sich sanft neben mir. Sie ist mir eine so gute Freundin. Eine viel bessere als ich verdiene. Sie zieht mich vorsichtig in den Arm.
,,Es wird alles wieder gut" flüstert sie während sie sanft mit ihrer Hand über mein Rücken streicht. Sie drückt mich so fest und so beschützerisch gegen sich, wie sie kann.
Ich weine mich so lange an ihrer Schulter aus, bis ich keine Träne mehr vergießen kann.
,,Ich kann nicht mehr" sage ich ganz leise und in der Hoffnung sie würde es nicht hören, doch das tut sie. Soph lässt von mir ab und packt mich an beiden Schultern.
,,Du wirst es schaffen Mariell. Ich bin bei dir, wir stehen das gemeinsam durch. Hörst du? Gemeinsam" sagt sie und nimmt mich erneut in den Arm.
Ich erzähle ihr nicht von letzter Nacht. Sie würde sich nur umsonst Sorgen machen. Womöglich würde mich Soph nie wieder alleine das Haus verlassen.
Erst einmal musste ich selbst herausfinden, was da vor sich ging. Bevor sich Soph unnötig in Gefahr begab.
Der Tag schwand. Ich bemerke gar nicht wie Soph geht und wieder kommt. Soph hält ein Teller in der Hand mit dem Gedanken, dass ich essen soll, doch ich habe keinen Hunger. Ich würde am liebsten nie wieder essen.
Sie legt sich neben mich, damit ich besser einschlafen kann. Ich versuche wirklich zu schlafen, doch es hilft nichts. Während Soph neben mir leise am schnarchen ist, bleibe ich wach im Bett liegen.
Ich denke an die letzten Augenblicke zurück. An meinen Dad. An Matteo. An seinen identischen Bruder und ich denke auch an die Männer zurück. Die Männer die in meinem Haus waren. Ob diese Männer ebenfalls meinen ,,Onkel" suchen?
Ich erinnere mich an niemanden seiner Familie. Ich erinnere mich nicht einmal an meine eigene Mutter. Meine Mutter kenne ich nur aus den Erzählungen meines Vaters.
Sie soll genauso hübsch gewesen sein, wie ich. Sie hat mich unglaublich geliebt, bevor ich überhaupt geboren war. Sie soll mich einmal im Arm gehabt haben und mich als Mariell getauft.
Danach ist sie zusammengebrochen wegen einer unbemerkten Blutung. Sie konnte nicht mehr gerettet werden.
Meine Mom und mein Dad hatten so viele Pläne, wie er immer erzählt hatte. Sie wollte immer eine kleine Gärtnerei besitzen und die ganze Welt bereisen.
Meine Eltern hatten jung geheiratet und genauso jung mich bekommen.
Sie hatten also auch nicht so viel Zeit gemeinsam.
Ich hatte immer eine Mutter gebraucht. Ich habe Sie immer vermisst. In meinem Kopf war sie die tollste Person auf Erden, natürlich neben meinem Vater.
Meine Gedanken schweifen zurück zu den Männern. Sie waren auf der Suche nach irgendwas gewesen. Irgendwas in meinem...unseren Haus.
Vermutlich irgendwas von meinem ,,Onkel." Ich fühle mich tief in meinem inneren verraten. Ein tiefsitzender Verrat, durch meinen Vater.
Daraufhin taucht dieser Italiener mit seiner Familie in meinem Leben auf. Obwohl er so normal wirkt. Ich kann mir ihn gar nicht als einen Verbrecher vorstellen.
Ein Verbrecher! Genau das ist er und das wird nichts ändern. Ich habe seine Familie gesehen, wie aggressiv Sie waren und er ist ein Teil von ihnen.

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Omertà & Pentito
Teen FictionOmertà. Das dunkle Gesetzt das zu schweigen verpflichtet. Vize-Anführer zu sein, die Last zu tragen einmal Anführer zu werden, das macht ihn aus. Es ist das einzige, wozu er bestimmt ist, die einzige Konstante in seinem Leben. Das und noch viel weni...