5.

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Ich gehe in die Hocke und halte meine Hände an meinem Kopf.

Ein Unfall?

Das war doch kein Unfall.

Ich höre, wie er wieder auf mich zu kommt und springe schließlich wieder auf und bin im Kampfmodus.

Keine Angst zeigen!

,,Wer bist du?" knurre ich und verschränke meine Arme vor der Brust.

Er soll lieber auf Abstand bleiben, sonst werde ich ihm noch die Augen auskratzen.

,,Für dein Onkel war diese Kugel bestimmt, verstehst du?" fragt er mich leise, zusammen mit seiner wiedergekehrten, ruhigen Stimme.

Ich habe keinen Onkel.

Ich kenne Niemanden aus der Familie meines Vaters oder von der Familie meiner Mutter.

Es kann also doch gut sein, dass mein Vater einen Bruder hatte.

Nein. Nein, dass kann es nicht.

Mein Vater hat nichts vor mir geheim gehalten.

Er war ein offenes Buch.

Für jeden war er das.

,,Ich habe keinen Onkel" sage ich mit fester Stimme.

Dabei sehe ich ihn nicht an.

Ich will und kann nicht.

,,Doch" sagt er ruhig und gelassen, ,,Du hast einen Onkel. Du hast sogar 2" fügt er hinzu.

,,Wage es nicht von meiner Familie zu sprechen" zische ich und trete wieder näher an ihn ran.

,,Hörst du? Nimm ihren Namen nicht in den Mund" sage ich und hoffe mich wieder etwas beruhigen zu können, doch dann denke ich an seine Aussage zurück

Für dein Onkel war diese Kugel bestimmt.

,,Was meinst du damit, dass die Kugel für meinen Onkel bestimmt war?" zische ich und ziehe meine Augen zu schlitzen.

Ich höre wie er kehrt macht.

Er will einfach so gehen.

,,Hey" rufe ich und gehe ihm hinterher, ich packe ihn an seiner Schulter.

Sein wütender Blick tritt mich bis aufs Mark.

,,Es ist sinnlos, stupido" er wechselt so leicht zwischen den Sprachen, das es erschreckend ist.

Ich kann ihm in Gedanken nicht folgen, mich misstraut immer noch die Aussage von eben.

Also packe ich seine Schulter erneut und bezwecke damit wirklich, dass er stehen bleibt.

Seine dunkle Seite ist jedoch wieder da und bringt mich dazu, ihn augenblicklich los zu lassen.

,,Sag mir, was los ist und wieso verdammt du mir gefolgt bist!" versuche ich mit so viel Selbstbewusstsein zu sagen wie ich kann.

Am Ende klingt es jedoch ziemlich ängstlich und im Gegensatz zu ihm, feige.

Er steht mir gegenüber, etwa ein Schritt von mir entfernt.

Ich frage mich, ob er wirklich einen Bruder hat.

Einen identischen Bruder.

Ob er mir gefolgt ist?

Ich mustere ihn.

Nur für den Fall, dass ich ihn einmal beschreiben muss, was aber wohl eher suboptimal wäre .

,,Was schaust du mich so an?" stößt er aus und lässt mich daraufhin zusammen zucken.

Ich richte mich so grade auf, wie ich nur kann und schaue ihn feindselig ins Gesicht.

Sein Gesicht.

Ich schlucke.

Es kommt mir so verdammt vertraut und doch so fremd vor.

,,Was. Ist. Hier. Los?" frage ich ihn ganz langsam und so gut ausgesprochen wie ich kann.

,,Signore dei cieli" sagt er in einem flüsterton und rollt dabei mit seinen Augen.

Ich frage mich, was es zu bedeuten hat, doch bin im selben Augenblick bei ganz anderen Gedanken.

Er will einfach verschwinden.

,,Du kannst nicht einfach gehen" rufe ich ihm hinterher und will, dass er meine Fragen beantwortet.

Er dreht sich noch einmal zu mir um, dabei streckt er seine Arme weit aus und sieht mir ins Gesicht.

,,Du siehst doch, dass ich es kann" sagt er nur und dreht sich wieder um.

Ich will ihm nach.

Ich will antworten, doch mein Körper bleibt wie angewurzelt stehen.

Als ich ihn nicht mehr sehen kann, ist keine Menschenseele auf der Straße.

Hier bin nur ich und das Schaufenster.

Ich atme aus und versuche ihn zu entschlüsseln, versuche zu entschlüsseln, wieso er mir so verdammt bekannt vorkommt.

Wo habe ich ihn in meinem Leben schon  einmal gesehen?

Denn so wie es schien, kennt er mich und meine Familie gut.

Zu gut um ehrlich zu sein.

Omertà & Pentito Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt