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• f r e d •
Zögerlich lege ich ihr einen Arm um die Schulter. Ich habe zwar überhaupt keine Ahnung, wieso sie ausgerechnet mir, dem Inspektor, der sie offenkundig verurteilt hat, das anvertraut hat, aber ich werde es nicht in den Dreck ziehen.
"Du wirst nicht auf der Straße landen. Wir können dir doch ein wenig Geld leihen, falls es nach deiner Vergütung wegen des Jobs hier nicht ausreichen sollte. Das zahlst du uns dann einfach zurück und fertig." Sie schaut zu mir auf.
"Meinst du, ihr würdet das echt machen?" Allie klingt verdammt misstrauisch. Ich muss sagen, dass ich es ziemlich bescheuert finde, wie sie glaubt, wir würden ihr nicht so einen freundschaftlichen Dienst erweisen.
"Ja klar, kein Problem." Ich lächle ihr aufmunternd zu und drücke kurz ihre Schulter, dann ziehe ich den Arm zurück. Mein Kopf brummt. Du kennst sie doch kaum, wieso hast du das angeboten?

• a l l i e •
"Danke! Ihr seid super!" Ich lächle Fred aufrichtig entgegen und richte mich wieder auf. Mittlerweile scheint ihm der Körperkontakt etwas merkwürdig, mir allerdings auch. Ein Blick auf die Uhr reicht, um mir zu verdeutlichen, wie müde und fertig ich eigentlich schon bin.
"Naja.. Ich geh dann wohl mal ins Hotel. Gute Nacht." Ich verabschiede mich, werde allerdings an der Tür von Luca aufgehalten.
"Du brauchst doch nicht alleine gehen. Ich bring dich. Es ist dunkel und verdammt spät, Allie." Oh nein..
"Ja, aber ich bin ja auch keine 6 mehr. Ich schaff das schon." Ihm scheint das alles ziemlich egal zu sein, da er bereits seine Jacke angezogen hat und jetzt hält er mir auch schon die Tür auf. "
Nein, ich bestehe darauf!" Luca grinst breit und legt seine Hand auf meinen Rücken, um mir scheinbar zu verdeutlichen, dass wir jetzt gehen. Warum lässt er es nicht einfach? Muss ich ihm noch deutlicher machen, dass ich kein Interesse an ihm habe?

• f r e d •
Die anderen werfen mir eindeutige Blicke zu. Das ist.. Ich soll ihr jetzt ernsthaft hintergehen und seinen Platz einnehmen? Ich verdrehe die Augen, doch hieve mich dann letztendlich aus dem Sessel.
"Hey Luca, soll ich das nicht machen? Du hattest heute wegen deiner Abwesenheit im Pub schon nicht so viel Zeit mit den Jungs. Ich mach das schon.." Luca verzieht das Gesicht, als hätte er etwas Saures gegessen. War ja klar, dass ihm das nicht gefällt.
"Ja, komm schon." Finn klopft neben sich auf das Sofa. Derweil blickt Aliie ziemlich verwirrt zwischen uns hin und her, scheint sich dann jedoch mit der Situation abgefunden zu haben.
Dann nickt Luca jedoch ergeben. Er wirft mir einen kurzen Blick zu, dann geht er zum Sofa. Ich muss das nachher unbedingt gerade biegen.
Ich nehme meine karierte Jacke vom Haken und öffne für Allie die Tür. Gemeinsam treten wir in die Kälte hinaus.

• a l l i e •
"Ihr seid irgendwie strange.", murmel ich und schaue mich in der Gegend um. Allerdings erkennt man lange nicht mehr so viel, wie heute Nachmittag. Nur vereinzelt kleine Lichter und das Reflektieren der Straßenschilder, die von den wenigen vorbeifahrenden Autos angestrahlt werden.
"Warum?", antwortet Fred. Seine Stimme klingt tatsächlich ein wenig beleidigt.
"Naja.. Ach, einfach ein bisschen strange. Nicht böse gemeint." Ich bekomme ein tiefes Brummen als Antwort. Ihr spielt ja quasi nur Ping Pong mit mir, aber ist schon okay. Der restliche Weg gestaltet sich ziemlich ruhig. Nur das Knirschen der Kieselsteine unter uns und das Rauschen in den Baumkronen ist zu hören. Vermutlich kann er dich nicht leiden. Deswegen habt ihr auch früher nie irgendetwas zusammen gemacht. Deswegen ist er dir damals auch nie aufgefallen. Damals. Am Hotel angekommen, verabschiede ich mich flüchtig bei Fred und verschwinde in meinem Zimmer. Geht er wieder? Sitzen wir jetzt beide alleine in unseren Zimmern? Ach, ist doch egal..

• f r e d •
Irgendwie ist das doch so auch total hirnrissig. Wieso sollten wir uns verschanzen, wenn wir uns stattdessen auch besser kennenlernen können?
Kurz vor meiner Zimmertür halte ich ruckartig inne und kehre wieder um. Und wenn sie gar nicht mit dir reden will? Ach, sei's drum. Zaghaft klopfe ich an der Tür. Ein Rumoren ertönt, dann folgen ein Poltern und Fluchen. Ruckartig öffnet Allie die Tür und sieht mich ziemlich überrascht an. Ihre Haare stehen kreuz und quer. Vielleicht ist sie ja aus dem Bett gefallen, zutrauen würde ich es ihr. Scheinbar habe ich bei meinen Gedankengängen angefangen zu lächeln, denn sie fragt: "Was ist denn so witzig?"
"Ach nichts." Ich grinse in mich hinein. "Ich wollte dir eigentlich nur etwas zeigen. Kommst du mit?" Zögerlich tritt sie aus dem Türrahmen hinaus. Ihr skeptischer Blick fällt auf mich, was ich ihr nicht verübeln kann. Random Dude bringt sie ins Hotel und verschleppt sie irgendwohin. Könnte schlecht ausgehen. Oder ein Horrorfilm sein. Doch darüber kann ich jetzt nicht nachdenken. Mit schnellen Schritten bewege ich mich auf eine Sicherheitstür am Ende des Ganges zu. "Nur für Personal" steht da in fetten Lettern.
"Fred, kannst du nicht lesen? Wir dürfen da nicht rauf!" Sie hat ihre Arme vor der Brust verschränkt und funkelt mich aus braunen Augen misstrauisch an. Irgendwie niedlich. Ihre bleiche Haut hebt sich deutlich vom dunkelblauen Stoff ihres Oberteils ab.
"Sei nicht so spießig.", murmle ich kopfschüttelnd und recke mich zu den knarzenden Dachbalken. Meine Hand beginnt zu tasten. Hier muss doch irgendwo.. aaah. Ich habe die kleine Mulde im Holz gefunden.
"Hier siehst du. Da ist der Schlüss.. el." Während ich mich zu ihr umdrehe, bemerke ich ihre Augen, die die freigelegte Hautstelle meines Bauches taxieren. Beim Angeln nach dem Schlüssel muss mein Shirt hochgerutscht sein. Sie schluckt, dann schaut sie auf. Ich ziehe mein Shirt wieder zurecht.
"Komm." Langsam schließe ich die Tür auf und zeige nach oben. Eine schmale Leiter aus Stahl führt steil nach oben. "Du zuerst. Ich folge dir dann."
"Willst du aufpassen, dass ich nicht von der Leiter falle?", fragt Allie mit zuckenden Mundwinkeln.
Ich grinse. "Vielleicht."
Jetzt lächelt sie richtig. Ein paar Sekunden verstreichen, in denen ich sie einfach nur ansehe, doch dann bricht der Moment ab, weil sie sich abrupt umdreht und nach den Sprossen greift. Schon ist sie weg. Zögerlich komme ich ihr nach. Als ich oben ankomme, ist Allie schon am Staunen. Ihr Mund ist zu einem runden "Oh" geformt. Die Lichter der Stadt funkeln hier oben auf dem Dach um die Wette. Ein Meer aus Sternen scheint vor uns seine Wellen zu schlagen. Haus um Haus reiht sich nebeneinander und strahlt heller als der Vorgänger. Ich trete neben sie. "Schön, nicht?"

warm colours 🍂 (giant rooks ff) [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt