Zeit für Gestern

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{Mittag}

[Jakotsu]

„Also, wer ist diese Midoriko-Person?“, fragte der junge Mann in die Runde. Sie waren bereits seit einigen Stunden unterwegs, würden das vorgesehene Dorf allerdings nicht vor morgen Mittag erreichen. Er streckte sich ausgiebig, bevor er die Arme hinter seinem Kopf verschränkte. Zu wenig Schlaf konnte tödlich sein... Immerhin hatte er keine Kopfschmerzen dank Suikotsu. 'Auch wenn das Kräuterzeug einfach nur widerlich war...', fuhr es ihm bei dieser schrecklichen Erinnerung durch den Kopf. Dann blickte Jakotsu wieder seine Gefährten an, wartete noch immer auf eine Antwort, die bis jetzt ausgeblieben war. Letztendlich schien sich Renkotsu zu erbarmen. Es war nicht verwunderlich, dass der Feuerbruder die Geschichte kannte. Er war der Gebildetste unter ihnen.

„Midoriko war eine Priesterin, die vor ungefähr 500 Jahren gelebt hat.“, erklärte Renkotsu ruhig. Auch die anderen schienen ihm gespannt zuzuhören, was ihn jedoch vermutlich nicht dazu bringen würde, fortzufahren. Dazu brauchte er meistens einen etwas größeren Anstoß.

„Und was war an der so besonders?“, fragte der Transvestit daher nach. Wenn er ehrlich war, hatte er nie so ganz verstanden, was an spirituellen Kräften so toll war. Seiner Meinung nach brachten sie nur Schwierigkeiten. Ja, natürlich, sie verkörperten Reinheit und das Gute - aber der Terz, der darum gemacht wurde, war einfach nur nervig. Sogar die Dorfbewohner aus seiner Kindheit hatten seine Schwester wegen ihrer besonderen Fähigkeiten unter Druck gesetzt. Das einzig Gute, das der Schwarzhaarige daran erkennen konnte, war das Töten von Dämonen. Sein Blick schweifte in die Ferne, als er sich an Einzelheiten erinnerte. Erst Renkotsus rauhe Stimme brachte ihn in die Gegenwart zurück.

„Es waren schlimme Zeiten, als der Adel noch regierte. Es gab viele Tote und Kranke. Kontinuierlich gab es Kriege und Hungersnöte. Es war damals sehr viel schlimmer, als es heute ist. Dadurch konnten die Dämonen sich sehr gut ernähren und plagten das ganze Land. Viele Mönche und Priesterinnen versuchten daher, die Yokai endgültig zu erledigen. Und die Mächtigste unter ihnen war Midoriko.“ Der Kahlköpfige hielt kurz inne, überlegte offensichtlich, was wichtig genug war, um es zu erwähnen. Der durchdringende Blick seiner schwarzen Augen lag nun direkt auf Jakotsu. Anscheinend war diese restliche Erklärung explizit für ihn bestimmt. „Sie galt als der mächtigste Mensch ihrer Zeit. Diese Miko besaß nämlich die Fähigkeit, die Seelen von Dämonen zu extrahieren und unschädlich zu machen. Sie starb letztendlich durch die Yokai. Es ist interessant, dass solch mächtige Personen immer ein tragisches Ende nehmen. In der Geschichte gibt es so viele tragische Erzählungen...“

„Aha. Aber was hat das jetzt mit uns zu tun?“, erwiderte der Schwarzhaarige etwas gelangweilt. Was hatte er schon von einer Lektion in Geschichte? So etwas interessierte ihn nun einmal nicht im geringsten. Und für seine Begleiter galt eigentlich dasselbe – Renkotsu war dabei die große Ausnahme. Mukotsu zum Beispiel schien bereits im Gehen zu schlafen, während Suikotsu schon wieder tief in Gedanken war.

„Nichts. Zumindest nicht direkt.“, seufzte Akira schließlich, ihre hellbraunen Augen trafen auf seine. In ihnen lag etwas, was er nicht genau bestimmen konnte. Nach einigen Sekunden verschwand dieser Ausdruck wieder. Aber der junge Mann wusste mittlerweile, was es gewesen war: tief sitzender Schmerz. Die Frage war nur, warum. Oder täuschte er sich etwa? „Die Waffe ihrer Wahl war ein Schwert, das angeblich nur von besonderen... ausgewählten Personen benutzt werden kann. Midoriko soll ihre spirituelle Energie durch dieses Schwert geleitet haben.“

„Und das soll dann dein Dämonenschwert bändigen?“, hakte Bankotsu gespielt desinteressiert nach. Das war das erste Mal seit sie aufgebrochen waren, dass er ein Wort sagte. Allerdings hatte er auch nichts mehr gegen den Umweg gehabt, als er Akiras Wunde gesehen hatte. Aber er hatte seitdem halt auch nichts mehr gesagt. Und das sah dem Anführer nicht ähnlich. „Falls du es beherrschen kannst, natürlich...“

Sakimitama: Der Weg in die HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt