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"(V/N), schnell, wach auf!", hörst du deine Mutter schreien, während sie dich aus dem Schlaf rüttelt. Verträumt wunderst du dich: "Was ist denn los?", doch anstatt einer Antwort auf deine Frage sagt deine Mama: "Nimm dir Benni und das Pferd, schnell, verschwinde von hier!". Noch bevor du richtig verstanden hast, was überhaupt los ist, hat sie dich schon auf die Beine gezogen und dir den zierlichen Arm deines Bruders in die Hand gedrückt.

"Los!", schreit sie dir noch ein letztes Mal entgegen, bevor du endlich die Beine in die Hand nimmst, noch immer ohne ganz verstanden zu haben, was los ist. Benni ziehst du mehr hinter dir her, als dass er läuft. Er scheint noch genauso verschlafen zu sein wie du. Noch immer verwundert schließt du die Tür eures Hauses und machst dich auf den Weg zum Stall, als euch plötzlich ein riesiges Gemäuerstück fast erschlägt. Schockiert schaust du dich um und siehst endlich, warum deine Mutter so in Panik war.

Überall in eurem Bezirk wimmelt es nur so von Titanen. Als auch Benni sich umdrehen will, löst du dich aus deiner Schreckstarre und drehst ihn wieder weg. Er ist erst acht Jahre alt. Er sollte das noch nicht mit ansehen müssen. Begleitet von den Alarmsignalen, die du nun auch endlich wahrnimmst, setzt du deinen kleinen Bruder auf das Pferd, schwingst dich hinter ihm hoch und reitest so schnell es geht aus der Stadt.

Auf den Straßen sind nirgendwo Menschen zu sehen. Ihr scheint die letzten zu sein. Du hast deine Eltern einfach zurückgelassen. Schuldgefühle packen dich und wollen dich zwingen, wieder umzukehren und nach deiner Familie zu suchen, doch dein Verstand sagt dir, dass sie eh schon tot sein müssen. Benni, der sich auf deinem Schoß zusammengekauert hat, ist alles, was dir noch bleibt.

Auf eurem Weg musst du ihm immer mal wieder die Augen zu halten, während du dir wünscht, jemand würde das gleiche für dich tun. Überall liegen Leichenteile rum, hier und da wurde jemand von umherfliegenden Mauerteilen erschlagen oder die Menschen haben sich gegenseitig auf der Flucht zertrampelt.

Als ihr endlich an einer etwas abseits liegenden Burgruine ankommt, hat die Abenddämmerung bereits eingesetzt. Perfekt, denn nachts sind die Titanen nicht aktiv. Du bringst das Pferd im Stall unter und nimmst dir eine der umherhängenden Fakeln, damit ihr drinnen sehen könnt.

Die Burg scheint verlassen, weshalb du Benni das nächstbeste Bett suchst und ihn in die Decken kuschelst. "Wo sind Mama und Papa? Kommen sie ohne Pferd überhaupt nach", fragt er müde, woraufhin du ein wenig perplex die Wand hinter ihm anstarrst. Was sagst du ihm bloß? 'Denen geht es gut'? Nein, das wäre eine Lüge. Aber die Wahrheit würde er nicht verstehen.

"Ich weiß es nicht genau", antwortest du schließlich wahrheitsgemäß. 'Und ich will es auch nicht wissen', fügst du in Gedanken hinzu. Zu hoffen, dass sie es irgendwie überstanden haben könnten, wäre naiv. Wieder zurückzureiten, um nach ihnen zu suchen, Selbstmord. Der kleine Benni in deinen Armen beginnt zu zittern. "Ich schaue mal, ob ich uns was zu Essen finden kann", versuchst du ihn zu beruhigen und gibst ihm einen Kuss auf die Stirn.

Während dein kleiner Bruder sich in die Decken schmiegt, schaust du dich ein wenig in den Gemäuern um, in der Hoffnung, etwas zu Essbares oder andere nützliche Gegenstände zu finden. Die Burg ist größer, als sie von außen scheint, trotzdem hast du schnell die Vorratskammer gefunden.

Es liegt reichlich Nahrung verstreut, vermutlich sind die Bewohner geflohen und haben die Kammer in der Eile verwüstet. Immerhin ist noch etwas für euch da. Gerade, als du dich bücken willst, um ein Brot aufzuheben, hörst du ein lautes Krachen. Es muss irgendetwas eingestürzt sein. Du versuchst dir einzureden, dass alles gut ist, bis dir einfällt, dass Benni ganz alleine ist und sicher Angst hat. Schnell machst du dich wieder auf den Weg zurück zu ihm.

- 23.03.2020
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[ überarbeitet - 11. Mai 2022 ]

My New World || Levi x ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt