Der Weg zurück zum Gefängnis war schweigsam. In Daryls Kopf schwirrten so viele Gedanken und Fragen herum, dass er sich gar nicht wirklich die Frage stellte, wie Jodie eigentlich zu ihm in den Wald gekommen war. Dafür hatte er andere Fragen, die seinen Kopf füllten. Die er am liebsten alle gleichzeitig Jodie gestellt hätte, obwohl er ja bereits wusste, dass sie nicht antworten würde. Warum war sie in Woodbury gewesen? Was hatte sie mit Merle zu tun gehabt? Warum war sie schon geflohen, bevor der Gouverneur die Armee aufgestellt hatte? Wie gut hatte sie Merle gekannt?
Er schwieg dennoch, wollte sie nicht gleich in die Enge drängen. Kurz bevor sie den Waldrand erreichten, sah er dann jedoch zu ihr. Verlegenheit lag in seinem Blick, als er schließlich brummte: „Das...das im Wald, dass bleibt doch unter uns?"
Das Mädchen sah ihn ernst an und nickte dann nur. Dann zog sie die Augenbrauen hoch und deutete auf ihren Mund. Er verstand. Sie schien ihm sagen zu wollen: „Ich bin stumm, wem sollte ich das denn bitte erzählen?"
Er nickte ihr nur dankbar zu und gemeinsam betraten sie wieder das Gefängnis.
Sie sahen auf die Menschen im Innenhof. Alle redeten miteinander, gingen ihrer Arbeit nach. Die Kinder spielten und für einen Moment schien alles sehr absurd zu sein. Als gäbe es die Apokalypse nicht. Alles wirkte so normal. Aber das war eine Illusion. Menschen waren gestorben. Merle war gestorben. Das war real. Daryl wandte sich zu Jodie, die seinen Blick erwiderte.
„Wir sehen uns bei der Wache", brummte er nur und sie nickte, ehe sie sich trennten.
Daryl beobachtete, wie das kleine Mädchen über den Hof ging. Es war wieder ohne sein Zutun passiert, aber er wusste, dass jetzt einiges anders sein würde. Beide verband etwas und innerlich war er sich bereits sicher eine Freundin in Jodie gefunden zu haben.
Er wusste, dass er eine ganze Menge Fragen an Jodie hatte und die würde er auch stellen.
Sie saßen zusammen auf dem Wachturm, aßen schweigend ihr Mittagessen und starrten auf den Waldrand.
Schließlich brach Daryl das Schweigen, er hielt es nicht länger aus.
„Hey...ich wollte nur gerne wissen, was du und Merle miteinander zu tun hattet", meinte er schließlich zu ihr.
Jodie sah ihn an, zögerte ein paar Sekunden, ehe sie Stift und Papier hervor holte und anfing zu schreiben.
Ihr Stift flog über das Papier und sie brauchte eine Weile, ehe sie endgültig absetzte und den Zettel an Daryl weiterreichte.
Er sah zu ihr, wie sie zurück an den Horizont starrte und begann zu lesen.
„Ich hab nicht viel Zeit mit Merle verbracht, hatte nicht viel mit ihm zu tun. Aber er ist mir aufgefallen und es gab ein paar Momente zwischen uns, wo wir verstanden haben, dass wir uns eigentlich gar nicht mal so unähnlich sind. Anfangs hab ich einfach nur gedacht, dass er ein Arschloch ist, aber dann hab ich herausgefunden, dass er eigentlich nur seinen Bruder finden wollte und deshalb seine Gefühle versteckt. Wir haben nicht viel miteinander geredet, aber wir haben uns verstanden."
„Was für Momente gab es da?", fragte Daryl.
Jodie schien nachzudenken. Sich zu erinnern. Erst dann nahm sie erneut Stift und Papier und schrieb erneut.
„Ich hab ihm das erste Mal bei einer Schlägerei den Arsch gerettet. Er hatte sich mit einem der Männer in die Wolle gekriegt und der hatte hinter seinem Rücken ein Messer gezückt und wollte ihn angreifen. Ich hab den Typen eine aufs Maul gegeben und Merle damit gerettet. Zum Dank hat er mich angepöbelt, aber ich glaube er war eher überrascht, dass sich überhaupt jemand für sein Leben eingesetzt hat."
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Silent Fighter
HorrorJodie ist erst 13 als die Apokalypse ausbricht. Auch bereits davor hatte sie keine einfaches Leben. Dennoch findet sie nach einigen Monaten ein neues Zuhause in einem Gefängnis, dass nun als neue Gemeinde dient. Doch durch ein traumatisches Ereignis...