Es ist okay

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Auch wenn Daryl Jodie gern gemieden hätte, so benahm sie sich in den folgenden Tagen, als wäre alles wie immer. So als wäre nichts passiert. Sie brachte ihm Essen, Zigaretten, half ihm dabei sein Motorrad zu reparieren und schließlich akzeptierte er ihre Anwesenheit einfach. Daryl redete nicht über das Thema und da war auch keine Spur von Vorwurf in ihrer Miene. Daryl spürte, dass er sie in einem anderen Licht sah. Es war ohne sein Zutun passiert. Ein paar Mal war er schon nahe dran gewesen, ihr zu sagen, dass es ihm leidtat, aber jedes Mal biss er sich doch noch auf die Zunge. Als wüsste er nicht, was oder wie er es sagen sollte. Die richtigen Worte wollten ihm einfach nicht einfallen. Was ihn jedoch verwunderte, dass sie ihm sein Eindringen in ihre Privatsphäre überhaupt nicht übel nahm.

Jodie hatte Daryl die letzten Tage beobachtet und sie merkte durchaus die Blicke, die er ihr zuwarf. Als läge ihm etwas auf der Zunge, dass er unbedingt loswerden wollte, es aber nicht sagen konnte. Vielleicht wollte er sie auch nicht sehen und wusste nicht, wie er es sagen sollte?

Deshalb machte Jodie es ihm leicht und half Carol häufiger als sonst in der Küche und ging Daryl die nächsten Tage aus dem Weg. Während sie die Töpfe schrubbte, stellte Carol sich neben sie und half ihr ein wenig beim Abtrocknen. Jodies Blick ging aus dem kleinen vergitterten Fenster, sie sah Daryl an seinem Motorrad herumschrauben. Carol lächelte sie an.

„Beobachtetest du ihn mal wieder?", grinste sie Jodie an.

Ertappt blickte Jodie auf den Topf den sie gerade in der Hand hielt.

„Deine Art ihn anzuschauen, ist...du machst dir Sorgen um ihn, oder?", fragte Carol sie lächelnd.

Jodie sah sie nicht an und zuckte mit den Schultern.

„So hat Merle auch geschaut, als ich das letzte Mal mit ihm gesprochen habe", meinte Carol versonnen.

Jodie sah sie fragend an.

„Sein großer Bruder. Er war ein paar Monate bevor du her kamst bei uns. Er war...schwierig. Aber er hat sich Sorgen um Daryl gemacht. Er wollte, dass es ihm gut ging. Du scheinbar auch", meinte sie mit einem Blick auf Jodie.

Jodie sah sie fragend an und Carol lächelte.

„Ist gut, dass du dass tust. Er braucht jemanden, der ihn ein bisschen aufwärmt", lächelte Carol, wuschelte ihr durch's Haar und ging dann wieder um einer anderen Frau zu helfen.

Jodie wusch, weiter die Töpfe, als ihr plötzlich etwas anderes in den Sinn kam. Merle Dixion. Das Versprechen, dass sie ihm gegeben hatte. Sie erinnerte sich noch genau an seine geknurrten Worte, kurz bevor er ihr und Cole zur Flucht verholfen hatte.

Ich hoffe, du weißt was du da draußen tust, Kleine und dass du es auch erreichst. Und falls du meinen Bruder finden solltest, gib ihm das und sag ihm...sag, dass er seinen Arsch hochkriegen soll!"

Damit hatte er Jodie ein Foto Jackentasche geschoben und sie zur Tür hinausgeschoben. Jodie hatte sich das Foto seltsamerweise nie richtig angesehen, aber stets aufbewahrt. Sie ließ die Töpfe liegen, ging in ihre Zelle und holte das Foto hervor. Sie öffnete es und sah dort Merle mit seinem Bruder. Sein Bruder! Jodies Augen wurden groß, als sie die Person darauf erkannte. Er war zwar auf dem Bild nicht viel älter als sie selbst, aber der junge Mann auf dem Bild, mit der Armbrust war unverkennbar.

Er war die ganze Zeit hier gewesen und sie hatte es nicht bemerkt. Sie sah auf das andere Bild von ihr und Merle, das Cole ihr in Woodbury geschenkt hatte. Wer war dieser Mann gewesen?

Jodie ließ fassungslos das Foto sinken und steckte das Foto der Brüder unwillkürlich zurück in ihre Tasche.

„Jodie?", jemand legte ihr eine Hand auf die Schulter und sie fuhr herum. Carol stand hinter ihr und musterte sie besorgt.

Silent FighterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt