Jessy musste erst ein paar Mal blinzeln um klar zu sehen. Ihre Augen waren verklebt und brannten immer noch etwas.
,, Ich wollte dich nicht wecken“, wiederholte Jack sich und sah sie schüchtern an. Der Teenager stand noch immer etwas neben sich und würde am liebsten sofort weiter schlafen.
,, Was? Ach, ist schon in Ordnung.“
,, Du siehst so traurig aus, ist etwas passiert?“, fragte Jack und legte den Kopf schief.
,, Ich bin nur müde...“
Aarons Sohn wechselte sprunghaft das Thema.
,, Wie heißt du? Du bist hübsch!“, lächelte dieser und hielt sich seine Hände sofort verlegen vor den Mund.
,, Dankeschön, ich bin Jessy... und du?“
,, Jessy? Ein sehr schöner Name! Ich bin Jack!“, kicherte der Junge. Jessy musste leicht grinsen, der Kleine war wirklich niedlich.
,, Und woher kommst du? Das hier ist nämlich Daddys Büro“, erzählte Jack stolz. Erst jetzt wurde dem Mädchen bewusst, dass sie gar nicht wusste, wo sie war!
,, Wer ist denn dein Daddy?“, fragte sie mit leicht panischen Unterton.
,, Aaron Hotchner!“, platzte es aus dem Jungen, als hätte er nur auf diese Frage gewartet. In Jessys Kopf ratterte es. Aaron Hotchner... Hochtner...Hotch! Genau! Dieser griesgrämige Mann sollte einen so süßen Sohn haben?
Trotzalldem gefiel es ihr gar nicht, dass sie hier so 'alleine' in einem fremden Raum war. Wo war Spencer?
,, Ähm, Jack, kannst du mir einen Gefallen tun?“, fragte sie schief lächelnd und schaute sich nach ihren Krücken in dem Raum um.
,, Klar!“
,, Siehst du die Gehhilfen, da am Schreibtisch? Könntest du sie mir bitte holen?“
Sofort sprang der kleine Junge auf und lief zum Schreibtisch.
,, Wofür brauchst du die den?“, fragte der Kleine neugierig und zog die großen Krücken hinter sich her.
,, Siehst du dieses schwarze Teil an meinem Knie?“, seufzte Jessy und zeigte mit ihrem Finger darauf.
,, Ja!“
,, Mein Knie ist sehr stark beschädigt und ich kann deshalb längere Zeit nicht laufen. Die Gehhilfen unterstützen mich beim Laufen.“, erklärte sie dann.
,, Oh! Das tut mir leid“, flüsterte Jack und gab ihr die Gehhilfen.
,, Wenn du wieder gesund bist, willst du dann mit mir Fußball spielen gehen?“, fragte er uns seine Augen funkelten vor Begeisterung.
,, Bestimmt...“, nuschelte Jessy und hievte sich vom Sofa hoch. Ihr Knie tat wieder verdammt weh.
,, Kann ich dir helfen?“
,, Nein, danke. Schon in Ordnung“, lächelte Jessy gequält.,, Jack! Hier bist du. Ich habe dich überall gesucht!“, platzte Hotch ins Zimmer.,,Bitte geh das nächste Mal nicht fort, bevor du mir Bescheid gegeben hast“, sagte er und musterte seinen kleinen Sohn streng.
,, Ja, Daddy!“, nickte der Junge eifrig.
Jessy fühlte sich ziemlich unwohl und unnötig in dieser Situation, wer wollte schon mit so einem Mann wie Hotch alleine sein? Glücklicherweise trat Spencer kurz darauf auch in das Büro und das Mädchen konnte sich etwas beruhigen. Es hatte sich wirklich viel in ihrem Leben verändert... mit jeder fremden Person alleine zu sein, machte ihr unheimliche Angst. Das hatte sie früher nie.
,, Wollen wir jetzt los, Jack?“, fragte Aaron seinen Sohn lächelnd, dieser nickte heftig.
,, Aber Daddy?“
,, Ja?“
,,Können wir bitte Jessy mitnehmen? Können wir?“
Der Teenager schaute bei ihrem Namen überrascht auf. Hotch schien nicht weniger überrascht und guckte Jack ernst an.,, Wieso denn das?“
,, Sie sieht so traurig aus und ich will, dass sie lächelt. Ich kann sie bestimmt zum Lachen bringen! Bitte, Daddy!“
Spencer beobachtete dieses Schauspiel ebenfalls verwirrt und trat neben Jessy. Sie stand zwar aufrecht, aber man sah ihr an, wie sehr ihr Knie schmerzte.
,, Ähm, äh, da musst du Jessy schon selber fragen, ob sie mit will“, stotterte Hotch und kratzte sich am Hinterkopf.
Lächelnd kam Jack auf Jessy zu. ,,Jessyyy? Willst du mit uns essen gehen? Wir gehen auch in ein ganz leckeres Restaurant!“, trällerte der kleine Junge.
Überfordert schaute das Mädchen Spencer an. Für so etwas hatte sie keinen Nerv mehr, sie wollte nur nach Hause und schlafen. Hoffentlich verstand Spencer ihren Blick richtig.
,, Entschuldige Jack aber ich glaube Jessy geht es nicht so gut. Ihr könnt das bestimmt ein anderes Mal nachholen, ja?“, erklärte Spencer dem kleinen Jungen.
,, Oh... Gute Besserung Jessy“, nuschelte Jack niedergeschlagen.
,, Komm Großer, dann machen wir uns zu zweit einen schönen Abend“, sagte Hotch und wuschelte Jack durch die Haare.
,, Na gut, Dad.“
,, Tschüss Jessy, bis bald!“, lächelte Jack zu Jessy und ging dann mit Hotch aus dem Büro.
,, Dankeschön Spencer...“, hauchte das Mädchen, als sie sich sicher war, dass Aaron und Jack sie nicht mehr hören konnte.
,, Gern geschehen“, grinste Spencer und schob Jessica dann aus dem Büro. Er half ihr natürlich die Treppen runter und ihm blieb nicht unbemerkt, wie sie bei jeder Bewegung die Luft anhielt. Sie wollte die Schmerzen unterdrücken. Anscheinend war sie doch stärker als gedacht auf das Knie gefallen.
,, Jessy?“, fragte Spencer, als sie am Fahrstuhl angekommen waren. Sie schaute ihn vorsichtig an, es standen Tränen in ihren Augen. ,,Wollen wir zum Arzt gehen?“
,, Ich möchte eigentlich nur schlafen...“
,, Ich sehe dir doch an, wie sehr dein Knie schmerzt.“
,, Ja, schon...“
,, Na also, wir fahren direkt zum Arzt. Ich werde schon dafür sorgen, dass du dort nicht übernachten musst. Der Arzt wird sich dein Knie anschauen, ob noch alles richtig sitzt und dir dann
Schmerzmittel geben. Danach können wir wieder nach Hause.“
Schwerendherzens nickte sie. Sie hasste Krankenhäuser aber diese Schmerzen im Knie hasste sie noch mehr.
,, Wir fahren direkt hin. Vielleicht solltest du aber erst noch etwas essen.“ Er drückte auf den Fahrstuhlknopf
,, Ich habe keine Hunger...“
,, Du musst aber essen, mach es bitte. Es wäre schon vieles leichter, wenn du stabiler bist und dazu gehört auch ein stabiles Körpergewicht.“
Kraftlos zuckte sie mit den Schultern. Was sollte sie denn machen, wenn sie keinen Hunger hatte? Sie hatte sich an wenig Essen gewöhnt.Angekommen im Auto, fielen Jessy die Augen sofort wieder zu. Seufzend fuhr Spencer los, es war alles doch schwieriger als gedacht.
,, Jessy, wach auf. Wir sind da“,flüsterte Reid und schüttelte leicht an ihrer Schulter. Er wollte sie nicht unbedingt zum Arzt tragen...das würde einen noch schlimmeren Eindruck machen.
,, Hmm...“, grummelte sie, aufstehen wollte sie auf keinen Fall.
,, Jessy“, lächelte Spencer und rüttelte nochmal an ihrer Schulter. Resigniert drehte sie sich zur anderen Seite.
,, Hey!“, hängte Spencer nach.
,, Och...“, stöhnte sie. Verschlafen blinzelte sie ihn an. ,,Kann ich danach weiter schlafen?“
,, Bestimmt. Je schneller wir jetzt los gehen, kannst du wieder schlafen.“
,, Na gut, dann los...“
Immer noch lächelnd half Spencer ihr aus dem Auto. ,, Was ist so lustig“, fragte sie verwirrt und konzentrierte sich darauf, dass ihre Augen nicht wieder zu fielen.
,, Da vorne müssen wir lang, los“, lenkte Spencer ab und schob sie leicht vorwärts. Sie musste ja nicht wissen, dass Reid sich über sie amüsierte. So verschlafen, wie sie war...
,, Während du geschlafen hast, habe ich dich angemeldet. Ich konnte noch einen Termin bekommen, in 15 Minuten“, erklärte der Spencer und hielt ihr die Tür auf.
,, Danke.“Letztendlich saßen sie doch noch über 30 Minuten im Wartezimmer. Reid sorgte minütlich dafür, dass Jessica nicht einschlief. Es war die Hölle für sie.
Eine einzige gute Sache hatte aber dieser ständige Trubel um Jessy doch. Sie hatte kaum Zeit an ihre Eltern und die Entführung zu denken.,, Jessica Taylor?“, ertönte endlich die erlösende Stimme einer Krankenschwester. Reid stand auf und wollte los gehen, merkte aber nach kurzem Moment, dass ihm niemand folgte. Verwirrt drehte er sich um. Jessy war in dem kleinem Stuhl eingeschlafen.
Seufzend weckte er sie wieder auf.Nach üblichen Begrüßungen von beiden Seiten, kam Jessys Arzt, Doktor Willow, sofort auf den Punkt. Allerdings schenkte Spencer dem Doktor die ganze Zeit nur einen bösen Blick, er hatte damals Jessy operiert und bei ihm einen unsympathischen Eindruck hinterlassen.
,, Also, was haben Sie für Beschwerden?“, fragte der Arzt und schaute Jessy ernst an.
,, Sie ist ausgerutscht und auf ihrem Knie gelandet“, fasste Reid es kurz und beobachtete Jessy dabei, wie sie an einem Faden ihres Sweatshirts herum fummelte.
,, Ausgerutscht?“, fragte der Arzt provokativ zu Spencer. Ein wenig ertappt, biss sich Reid auf die Zunge.
,, Ja“, versicherte das Mädchen mit leiser, piepsiger Stimme.
,, Nun gut...Ich werde mir das Knie anschauen.“Mit feuchten Augen verließ Jessy mit Reid das Zimmer. Laut dem Arzt war nichts schlimmes mit ihrem Knie aber er hatte so sehr auf dem Knie herumgedrückt und geschoben, dass es ihr jetzt mehr weh tat, als vorher.
Eigentlich wollte Spencer noch etwas für sie zu essen holen, aber das fiel jetzt wohl aus.
,, Einen Moment, Mr. Reid!“, schrie plötzlich eine raue Stimme hinter ihnen. Es war der Arzt von eben. Entnervt drehte sich Reid zu ihm.
,, Doktor Reid“, verbesserte Spencer ihn und wollte sich schon wieder umdrehen.
,, Was macht eigentlich das Mädchen bei ihnen?“, fragte der Doktor und fasste Spencer am Arm.
,, Was geht sie das an?“, knurrte Spencer und riss sein Arm weg.
,, Ich sehe in Ihnen einfach keinen guten Umgang für sie! “ Abschätzig sah Doktor Willow Reid an.
,, Und das könne sie beurteilen? Sie haben doch keine Ahnung!“
,, Ich keine Ahnung? Ich bin Arzt! Sie erlitt den Sturz wahrscheinlich nur, weil Sie so unfähig sind! Zu unfähig, um auf ein Mädchen aufzupassen!“
,, Wieso sagen Sie das? Was geht sie das überhaupt an?“
,, Ich kannte ihren Vater und er hätte bestimmt nicht gewollt, dass seine Tochter zu so jemanden wie Sie kommt! Ich werde schon dafür sorgen, dass Jessica wo anders unterkommt.“
Fassungslos blickte Reid dem Doktor in die Augen.Das konnte er doch nicht ernst meinen!
Doktor Willow grinste selbstgefällig, drehte sich um und ging. Spencer schaute ihm fassungslos nach. Was hatte er dem Doktor getan, dass er ihn so hasste? Hoffentlich würde er seine Drohung nicht verwirklichen.
,, Können wir bitte los...?“, flüsterte Jessy hinter Spencer.
,, Ja, natürlich.“Spencer, der sonst sehr gesprächig war, sagte auf dem kompletten Weg zum Auto kein Wort. Er stützte Jessy nur stumm den ganzen Weg.
Er hatte wieder dieses schlimme, beengende Gefühl und er hatte Angst. Er könnte es doch nicht verantworten, dass Jessy in eine fremde Familie kam! Oder wäre es etwa besser so? Diese Seite hatte Spencer noch nie bedacht. Vielleicht wäre es für Jessy einfacher und sicherer gewesen, in eine Pflegefamilie zu kommen. Vielleicht war er einfach von Anfang an zu besitzergreifend und hatte damit die Chancen für Jessy und ihre Zukunft verringert. Vielleicht hatte er doch alles falsch gemacht.
Niedergeschlagen seufzte Spencer. Nie tat er das Richtige.,, Du bist nicht unfähig, Spencer“, murmelte Jessy und guckte ihm tief in die Augen.

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Ich will nicht zurück (Spencer Reid fanfiction)
FanfictionSpencer Reid ahnte nicht, was ihn alles erwarten würde, als ein junges Mädchen ihn um Hilfe bat. Sie wurde entführt und durchlebte die Hölle. Spencer macht es sich zur Aufgabe, ihr zu helfen. Aber war es schon zu spät? Hatte dieses Mädchen überhaupt...