Seit etwa drei Stunden saß Reid schon neben ihrem Bett. Ab und zu kam eine Krankenschwester vorbei und schaute nach dem Rechten. Langsam fing Spencer an, sich Erklärungen auszudenken, falls Jessica fragen würde. Fragen würde, was passiert war und wie es weiter gehen würde...
Er wurde allerdings von einem leisen Grummeln unterbrochen.
Erschrocken sah er zu Jessy auf. Sie lag immer noch unbewegt dort aber ihr Mund und ihre Augenlider bewegten sich leicht, die Herzfrequenz war ebenfalls erhöht. Reid stand vom Stuhl auf und betrachtete sie nun von oben.
,, Es ist alles gut. Schlaf weiter, du bist hier in Sicherheit", flüsterte er und hoffte, dass sie ihn verstand. Fast augenblicklich beruhigte das Mädchen sich und schlummerte wieder tief ein. Spencer seufzte. Was würde er erst machen, wenn sie wieder bei vollem Verstand war?Die nächsten Tagen vergingen sehr langsam für den jungen Doktor. Jessica schlief fast nur und wenn nicht, war sie nicht ansprechbar. Der Arzt meinte, es wäre normal, schließlich war das Mädchen einfach erschöpft.
Glücklicherweise hatte das Team noch keinen großen neuen Fall bekommen, weshalb Reid im Krankenhaus bleiben durfte.
Am vierten Tag allerdings, Spencer saß gerade mit einem frischen Kaffee auf der Fensterbank, wachte Jessica endlich auf. Richtig auf.
Verschlafen blinzelte sie auf und versuchte sich in dem Raum zu orientieren. Wo war sie denn hier? So hell wie es gehalten war, bestimmt in einem Krankenhaus. Sie schaute an sich herunter und zog erschrocken Luft ein. Ihr linkes Bein wurde in einer feste Schiene gehalten und sah ungewöhnlich grün und blau aus.
,, So schlimm wie es aussieht, ist es gar nicht." Entgeistert starrte Jessica Spencer an. Seit wann stand dieser Mann dort? War er ein Arzt?
Spencer sah ihren verwirrten Gesichtsausdruck und kam ein paar Schritte auf sie zu.
,, Hallo, ich bin Spencer. Vielleicht erinnerst du dich an mich", sagte er mit sanfter Stimme.
Sie überlegte einen Moment.
,, Du bist der, aus der U-Bahn. Nicht wahr?",stellte sie mit heiserer Stimme fest.
,, Genau." Spencer lächelte sie leicht an.
Er schob seinen Stuhl wieder vor Jessicas Bett und setzte sich hin. Jessy sah ihn erwartungsvoll, aber müde an.
,, Und du bist Jessica Taylor, nicht wahr? Wie geht es dir?" Reid tat sich schwer ein Gespräch aufzubauen, was sollte er schließlich groß sagen?
Das Mädchen antwortete nicht auf seine Frage. Die Antwort war doch mehr als offensichtlich.
,, Konnten Sie... Ich meine konnten Sie meinem Dad helfen? Er lebt doch sicherlich noch, oder?" Ihre Stimme zitterte leicht aber sie wollte nicht weinen, nur Gewissheit.
Reid fühlte sich etwas ertappt. Er wollte dieses Thema eigentlich erst einmal ruhen lassen.
,, Oh, Sie sind wach! Wie geht es Ihnen?", unterbrach eine hereinkommende Krankenschwester ihre Konversation. Jessica überlegte einen Moment.
,, Mein Knie tut weh, ich bin müde und mir ist übel", gab sie also zurück und schaute dabei stur auf ihre Bettdecke.
,, Wollen Sie Schmerzmittel oder ist es so auszuhalten?"
,, Es geht schon", log sie. Sie wollte bloß so schnell es ging aus diesem Krankenhaus. Sie hasste Krankenhäuser.
,, Gut, dann können Sie jetzt bitte wieder gehen", erwiderte Reid. Er merkte, dass Jessica ihre Ruhe wollte.
Die Krankenschwester nickte und verschwand dann.
,, Er ist tot. Nicht wahr?", führte sie ihr Gespräch von vorher sofort weiter. Sie mied ebenfalls den Augenkontakt zu Spencer.
,, Tut mir sehr leid. Wir konnten nichts mehr für ihn tun."
Sie nickte und biss sich leicht auf die Lippen.
Ab diesen Moment sprach sie den ganzen Tag nicht mehr. Sie nahm die Ärzte, die vorbei schauten kaum war und wollte nichts essen. Spencer war durchgehend bei ihr im Zimmer. Ab und zu trank er einen Kaffee aber letztendlich saß er einfach nur still da.
,, Hey, Reid!" Morgan stand an der halb geöffneten Tür und guckte ihn erwartungsvoll an. Mühsam rappelte sich Spencer von dem Stuhl hoch, ging zu Morgan aus dem Raum und schloss die Tür.
,, Wie läuft es?", fragte Derek sofort. Spencer lehnte sich an die Tür, fasste sich in die Haare und seufzte.
,, Sie redet nicht mehr. Verständlich aber..."
,, Ich habe gerade mit ihrem Doktor geredet. Sie kann heute Abend entlassen werden. Hotch will sie nicht bald sehen, sie soll selber entscheiden, wann sie reden will. Ich hoffe deine Wohnung ist aufgeräumt", beendete Derek seinen Satz lächelnd. Spencer lächelte zweifelnd zurück. Jetzt hatte er wirklich die ganze Verantwortung.
,, Keine Sorge, du schaffst das! Falls du aber Hilfe brauchst, ruf mich einfach an", bat Derek seine Hilfe an und ging dann zur Zimmertür.,, Ich kann doch sicherlich mal bei ihr reinschauen?"
Ein Nicken von Reid.
,, Hallo Jessica. Ich bin Derek Morgan, ein Freund von Spencer."
Wieder nickte sie nur.
,, Ich habe mit deinem Doktor geredet, du kannst heute entlassen werden."
Jessy schaute ihn nur an. Wo sollte sie denn bitte hin? In ein Heim? Nein...sie konnte nicht einmal laufen und man verlangte, dass sie in ein Heim ging? Sie hatte doch gerade alles verloren.
,, Hat Spencer es dir noch nicht erzählt? Du wirst mit zu ihm fahren. Er wird auf dich aufpassen und für dich sorgen. Er wollte nicht, dass du zu fremden Leuten kommst", erklärte Derek.
,, Was? Der Mann von eben? Er muss sich doch nicht so eine Mühe machen. Ich habe sowieso nichts mehr zu verlieren." Das Erstaunen, dass Jessica geredet hatte ließ Derek sich nicht anmerken und er fuhr fort.
,, Er wartet gerade vor der Tür. Ihm hast du es zu verdanken, dass du hier bist. In Sicherheit."
,, Ich weiß...Ich weiß bloß nicht, ob es etwas bringt, dass ich mit zu ihm komme."
,, Wie meinst du das?"
,, Ich habe alles verloren. Ich kann vielleicht nie mehr laufen, geschweige denn Sport machen. Ich habe schreckliche Narben am Körper, die mich immer an diese schreckliche Zeit erinnern! Meine Eltern sind tot! Ich habe keinen einzigen Verwandten mehr. Ich habe gar nichts mehr. Nicht einmal Klamotten. Ich fühle mich so alleine." Sie wurde zum Ende immer leiser, schließlich brach sie ab und fing an zu weinen. Sie wunderte sich selbst, dass sie das alles gerade gesagt hatte aber es musste einfach raus.
,, Ich will mein altes Leben wieder! Die Ärzte wollen mir helfen aber das bringt nichts! Ich will hier nur weg. Ich will nach Hause!", schluchzte sie. Hilflos sah Derek sie an.
,, Was hast du gemacht!", wetterte Reid, als er auf das Schluchzen aufmerksam geworden war und ins Zimmer gestürmt kam.
,, Ich habe gar nichts gemacht! Ich weiß nicht-", stotterte Derek. Hatte er was falsches zu ihr gesagt?
,, Hey Jessy. Ich darf dich so nennen oder?", Spencer ging neben ihrem Bett in die Hocke und legte seine Arme auf ihrem Bett ab. Sie zuckte am ganzen Körper immer wieder zusammen. Sie schluchzte und weinte.
,, Ich will nach Hause!", wimmerte sie und vergrub ihr Gesicht in dem Kissen.
,, Scht... Es ist alles okay. Es wird alles wieder gut", versuchte Spencer vergeblich sie zu trösten und strich ihr hilflos über den Rücken. Sie nahm ihn gar nicht war. Seine Hände fingen plötzlich auch an zu zittern, er konnte es nicht mit ansehen. Es ging ihm so nah. Dieses Mädchen hatte einfach alles verloren. Aber Reid nahm sich vor, ihr zu helfen und ihr Leben wieder aufzubauen. Sie hatte nichts anderes verdient.,, 'Tschuldigung, dass Sie sich so eine Mühe machen müssen", seufzte Jessy nachdem sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Erschrocken sah Reid ihr in die Augen.
,, Du musst dich doch nicht entschuldigen!", meinte er schockiert. Sie zuckte nur mit den Schultern.
,, In ein paar Minuten wird noch einmal dein Arzt hier her kommen. Er wird dir zeigen, wie du mit den Gehhilfen laufen kannst, wird dir sagen, wann du zur Physiotherapie musst und noch einmal deine Wunden überprüfen. Derek, der Mann von eben, ist los gegangen und holt von einer Freundin Klamotten für dich. Wir fahren heute Abend dann zu mir nach Hause", erklärte Spencer. Es war ungewohnt für ihn, so zu sprechen.
,, Danke."
,, Gern geschehen, wirklich."Das Laufen war erstaunlich schwer für Jessy. Zum einem wurde ihre Bein durch die Schiene gerade gehalten und zum anderen tat es einfach noch zu sehr weh, aber sie sagte nichts. Hauptsache sie konnte hier weg. Eine Krankenschwester half ihr dann beim Anziehen der Klamotten, die Derek gebracht hatte. Sie waren von einer gewissen Emily. Allerdings waren sie ziemlich groß, da das Mädchen in den letzten Monaten sehr abgenommen hatte. Ihre Wirbelsäule zeichnete sich deutlich unter ihrer Haut ab und die Rippen waren auch nur zu deutlich zu sehen. Früher, vor der Entführung, war die Jugendliche sogar ein bisschen runder gewesen, wovon man jetzt aber absolut nichts mehr sah. Sie mussten den Gummizug von der Jogginghose komplett zusammenziehen, damit sie nicht so sehr rutschte. Die Schiene trug sie unter der Hose.
Nachdem Spencer dann noch einige Salben und Medikamente bekommen hatte, durften die beiden gehen. Da keiner von beiden Gepäck hatte, half Spencer Jessy beim laufen.
,, Verdammt. Das geht nicht!", fluchte sie und lehnte sich gegen eine Wand. Sie hatten es nicht einmal bis zum Fahrstuhl geschafft.
,, Kann ich dir irgendwie helfen?", fragte Spencer mit zusammengedrückten Zähnen. Alleine wie Jessy da stand, tat es Spencer leid und selber weh. Er erinnerte sich daran, als er so eine ähnliche Schiene wegen eines Schusses am Bein tragen musste. Schrecklich so etwas.
,, Geht schon...", flüsterte Jessy. Sie hielt die Luft an und hoffte, dadurch die Schmerzen nicht so fühlen zu müssen.
,, Ich kann auch einen Rollstuhl besorgen", bot Reid an. Sie schüttelte energisch den Kopf. Nein! Das musste auch so gehen!
,, Warte mal." Spencer nahm ihr die linke Gehhilfe aus der Hand und legte ihre Hand um seine Hüfte. Die Gehhilfe nahm er locker in seine linke Hand und seinen rechten Arm legte er um ihre Taille.
Erschrocken sah sie ihn an. Das hätte sie nicht erwartet.
,, Versuch es jetzt noch einmal."
Sie klammerte ihren Arm etwas fester um Spencer und er stützte sie bei jedem Schritt. Es ging erstaunlich leichter.
,, Wow, es tut lange nicht so sehr weh wie mit der Krücke. Danke", staunte sie.
,, Keine Sorge, bald kannst du auch richtig mit den Gehhilfen laufen", versicherte ihr Spencer und drückte auf den Fahrstuhlknopf. Er freute sich, Jessy vertraute ihm anscheinend schon etwas.
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Ich will nicht zurück (Spencer Reid fanfiction)
Fiksi PenggemarSpencer Reid ahnte nicht, was ihn alles erwarten würde, als ein junges Mädchen ihn um Hilfe bat. Sie wurde entführt und durchlebte die Hölle. Spencer macht es sich zur Aufgabe, ihr zu helfen. Aber war es schon zu spät? Hatte dieses Mädchen überhaupt...