Samstag, 14:11 Uhr
Eine Whats-App-Nachricht zu tippen ist wesentlich schwerer, als es allgemein angenommen wird. Jedenfalls muss Yoongi heute diese Erfahrung machen. Er hat seit ein paar Minuten Feierabend (heute war er zur Abwechslung mal in der Frühschicht eingeteilt) und gerade das Aquarium verlassen. Schon in seiner Frühstückspause hatte der minthaarige Junge sein Smartphone pausenlos in der Hand, was eigentlich ziemlich untypisch für ihn ist. Er hat versucht eine Nachricht zu verfassen, wirklich. Hat oft damit begonnen einen kleinen Text zu schreiben, war dann unzufrieden mit der Buchstabenreihenfolge und dem Inhalt und generell und hat das Ergebnis dann doch wieder gelöscht.
Bislang ist der Chatverlauf zwischen ihm und Jimin leer. Vielleicht wäre es leichter, wenn Yoongi nicht die ALLERERSTE Nachricht schreiben müsste. Er und Jimin haben zwar am Donnerstag ihre Nummern ausgetauscht, aber bis heute nicht miteinander geschrieben. Jetzt ist es schon Samstagnachmittag und heute Abend könnten sie sich theoretisch wiedersehen. Daher wäre es sinnvoll, wenn Yoongi nun endlich mitteilen würde, dass er nicht tanzen kann und dass er nicht weiß, ob es sich dann lohnt mitzukommen. Grundsätzlich ist er nicht abgeneigt heute Abend wegzugehen, nur seine Hausfische werden seine Gesellschaft vermissen. Aber die haben ja zum Glück noch ihre Artgenossen und können sich mit denen ihre Zeit vertreiben. Außerdem würde Yoongi Jimin gerne wiedersehen. Bislang hat er sich immer noch nicht getraut den Starbucks erneut aufzusuchen, um sich eine der allabendlichen Performances anzusehen. Er wurde immer noch nicht wieder eingeladen.Guten Tag Jimin, gerne würde ich deine Einladung annehmen und dich heute Abend zu der Veranstaltung begleiten. Leider ist mein Körper nicht befähigt dazu, sich rhythmisch im Takt der Musik zu bewegen...
Nein, das klingt zu steif. Yoongi löscht den Text und setzt neu an:
Yo Jimin, was geht?YO WAS GEHT? Zwar schon ein bisschen lockerer, aber vielleicht zu locker. Und zu locker ist so absolut nicht Yoongis Stil. Er löscht die Nachricht wieder. Nächster Versuch.
Lieber Jimin, ich würde dich heute Abend gerne sehen. Wenn's sein muss, dann eben auch auf einer Party. Ich hasse Partys, aber immerhin läuft da keine laute Musik, also werde ich es schon ertragen. Wann und wo treffen wir uns?Nein, auch das klingt absolut nicht nach ihm. Zu direkt, zu offensiv und dazu noch wenig enthusiastisch. Den Eindruck möchte er eigentlich nicht bei dem schwarzhaarigen Jungen erwecken. Er möchte ihn ja wirklich wiedersehen. Nach einem frustrierten Seufzen gibt Yoongi auf und schiebt sein Handy zurück in die Hosentasche. Er ist bislang noch keinen einzigen Schritt vorangekommen, was bedeutet, dass er immer noch verloren vor dem Eingang des Sea Lifes herumsteht. Ein Milchshake sollte jetzt helfen. Schokokaramell. Zucker gegen die Gedankenloopings. Vielleicht kann er sich damit an den Strand setzen und von roten Farben und roten Lippen träumen und vielleicht hilft das beim Formulieren.
Der Plan ist schnell in die Tat umgesetzt, denn der Starbucks ist nur ein paar Gehminuten von seiner Arbeitsstelle entfernt. Aber mit einer gewissen braunhaarigen Ablenkung, hat Yoongi nicht gerechnet. Und eigentlich hätte er darauf auch lieber verzichtet. Einen Milchshake zu trinken war doch keine gute Idee.„Hey Yoongi! Wie schön dich zu sehen, was kann ich für dich tun?", zwinkert ihm Jungkook da schon wieder zu.
„Schokokaramellshake", antwortet Yoongi möglichst kurzangebunden, um das Gespräch schnell hinter sich zu bringen. Die Situation ist ihm unangenehm. Er hätte dem Barista doch schreiben sollen, zumindest, dass er kein Interesse an ihm hat. Gar nicht zu schreiben ist doch auch unhöflich, oder? Vielleicht hat sein Gegenüber die ganze letzte Woche auf eine Nachricht von ihm gewartet. Anderseits war Jimin froh darüber, dass Yoongi ihm keine Nachricht geschrieben hat, zumindest sagte er das. Deswegen kann es so falsch nicht von ihm gewesen sein. Und der Barjunge wirkt nicht so, als sei er momentan sauer auf den Minthaarigen. Überhaupt, warum zwinkert er eigentlich ständig?
„Du hast echt einen super Zeitpunkt erwischt, ich wollt gerade Pause machen. Dich störts doch nicht, wenn du mir dabei ein bisschen Gesellschaft leistest, oder?", fragt der Braunhaarige ganz nebensächlich, über seine Schulter hinweg, während er mit der Zubereitung des gewünschten Getränks beschäftigt ist.
„Klar", antwortet Yoongi automatisiert und wird sich erst kurze Zeit darauf bewusst, was genau er da gerade zugestimmt hat.
„Super!", freut sich da auch schon sein Gegenüber und strahlt ihm mit einem gewaltigen Grinsen entgegen. Jimin hat Recht. Seine Schneidezähne erinnern wirklich an einen Hasen. Jungkook sieht trotzdem gut aus, fast schon ein wenig zu gut. Die Sorte von gut, dass man sich selbst daneben ganz unscheinbar vorkommt und überdeutlich an jeden eigenen, kleinen Schönheitsmakel erinnert wird. Eigentlich wollte sich Yoongi doch auf die Nachricht konzentrieren, die er Jimin so unbedingt schicken möchte. Was zieht man eigentlich zu einer Party an? Die letzte Party, die Yoongi besucht hat, war die Geburtstagsfeier von seinem besten Freund Jin. Aber das war keine öffentliche Veranstaltung, deswegen musste er sich nicht so viele Gedanken um sein Outfit machen. Außerdem war Jimin nicht da. Yoongi hätte sich die letzten zwei Tage Youtube-Dance-Tutorials angucken sollen, vielleicht hätte er ein paar Grundschritte in der Zeit lernen können. Er hat immer noch keine neuen Fische für das Salzwasseraquarium gekauft. Langsam sollte genug Zeit vergangen sein. Er besitzt ein geringeltes Shirt, vielleicht könnte das feiertauglich sein. Yoongi sollte sich dringend mal wieder bei Jin melden, er hat schon eine ganze Weile nichts mehr von ihm gehört.
DU LIEST GERADE
Unter Wasser hören wir einander mit dem Herzen
RomantizmYoongi ist ein schweigsamer Typ, weil es in seinem Kopf ohnehin schon viel zu laut ist. Es ist besser, wenn er unter Wasser ist, dann schweigen die Gedanken. Deswegen arbeitet er als Tierpfleger im Sea Life in Busan. Jimin studiert Meeresbiologie...