chapter 6

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𝐷𝑒𝑟 Samstag brach relativ unspannend an. Ich gönnte mir — wie jeden Freitag auf Samstag — eine ordentliche Portion Schlaf, weshalb ich erst gegen 10 Uhr aus dem Bett kam. Mein Frühstück bestand aus einem selbstgemachten Rührei, einem einfach Butterbrötchen und einer großen Tasse Kamillen Tee, dessen herrlichen Geschmack ich in vollen Zügen genoss.

Den Berg an Hausaufgaben, vor dem es mir zugegebenermaßen schon grauste, verschob ich vorbildlich auf Sonntagabend und nutze meine freie Zeit für andere, produktive Dinge. So räumte ich mein Zimmer beispielsweise nach etlichen Wochen endlich mal wieder auf und traute mich sogar an den meterhohen Kleiderhaufen auf meinem Schreibtischstuhl, unter dem sich, wie sich herausstellte, einige Teile befanden, die ich schon vermisst hatte.

Ich schaltete irgendwann meine Musikanlage an und ließ ein paar meiner Lieblingssongs im Hintergrund laufen. So konnte Aufräumen tatsächlich ein wenig Spaß machen, auch, wenn mein Zimmer mehr einem Sumpfloch ähnelte, als dem Raum eines normalen Mädchens.

Nach ca. zwei Stunden konnte ich mein Werk stolz betrachten. ❝ Du bist wohl doch kein hoffnungsloser Messi ❝, sagte ich mir selber und klopfte mir zufrieden auf die Schulter.

Gegen Mittag verputzte ich dann — auch als kleine Belohnung an mich selber — eine große Portion Pasta, die ich zum Glück nur noch in die Mikrowelle schieben musste, ehe ich sie verzehren konnte.

Den Rest des Nachmittages verbrachte ich mit entspannten Herumliegen, doch als ich nach einiger Zeit mal wieder auf die Uhr schaute, stellte ich fest, dass es langsam Zeit wurde, in die Gänge zu kommen. Für meinen 1. Tag im Restaurant.

Ich machte mich also soweit fertig und war gerade dabei, nur noch schnell ein paar meiner vorderen Haare mit einer einfachen Klammer locker nach hinten zu stecken, damit sie wenigstens etwas Halt hatten. Mein Outfit war unspektakulär und bestand aus einer einfachen Jeans und einem weißen Oberteil, dass ich jedoch mit etwas Schmuck aufpimpen konnte.

Mit meinem Handy im Schlepptau lief ich dann nach unten, wo mich Charlie freudig ansprang, als sie merkte, dass ich zur Garderobe ging.

❝ Wann anders wieder, meine Süße ❝
Ich streichelte ihr einige Male über den Kopf, ehe ich mir meine Jacke und Schuhe überstreifte. ❝ Wo gehst du denn hin? ❝, kam es aus dem Wohnzimmer. Ich streckte meinen Kopf durch die Tür und sah Pru auf der Couch mit ihrem bestimmt hundertsten Joghurt sitzen. Kam es mir nur so vor, oder aß sie jede Stunde einen? Hatten wir überhaupt so viele zu Hause? Ohne Zweifel — sie hatte irgendwo welche gebunkert.

❝ Zum Jack's, kellnern. Sag Mum und Dad später bitte Bescheid, wo ich bin und dass ich wahrscheinlich erst wieder gegen 11 Uhr oder so heim komme ❝ Sie verschluckte sich und hustete kurz. ❝ Du und ein Job? Pff, wie arm bist du denn dran? ❝ Den Kopf schüttelnd lachte sie in sich hinein, doch ich verließ ohne ein weiteres Wort den Raum, hoffend, dass sie wenigstens etwas für mich ausrichten konnte.

Ein letztes Mal wuschelte ich der großen Hündin im Gang durchs Fell, dann verließ ich das Haus und machte mich auf den Weg in Richtung Restaurant. Und das sogar relativ pünktlich.

Angekommen wurde ich direkt mit offenen Armen von Azra empfangen. Wir betrieben kurz Smalltalk, in dem sie mir erzählte, dass sie mich schon eine Stunde vor der offiziellen Öffnungszeit herbestellt hatte, um mich ein wenig einzuführen. Dann stellte sie mich den anderen Mitarbeitern vor, die wirklich sehr sympathisch wirkten.

❝ Hier ❝, sie drückte mir ein gefaltetes Oberteil und eine weinrote Schürze in die Hände,
❝ unser Teamshirt und die Schürze. Du gehörst ja jetzt auch zu uns ❝ Ich musste lächeln, als sie bei dem uns eine ausladende Bewegung machte. ❝ Da drin kannst du dich umziehen ❝, sie deutete auf eine Tür hinter dem Tresen.

Es war, wie sich herausstellte, eine Art Abstellkammer. Klein, stickig und bis oben hin voll mit Sachen gestellt. Ähnelte dem Geruch von Pru's Zimmer — irgendwie unangenehm. Vielleicht roch ihr Zimmer aber eigentlich gar nicht so schlimm und mein Hirn wollte mir das nur einreden, weil ich sie nicht ausstehen konnte. Wie auch immer.

Rasch zog ich mir das T-Shirt über, band mir den dünnen Stoff um meine Hüfte und betrachtete mich im Wandspiegel. Auf dem Rücken war ein Burger inmitten einer großen Flamme abgedruckt, mit der Unterschrift Best Burger in Town. Oh ja, das waren sie wirklich. Ein Biss in diese und dein Tag war gerettet.

Zufrieden verließ ich die Kammer wieder, vor der mich Azra schon erwartete. ❝ Steht dir ❝
❝ Danke ❝ Danach führte sie mich ein und erklärte mir quasi alles rund ums Kellnern. Ich hörte ihr konzentriert zu und konnte ihr sogar schnell folgen, auch wenn sie teilweise etwas zügig sprach. Freundliches Auftreten gegenüber den Kunden, richtig Abrechnen  ... alles war abgespeichert. Es war ungewöhnlich, dass ich mir, anders als sonst, Sachen so schnell merken konnte. Wäre das in der Schule nur auch so hätte ich mir einiges erspart.

❝ So, und jetzt probieren wir noch das Balancieren mit Tabletts. Am besten nehmen wir erstmal Becher, anstatt echte Gläser ❝

Azra gab mir zwei Tabletts auf die Hände, das eine auf die Linke und das andere auf die Rechte. Dann stellte sie die Becher auf diese.
❝ Probier mal, schnell von hier nach da hinten zu laufen und wieder zurück ❝

Ich tat, was sie sagte. Und es klappte sogar sehr gut. Mit einer Aufrechten Haltung schaffte ich es, alles perfekt zu transportieren. Azra nickte zufrieden. ❝ Gut, und jetzt ein letztes Mal mit Gläsern ❝

Zwar war ich Anfangs ein wenig wackelig, doch als ich wieder auf und ab ging gewöhnte ich mich an die neuen Gewichte auf meinen Händen. Lächelnd kam ich auf Azra zu.
❝ Das war gut. Wenn die ersten Kunden dann kommen, kannst du direkt- ❝, das Glöckchen an der Tür wurde ausgelöst. ❝ Oh, da ist er ja! Alicia, dein neuer Kollege ist da ❝ Ich drehte mich und wen ich da erblickte, verschlug mir wieder mal die Sprache.

Ich schluckte.

Das tiefbraune Augenpaar klebte genau so sehr an mir, wie ich an ihm. Ich könnte schwören, dass mein Herz in diesem Moment so sehr pochte, dass ich es bis zu meinem Hals hören konnte. Mein Körper befand sich in eine so paralysiertem Zustand, dass ich kaum merkte, wie mir eins der Tabletts langsam aus der Hand glitt. Erst, als das sich darauf befindende Glas lautstark auf dem Boden zersprang, erlangte ich wieder Kontrolle über mich und erwachte aus meiner Starre.

Du

ᴇᴜᴘʜᴏʀɪᴀWo Geschichten leben. Entdecke jetzt