chapter 11

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𝑫𝒊𝒆 Zeit schien an der frischen Luft viel langsamer zu vergehen, als in dem überfüllten, stickigen Raum voller Teenager. Ich hätte schwören können, dass meine Pause schon längst hätte vorbei sein müssen, doch die altbekannte Schulklingel ertönte einfach nicht. Und das gefiel mir irgendwie, denn so konnte ich an einem Ort, von dem ich nie gedacht hätte, dass man hier tatsächlich ein wenig Ruhe finden konnte, entspannende Stille genießen.

Dieses Debakel in der Cafeteria vorhin hatte mir nämlich echt den Rest gegeben. Der Tag war doch schon wieder zum Scheitern verurteilt! Ich stand auf — Prudence ging mir tierisch auf die Nerven. Ich ging in die Schule — eine Gruppe blöder Tussen ging ihrer Lieblingsbeschäftigung ausgerechnet heute nach. War das ein Zeichen? Wollte man mir so vermitteln, dass ich heute einfach hätte schwänzen sollen? Möglich.

Da war außerdem dieses Szenario von eben, dass mein Kopf aus irgendeinem hartnäckigen Grund ständig hervorrief. Es war diese Unterhaltung zwischen Missy und Reece. Meine Neugier schien total geweckt zu sein und es interessierte mich auf einmal brennend, worüber sie geredet hatten. Missy folgte schließlich immer noch ihrem geheimen Drei-Punkte-Plan um Reece zu kriegen und ich hätte zu gerne gewusst, worüber man sich mit jemandem unterhielt, den man aufreißen wollte. Ging man direkt in die Offensive? Haute man gleich die erstbeste Anmache raus und zeigte dem Gegenüber so, dass man an ihm interessiert war? Oder handelte es sich hierbei vielleicht doch nur um ein einfaches Gespräch über Hobbys und Lieblingsfarben?

Ich musste leicht schmunzeln bei der Vorstellung, Missy würde einen Jungen tatsächlich erst nach seiner Lieblingsfarbe fragen. Nein, das war nicht ihre Art. Eher meine. Aber die Vorstellung war trotzdem witzig.

Seufzend legte ich das Sandwich, oder was auch immer diese zwei mickrigen Brotscheiben mit dem bisschen Käse und Wurst sein sollten, nieder und sah ich die Ferne. Ich wollte meinen Kopf hier eigentlich etwas freikriegen und jetzt erwischte ich mich dabei, wie ich mich entweder über den bisher semi guten Tag aufregte oder angestrengt darüber grübelte, was wohl der Gesprächsstoff von Missy und Reece beinhaltete. Das ging mich wohlgemerkt eigentlich gar nichts an und doch konnte ich die Neugier ganz präsent in mir spüren ...

❝ Hey ❝ Eine raue Stimme riss mich unerwartet aus meinem Gedankenfluss und ließ mich erstmal erschrocken dreinblicken. Dann schluckte ich leicht, als ich diese braunen Augen erkannte und im nächsten Moment wusste, wer da vor mir stand.

Räuspernd erlangte ich meine Stimme wieder zurück, die ich kurz selber verloren hatte und setzte an. ❝ Oh, hei ❝, meinte ich kurzgebunden.

Reece Mundwinkel zuckten verdächtig nach oben und er lächelte besonnen, wobei seine Grübchen gut erkennbar wurden. Mein Herz schien kurz auszusetzen, während er einfach nur dastand, seine Hände in den Hosentaschen versteckte und mich still betrachtete. Sein Blick ging mir dabei bis tief unter die Haut und ich fragte mich plötzlich, was er wohl gerade dachte. Kaum merklich schüttelte ich meinen Kopf allerdings wieder und unterdrückte diese ganze Neugier, die heute in mir steckte.

❝ Kann ich mich zu dir setzten? ❝, er deutete auf den freien Platz neben mir. Ich war zwar kurz verwundert, nickte jedoch dann zügig und löste mich aus meinem bequemen Schneidersitz, um so mehr Sitzfläche zu schaffen.

Keine Sekunde später ließ er sich auf dem anderen Ende der Bank fallen und für einige Zeit legte sich wieder Stille über den Moment. Die Gedanken, die mich bis vor ein paar Minuten noch geplagt hatten, ließen sich auf einmal bis in die hinterste Ecke meines Kopfes schieben, was Erleichterung in mir auslöste. Die friedliche Atmosphäre nahm mich total ein und ich glitt mit meinen Gedanken zur Abwechslung mal nicht wo ganz anders hin, sondern blieb im Hier und Jetzt, wo ich nur das leise Säuseln des Windes und meine eigene Atmung wahrnahm. Sie war erstaunlich ruhig geworden, trotz der Tatsache, dass Reece immer noch neben mir saß und ich seine Präsenz, sowie seinen betörenden Duft deutlich wahrnehmen konnte.

Ich dachte kurz sogar darüber nach, ein Gespräch zu beginnen, weshalb ich meinen Kopf nach rechts drehte, doch ich verwarf oder besser gesagt vergaß diesen Gedanken schnell wieder. Es war nämlich nicht nur dieses makellose Seitenprofil, dass mich aus der Bahn warf, nein. Die Art, wie Reece in die Ferne blickte, so nachdenklich und doch irgendwie ein bisschen ... gedankenlos. Ergab das Sinn? Vermutlich nicht, doch ich konnte es einfach nicht anders deuten. Sein Kiefer mahlte für einige Zeit, dann entspannten sich seine Gesichtszüge. Wieder einmal kam in mir die Frage auf, an was dieser Junge wohl gerade dachte ...

Mein Blick schweifte weiter und blieb an den süßen kleinen Löckchen hängen, die vorne an seiner Kapuze hervorblickten. Sie waren wie das I-Tüpfelchen und gaben seinem perfekten Gesicht noch die letzte Abrundung, damit er wirklich zum dahinschmelzen aussah. Ich musste mir echt auf die Zunge beißen, um nicht einen verträumten Seufzer loszulassen.

Warum setzte er sich eigentlich hier draußen hin, wo doch die meisten Schüler in der Cafeteria waren? Wieso hatte er den Sitzplatz bei Missy und den anderen aufgegeben, nur um sich dann hier stillschweigend neben mich zu hocken? Wusste er vielleicht schon, was seine Anwesenheit für eine Auswirkung auf mich und meinen Körper hatte? Bei diesem Gedanken schluckte ich. Ich konnte nur hoffen, dass dem nicht so war und dass ich alles gut überspielen konnte.

Genau dann, als ich gerade so beschäftigt mit Sabbern und Nachdenken war, machte mir die Schulklingel einen fetten Strich durch die Rechnung und holte mich wieder zurück in die Realität, in der ich mich in keiner wunderschönen Parallelwelt befand sondern jetzt Mathe hatte.

Reece erhob sich von der Bank, was ein knarzendes Geräusch machte und mich so nun vollkommen aufweckte. Er schulterte seinen Rucksack lässig, ehe er sich ein letztes Mal zu mir umdrehte und mit diesem immer noch warmen Lächeln auf den Lippen ❝ Wir sehen uns ❝ sagte und davonging.

Ich wollte etwas erwidern, doch ich konnte nicht. Meinen Mund verließ nur ein heißes Fiepen, während sich meine Wangen leicht erhitzen und sich diese wohlige Wärme in meiner Magengegend ausbreitete. Zum Glück war Reece bereits im Schulgebäude verschwunden, sonst hätte er mein dämliches Grinsen sehen und sich darüber amüsieren können.

Während ich zum Unterricht lief ließen mich diese Gefühle in mir nicht los und ich fragte mich wie er es geschafft hatte, dass er ohne wirklich mit mir zu sprechen, fast den gesamten Platz in meinem Kopf einnahm.

Das musste aufhören.

ᴇᴜᴘʜᴏʀɪᴀWo Geschichten leben. Entdecke jetzt