Veränderung

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Ich warf mich im Bett hin und her, doch an Schlaf war nicht zu denken. Immer wenn ich die Augen schloss zog erneut das Rennen an mir vorbei. Ich spürte die Kälte auf meiner Haut, die Ketten, die mich zurückrissen und wie meine Lungen verzweifelt nach Sauerstoff schrien. Kurz gesagt: Mir ging es beschissen.

Ich konnte hier nicht bleiben, die Wände des Zimmers schienen immer näher zu kommen. Ich trat die Decke beiseite und ging zu meinem Schrank. T-Shirt, Shorts, Turnschuhe. Mein Blick fiel auf das Handy. Das Signallicht blinkte wie wild. Ich ließ es liegen und schloss die Tür. Ich ging den Gang entlang und versuchte die ganzen Leute dort zu ignorieren. Als ich an Mays Zimmer vorbeikam erkannte ich, dass die Tür offenstand. Sie telefonierte gerade, doch als sie mich sah hielt sie kurz das Mikro zu. „Wo gehst du hin?", fragte sie „Dahin, wo keine Menschen sind", seufzte ich und ging weiter. Ich weiß, dass mein Verhalten May gegenüber nicht fair war, doch im Moment konnte ich einfach nicht anders.

Ich rannte den Freeway entlang. Meine Turnschuhe knallten hart auf den Zement. Es war anstrengend, doch merkwürdigerweise fühlte sich das Brennen meiner Muskeln gut an. Irgendwann verließ ich die Straße und stürmte den steinigen Weg zum Strand herunter. Das Ich entfernte mich immer weiter von dem Licht der Straßenlaternen und bald war die einzige Lichtquelle der Vollmond am Himmel.

Mein Fuß schlug gegen etwas ich taumelte und viel schließlich längs in den Sand. Ich kämpfte mich auf die Knie und schließlich brachen alle Emotionen, die ich den ganzen Tag über zurückgehalten hatte aus mir hervor. Die Wut, die Enttäuschung, der Frust, die Trauer, ich schleuderte sie alle vereint in einem einzigen lauten Schrei dem Meer entgegen. Ich schrie so lange, bis meine Stimme schließlich erstarb.

Ich rollte mich zusammen, schloss die Augen und atmete ruhig ein und aus. Der Sturm in meinem Inneren beruhigte sich langsam. Es hatte gutgetan die ganzen Gefühle einfach herauszulassen.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen war, bis ich die Berührung spürte. Sanft legten sich Arme von hinten um mich. Ich wusste, zu wem sie gehörten, noch bevor ich blinzelnd die Augen öffnete. „Woher wusstest du, wo ich bin?", fragte ich leise. „Ich wäre auch hierhergekommen", flüsterte er. Vorsichtig setzte ich mich auf und drehte mich zu ihm. In Nicos wunderschönen Augen stand so viel Verständnis. Eine stumme Frage stand in meinen Augen. „Du hast auf keine meiner Nachrichten reagiert. Ich habe nach dir sehen wollen, doch als ich an dein Zimmer geklopft habe war niemand da. Ich habe sofort gewusst, dass du wahrscheinlich irgendwohin bist, um allein zu sein" „Warum bist du dann gekommen?" „Weil ich nicht wollte, dass du allein bist", sagte er und nahm mich in den Arm. Dankbar vergrub ich mein Gesicht in seinem Nacken. Er strich vorsichtig über meine Haare. „Ich weiß wie du dich gerade fühlst. Du hattest einen Blackout und jetzt bist du einfach nur noch enttäuscht von dir selbst und fragst dich, was du hättest besser machen können und warum das ausgerechnet heute passieren musste" Ich nickte. Nico hatte so recht. Genau diese Fragen zerfleischten mich seit dem Rennen. „Du hättest nichts tun können, um das zu verhindern. Mir ist das auch schon passiert. Wenn der Kopf nicht mehr mitspielt, funktioniert der Körper auch nicht mehr. Aber Sofia, egal was du von dir selbst denkst, oder was andere sagen, ich weiß, dass du sie alle geschlagen hättest. Du bist eine geniale Schwimmerin, das musst du immer im Hinterkopf behalten". Seine Worte taten gut. Er sagte mir nicht, dass die Niederlage nicht so schlimm war und versuchte sie auch nicht als etwas anderes hinzustellen. Er sagte einfach was er dachte und seine Ehrlichkeit war genau das, was ich im Moment brauchte. „Danke Nico", hauchte ich. Er löste unsere Umarmung und nahm stattdessen meine Hände zwischen seine. „Komm mit mir. Ich muss dir etwas zeigen". „Okay"

Nico führte mich zurück zur Universität und steuerte dann auf die Schwimmhalle zu. Er öffnete die Tür mit seinem Schlüssel und betrat dann durch eine der Umkleiden die Halle. Das Becken lag glatt wie ein Spiegel vor uns. Das Licht der Sterne und des Mondes fiel durch die Glaskuppel und zeichnete fantastische Muster auf das Wasser, die stetig ihre Form veränderten. „Es ist wunderschön", sagte ich. „Lass uns reingehen", erwiderte Nico „Was?", fragte ich, doch er lächelte nur, zog seine Schuhe und Socken aus und sprang schließlich komplett bekleidet in den Pool. Er tauchte auf und schüttelte seine Haare aus. Sein T-Shirt schwebte wie eine dunkelrote Wolke um ihn herum. „Worauf wartest du noch, komm rein", rief er mir zu „Du bist verrückt", sagte ich, während ich Turnschuhe und Socken loswurde. Ich stürmte auf das Becken zu und hechtete hinein. Das Wasser umschloss mich, doch anders als beim Wettkampf schien es mich diesmal willkommen zu heißen und wirkte nicht wie eine Bedrohung. Ich erreichte den Boden und stieß mich ab. In einer Kaskade von durchbrach ich die Oberfläche. „Gefällt es dir?", fragte Nico. „Oh ", sagte ich.

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