Das Himmelsauge

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Nach allem was passiert war, war es schon irgendwie merkwürdig wieder in den ganz normalen Uni-Alltag zurückzukehren. Vorlesungen bis in den Nachmittag hinein und anschließend noch Training.

Seit dem Camp hatte sich einiges verändert. Seitdem er wusste, wer für seine Rettung verantwortlich war ging Ryan mir aus dem Weg. Der Rest des Teams war enger zusammengewachsen. So ein einschneidendes Erlebnis verband eben. Nachdem Mateo erfahren hatte, was uns passiert ist, war er doch tatsächlich etwas neidisch auf uns gewesen. Liebend gerne wäre er auch bei unserer Nacht und Nebel Aktion dabei gewesen. Er ist schon etwas speziell, aber gerade das machte ihn so liebenswert.

Nico und ich haben seitdem wir zurück waren nicht mehr über die Nacht am Strand geredet. Aber er war seitdem offener. Wir redeten tatsächlich über mehr als nur das Schwimmen oder über unsere Fortschritte. Und es gab da noch eine Sache, die sich an Nico verändert hatte. Es fiel mir zum ersten Mal auf, als er beim Staffeltraining auf dem Startblock stand und darauf wartete, dass Mateo zurückkam. „Seit wann hast du ein Tattoo?", wunderte ich mich, als ich die Stelle zwischen seinen Schulterblättern betrachtete. Das Motiv zeigte einen kleinen schlicht gehaltenen Vogel, der seine Flügel weit gespannt hatte. Er sah so aus, als wollte er in den Himmel emporsteigen. Eigentlich ein wirklich schönes Motiv, aber ich hätte niemals gedacht, dass Nico sich so etwas machen lassen würde. „Seit wir vom Trainingscamp zurück sind", sagte er. „Hat der Vogel irgendeine besondere Bedeutung für dich?", fragte ich. „Ja", sagte er. „Und die wäre?". Auf seinem Gesicht zeichnete sich ein leichtes Lächeln ab „Es ist ein Geheimnis", sagte er und sprang in den Pool.

„Der Vorentscheid rückt immer näher", sagte May später bei unserer Besprechung. „Erst mal ein großes Lob an euch alle. Das Trainingscamp hat sich bei jedem gelohnt. Eure Zeiten haben sich sowohl bei den Kurz- als auch Langstrecken rapide verbessert. Wenn ihr so weiter macht, dann haben wir eine realistische Chance, um weiterzukommen. Im Vorentscheid geht es noch nicht darum alle anderen zu schlagen, sondern lediglich eine bestimmte Zeitmarke zu knacken. Jeder der das schafft rückt automatisch zur nächsten Runde vor, die dann zwei Wochen später ist. Ich weiß, dass es jeder von euch schaffen kann, also gebt alles, was ihr habt"

„Hast du das, was du vorhin im Training gesagt hast wirklich auch so gemeint?", fragte ich meine beste Freundin später. „Natürlich habe ich das. Ihr alle habt euch alle in den letzten Wochen so sehr gesteigert, dass ich einfach weiß, dass ihr den Vorentscheid schaffen werdet", sagte sie „Auch du, Sofia. Du bist unglaublich gut und jeder weiß das auch, bis auf du selbst" „Danke May", sagte ich. „Du musst einfach...", begann sie bevor sie dann unterbrochen wurde „Hey ihr zwei!". Chris kam zu uns herübergejoggt. „Hey Chris, ist noch irgendetwas?", fragte ich. „Äh Nein, eigentlich nicht", sagte er „Ich wollte nur fragen ob ihr noch Lust habt etwas essen zu gehen" „Mit dem ganzen Team?", fragte ich. „Nein, nur mit mir", sagte er etwas verlegen. Ich wusste sofort wie der Hase lief. Eigentlich wollte er nur mit May Essen gehen, aber natürlich sagte er das nicht direkt. Dafür war Chris viel zu höflich. „Tut mir leid, aber ich muss da noch unbedingt diesen Aufsatz für Professor Bingley fertig machen", sagte ich „Aber ihr zwei könnt ja gehen". „Aber Sofia...", begann May „Ach ihr beide werdet sicher Spaß haben", sagte ich und stieß meine beste Freundin etwas näher zu Chris.

„Bis morgen", sagte ich während ich bereits davon ging. Der Aufsatz für Bingley war natürlich komplett erfunden gewesen. Eigentlich hatten May und ich heute Abend uns ein paar Folgen von unserer Serie ansehen und dazu irgendwas bestellen wollen. Eigentlich hatte ich mich schon darauf gefreut, aber das Liebesglück meiner besten Freundin war mir wichtiger. Ich war schon ganz gespannt darauf was sie mir morgen erzählen würde. Trotzdem musste ich mir jetzt überlegen, was ich heute Abend mit mir anfangen würde. Ich horchte in mich hinein. Ich war noch nicht so k.o., wie wäre es also mit einer Runde Joggen und dann später irgendwas von einer Imbissbude holen? Ich zog mir ein T-Shirt und dunkle Sportshorts an, band die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und schnürte meine Turnschuhe. Meinen Geldbeutel verstaute ich in einer der Reißverschlusstaschen und ich hängte mir die Kopfhörer um.

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