Ich weiß nicht, wie lange ich weinend im Keller saß und Kiyan in meinen Armen hielt. Ich wollte ihn nicht loslassen, denn damit müsste ich endgültig akzeptieren, das er sich selbst geopfert hatte. Mein Körper fühlte sich an wie betäubt. Als Samu und ein paar Palastwachen hinunter kamen und Samu mich anschrie, hatte ich das Gefühl, dass sie alle unendlich weit weg waren. Ich konnte ihm nicht antworten, nicht verstehen, was er mir vorwarf. Irgendwann entriss er mir Kiyans Körper und sie trugen ihn weg. Ich weiß nicht wohin. Ich hatte keine Kraft um aufzustehen und ihnen zu folgen. Und so saß ich noch länger dort auf dem kalten, steinigen Boden und betrachtete schweigend das Blut an meinem Körper und am Boden. Es war so viel...
Nach einer Ewigkeit kam Ranya die Treppe herunter. Für einen Moment stand sie still vor mir. Dann jedoch zog sie mich auf meine Beine und klopfte mir auf die Schulter. "Ihr solltet Euch umziehen...", riet sie mir und zog mich vorsichtig in Richtung Treppe. "Er ist tot...", flüsterte ich mit zittriger Stimme. Doch egal wie oft ich das in Gedanken wiederholte, ich wollte es einfach nicht wahrhaben. Wie hatte er mich nur so täuschen können? "Sagt das nicht, Sir. Ein Arzt versucht ihn gerade zu retten", versuchte sie mich aufzumuntern, doch selbst sie wirkte nicht allzu optimistisch. Irgendwann kamen wir in meinem Gemach an, wo Ranya bereits andere Anziehsachen für mich bereitgelegt hatte. Ich knöpfte langsam mein Hemd auf, als sie das Zimmer verlassen hatte. Es war so von Blut durchtränkt, dass es an meiner Haut klebte. Achtlos ließ ich es einfach nur auf den Boden fallen und entledigte mich dem Rest meiner Kleidung, ehe ich mich ins Badezimmer begab, in dem meine Zofe mir bereits ein Bad eingelassen hatte. Ich glaube das Wasser war brühend heiß, zumindest stieg viel Dampf davon auf. Doch ich fühlte nichts. Ich ließ meinen Körper ins Wasser gleiten, bis auch mein Kopf davon bedeckt war. Für einen kurzen Moment hielt ich inne. Dann jedoch ließ ich meiner Lunge jeglichen Sauerstoff entweichen und spürte Druck in meiner Brust aufkommen. Meine Lungen sehnten sich danach zu atmen, aber das Wasser hinderte sie daran. Ein stechender Schmerz durchfuhr meinen Körper. Mein Kopf wurde schwerer und schwerer. Ich müsste einfach nur einen Mund öffnen und das Wasser in meine Lungen lassen... Mein Körper ergriff die Oberhand und bewegte meinen Kopf zurück zur Wasseroberfläche, wo er mich verzweifelt nach Luft schnappen ließ. Ich konnte es einfach nicht...
Als ich zurück in mein Gemach kam, lag dort ein Brief auf meinem Bett, auf dem in schönster Schrift mein Name geschrieben stand. Ich erkannte sofort, dass es Kiyans Schrift war. Eine ganze Weile überlegte ich, ob ich ihn lesen sollte oder nicht. Schließlich öffnete ich ihn doch und faltete das sorgfältig gefaltete Papier auseinander.
Liebster Miko,
Da du das hier liest, habe ich es also wirklich getan... Ich weiß, dass es mir nicht zusteht, dich um Verzeihung zu bitten, denn was ich tat war unverzeihlich. Ich wusste von Anfang an, dass der Pakt nur mit dem eigenen Tod aufgehoben werden kann. Ich habe schon oft darüber nachgedacht es einfach zu tun. Aber jedes mal hielt mich der Gedanke an mein Volk auf. Mein Volk braucht einen König und ich habe keine Nachkommen. Aber dann stellte sich heraus, dass du der rechtmäßige König bist und auf einmal fühlte ich mich wie befreit von einer riesigen Last. In dem Punkt hat Samu nicht gelogen. Ich bin egoistisch und ich denke nicht an die Folgen, die mein Handeln haben könnte. Ich wusste, dass ich dich verletzen würde, aber habe es dennoch getan. Ich könnte lügen und dir erzählen, dass ich den Held spielen wollte und mich selbst tötete, um alle anderen zu retten, doch die Wahrheit ist, dass ich einfach nicht mehr konnte. Ich ertrug mein eigenes Spiegelbild nicht mehr. Jede Nacht plagten mich meine Schuldgefühle und erinnerten mich in meinen Träumen an das, was ich getan hatte. Mit ertrunkenen Gedanken wartete ich Tag für Tag auf den nächsten Morgen, in der Hoffnung er würde besser werden. Ich hasse mich selbst, was ich versucht habe zu verstecken, in dem ich mich möglichst unantastbar gab. Ich spielte dir vor ich wäre stark, doch eigentlich bin ich ein fragiles Bauwerk, dass durch die kleinste Erschütterung zusammenbrechen könnte. Du hingegen bist wirklich stark! Du warst der erste (bis auf Samu), der mich auf meine Fehler hinwies, obwohl dir bewusst war, dass ich der König war. Ich wünsche mir so, wir hätten uns früher und unter anderen Umständen getroffen... Dann hätten wir ein wundervolles Leben führen können. Gemeinsam. Mir könnte keine größere Ehre zu Teil kommen, als dass ich dich "mein" nennen könnte. Doch leider haben wir das nicht. Aber ich bin auch dankbar dafür, dass wir uns nicht später begegnet sind, denn dann hätte ich vermutlich bereits völlig den Verstand verloren. Falls du dich fragst, warum ich so grausam war und dich zwang meinen Tod mit ansehen zu müssen, kann ich dir eine Antwort darauf geben. Unter anderen Umständen, wäre der dämonische Geist nicht erschienen.
Genug von mir. Du musst jetzt nach vorne sehen. Du bist schließlich der König... Ich weiß, dass das alles etwas überwältigend ist, aber Samu wird dir helfen und dich unterstützen, wo er nur kann. Keine Sorge, er hat nun keinen Grund mehr gemein zu dir zu sein. Du kannst also glauben, was er dir von nun an sagt. Mach dir nicht zu viele Gedanken. Du wirst ein unglaublich guter König sein. Ein viel besserer König, als ich es je war. Ein König, der es schafft, voller Vertrauen und Würde in die Augen seines Volkes zu blicken und der es nicht nötig hat sich vor lauter Reue in einem Schloss zu verstecken. Sei gütig, sei offen. Hilf wo und wem du nur kannst. Die Welt ist ein dunkler Ort. Sie nimmt keine Rücksicht auf dich, sie wartet nicht darauf, dass du dich erholt hast, bevor sie dich den nächsten Abgrund hinunter stürzt. Die Welt ist nicht nett. Niemals und zu Niemandem. Die Menschen haben sie zu etwas abscheulichem gemacht. Menschen sind so falsch... Sie lügen und betrügen. Daher ist es ein wahrer Lichtblick jemanden wie dich als König zu wissen. Folge deinem Herzen und mach aus Phinea etwas besseres. Mach daraus ein Land, dass es wert ist dich als König zu haben.
Zur Magie findest du in der Bibliothek etliche Bücher, die sie dir hoffentlich ein wenig näher bringen können. Für dich ist es ungefährlich zu zaubern, da deine Magie deinem Körper entspringt und von ihm nicht als Fremdkörper angesehen wird, den er bekämpfen muss. Du solltest daher also auch keine Zusammenbrüche und Fieber erleiden. Es ist wichtig, dass du deine Grenzen kennenlernst und herausfindest worin deine Stärken liegen und was du eher nicht gut kannst. Sieh die Magie immer als einen Teil von dir. Du bist mit ihr verbunden.
Ich hoffe du weißt, dass meine Gefühle dir gegenüber aufrichtig sind. Ich gehe normalerweise keine Liebesbeziehung mit den Auserwählten ein...
Ich bin dir so unglaublich dankbar! In diesen zwei Wochen hast du meine verdorbene Seele mit deinem Licht erhellt. Du hast mich vergessen lassen, was für ein schlechter Mensch ich bin und mein schweres Herz zum schlagen gebracht. Nun kann ich es ja sagen, da ich deine Reaktion nicht mehr miterleben muss. Ich liebe dich und ich war zu feige, es dir ins Gesicht zu sagen, aus. Es hätte mich verletzbar und angreifbar gemacht und meine Fassade zum bröckeln bringen können. Doch noch schlimmer: Du hättest mir vielleicht gesagt, dass du nicht das selbe fühlst.
Ich hoffe wirklich, dass du eines Tages an mich denken kannst, ohne enttäuscht oder wütend zu sein, auch wenn du wirklich jeden Grund dafür hast. Du hast alles Glück dieser Welt verdient. Alles, was du wegen mir durchmachen musstest tut mir unendlich leid. Ich hoffe einfach, dass du niemals die selben Fehler machen wirst wie ich. Nun aber genug meines sentimentalen Geschwafels. Mein letzter Befehl als König an dich ist meine sterblichen Überreste im Rosengarten zu vergraben und eine Novalis Rose darauf zu pflanzen. Ob du die Rose mit einem Konservierungszauber belegst oder nicht bleibt dir überlassen. Ich möchte auch, dass nur du es bist, der es macht. Das ist das Geheimnis des Rosengartens. Er ist ein Friedhof für all die Opfer, die meine Familie bisher forderte. Konservierungszauber hindern die Rosen daran einzugehen und machen sie mehr oder weniger unsterblich.
Nun kennst du alle meine Geheimnisse. Hüte sie gut und vertraue sie niemand anderem an. Sie sollen auf ewig in deiner Obhut verbleiben. Ich hoffe du vergisst meinen sterblichen Namen nicht. Bitte ändere dich niemals, denn du könntest besser nicht sein. Du bist alles, was ich jemals sein wollte! Und nun ist wirklich genug. So Gefühlsduselig war ich lange nicht mehr...
Ich hoffe wirklich, dass du glücklich wirst und jemanden findest, der für dich da ist, dich unterstützt und niemals zu weinen bringt. Ansonsten komme ich zurück aus der Hölle und nehme ihn mit mir, auf das er im Fegefeuer zerberste.
Lebe wohl.
Ich musste mehrere male aufhören zu lesen, da mir meine Tränen die Sicht raubten. Schluchzend drückte ich den Brief gegen meine Brust, klammerte mich ins Papier, als könnte ich damit irgendetwas Rückgängig machen. Dieser verdammte Idiot...

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The Magician (boyXboy)
Fantasy(Boy x Boy) Ein dunkler Schleier der Hoffnung und Angst legte sich über den Tempel. Wen würde es treffen? Welche Gefahren würde dieser Weg bergen? Nur einer würde die Ehre zu Teil werden, doch über das Opfer, das erbracht werden musste, um mit erhob...