Ich befand mich in meiner Box in dem großen Stall von Friedrich Fink. In den letzten Tagen war er nur bei mir, um mich zu füttern und verschwand dann gleich wieder. Doch nun hörte ich Menschen den Stall betreten.
"Und er ist ihr direkter Nachkomme?" fragte eine ältere Frau mit grauen Haaren und Brille. "Er ist Hallas Enkel. Er hat definitiv ihre Anlagen. Aber ich verkaufe ihn wirklich ungern" antwortete Fink. Halla war meine Großmutter, Mama hatte mir viel über sie erzählt. Die anderen Herdenmitglieder hatten sie "die Legendenstute" genannt.
"Er ist unberechenbar. Hat uns bisher nur Schwierigkeiten gemacht" fuhr mein Besitzer fort.Kein Wunder, wenn ihr mich die ganze Zeit einsperrt, dachte ich wütend. "Ach das haben sie über Halla auch gesagt" erwiderte die Frau leichthin. "Ich weiß schon, was ich tue."
"Das hoffe ich. Dann lasse ich den Transporter kommen" meinte Fink und verließ den Stall. Nun trat Frau Kaltenbach zu meiner Box und schob den Riegel zurück. Ängstlich wich ich zurück, bis ich an der Wand anstieß. Die alte Dame kam auf mich zu. "Dann wollen wir mal." meinte sie. Sie machte mir Angst. Deshalb stieg ich wiehernd auf die Hinterbeine und schlug seitlich aus. Die Frau wurde gegen die Wand geschleudert und schrie auf. Da sah ich die immer noch offene Boxentür. Das war meine Chance!
Ich galoppierte los, doch die Alte klammerte sich an meinen Hals. Aber ich riss sie einfach mit. Sie schlug immer wieder hart gegen die Wand, bis sie zu Boden fiel. Nun konnte mich nichts mehr halten. Ich stürmte durch die Stallgasse in Richtung Licht, der Freiheit entgegen!
Meine Hufe klapperten auf den Boden, als ich aus dem Stall schoss. Im letzten Moment konnte ich einem Anhänger ausweichen, der gerade zum Stehen gekommen war und rannte weiter. Unfassbares Glück erfüllte mich. Ich war frei!
Doch ich hatte mich zu früh gefreut. Wie ein Blitz traf mich ein Betäubungspfeil an der Kruppe. "Nein!" rief ich, aber da wurde mir auch schon die Kraft entzogen und ich blieb stehen. Ein Reitlehrer lief auf mich zu, zog mir schnell ein Halfter über den Kopf und führte mich zurück zum Transporter. Fink schrie ihm etwas zu, woraufhin der Mann mich in den Transporter lud und mich von hier wegbrachte. Als wir den Hof verließen, hörte ich nur noch das komische Heulen von einer Rettungssirene.
Schließlich kam der Hänger zum Stehen und ich wurde ausgeladen. Ich befand mich auf einem Hof. Auf dem Tor stand groß und unübersehbar "Gestüt Kaltenbach". Der Reitlehrer übergab mich einem Jungen, der, dem Gespräch zu urteilen, anscheinend Sam hieß. Er wechselte einige Worte mit ihm und ich verstand nur Wortfetzen wie "Frau Kaltenbach .... Unfall .... Krankenwagen". Der Junge sah ihn entsetzt an und nickte. Dann führte er mich zum Stallgebäude. Nein! Ich wollte nicht schon wieder einsperrt sein! Aber ich konnte mich nicht wehren und somit ließ ich es zu, dass er mich in die letzte und dunkelste Box brachte. Sie war komplett vergittert und es fiel nur wenig Licht herein. Rasch nahm Sam mir das Halfter ab, schloss die Boxentür und verließ den Stall wieder.
Ich sah mich fassungslos um. Überall waren Wände mit Gitterstäben, die mich gefangen hielten. Da ich allerdings immer noch müde von der Betäubung war, legte ich mich ins Stroh und schlief ein.
DU LIEST GERADE
Ostwinds Sicht - Band 1
FanfictionIn dieser Geschichte geht es um Ostwinds Leben vor dem Buch und alles aus seiner Sicht. Viel Spaß beim Lesen :)