Kapitel 32.

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Ich habe mir verboten, Harry zu googeln. Ich habe mir die Fotos und die Songs, die Nachrichten und jede Erinnerung untersagt. Das hält mich jedoch nicht davon ab, Dinge durch Suchmaschinen zu jagen, die mit ihm zu tun haben. An einem Abend fällt mir zum Beispiel auf, dass der Geruch in seinem Pulli immer mehr zu meinem wird, also klicke ich mich durch unzählige Onlineparfümerien, um das Parfum zu finden, das ich unzählige Male in seinem Badezimmer habe stehen sehen und das ich noch viel öfter an seiner Halsbeuge gerochen, dessen Namen ich mir aber nie gemerkt habe. Es ist kurz vor zwei Uhr nachts, als ich fast eine absurde Menge Geld für ein Tom Ford Parfum ausgebe, bei dem ich mir nur zu 99% sicher bin, dass es das richtige ist.

Seit zwölf Tagen sitze ich in meiner neuen Wohnung, umringt von Kartons, deren Beschriftungen von „Küchengeräte" bis hin zu „Keine Ahnung. Kram" reichen. Ich habe einen einzigen Versuch unternommen, etwas von meinen Sachen auszupacken, doch schon im ersten Karton hatte ich nur Dinge gefunden, die mir egal und deren Existenz in meiner Wohnung damit unerheblich waren. Also habe ich es bleiben lassen und picke seitdem nur hier und da essenzielle Dinge aus den Kartons.

Als Schreibunterlage dienen mir wahlweise die Fensterbank, mein Bett oder der Boden, und Schreiben ist neben einem unruhigen Schlaf das einzige, was mich in den Tagen seit meiner Ankunft beschäftigt hat.

In der Einbauküche steht eine einzige Kaffeetasse, im Spülbecken liegen je ein Messer, eine Gabel und ein Löffel. Im Kühlschrank stehen einige Flaschen Bier und Pappschachteln diverser Lieferdienste aus der Umgebung. Tag für Tag wandere ich zwischen Laptop und Kaffeemaschine hin und her, und wann immer meine Konzentration nachlässt, weil ich unterzuckert bin, greife ich nach einer übrig gebliebenen halben Pizza oder den gebratenen Nudeln, die ich wegen des Mindestbestellwertes gleich drei Mal bestellt habe.

Es hatte nur eine einzige Ausnahme meiner selbstauferlegten Einsamkeit gegeben: an meinem ersten Abend hatte Laura mich vor meiner Wohnung abgefangen und in unsere Stammkneipe genötigt, denn dort würden meine Freunde auf mich warten. Unsere Biergläser hatten so heftig aneinander geklirrt, dass unsere Ärmel vom Bier durchnässt waren und ich wurde so viel umarmt, dass ich fürchtete, blaue Flecken davontragen zu müssen. Meine Freunde wollten keinen Gossip, keine schmutzigen Geheimnisse - sie freuten einfach über die Tatsache, dass mein Buch zu einem Film geworden war, den wir uns alle irgendwann im Kino ansehen würden. Und es dauerte keine fünf Minuten und das Thema schwenkte um, weg von Dreharbeiten und überteuertem Minibarinhalt hin zu all den Dingen, die ich hier in den letzten Wochen verpasst hatte. Es war zumindest der Versuch, zurück zu einer Normalität zu finden.

Laura hatte nach Harry gefragt, doch ich hatte bloß den Kopf geschüttelt. Es gab so viel Unausgesprochenes, aber all diese Worte gehörten ihm, nicht ihr oder jemand anderem.

Er fehlt mir, wie mir noch nie jemand gefehlt hatte, mit dem ich lediglich eine so kurze Zeit verbracht hatte, und dieses Gefühl pocht unablässig in meinen Eingeweiden. Wenn ich nachmittags die nächste Seite tippe, denke ich an all die Orte, an denen er jetzt gerade vielleicht ist. Wenn ich nachts rastlos durch die Karikatur eines Zuhauses schleiche, frage ich mich, mit wem er zu Abend isst. Wann er zu Bett geht. Was er erlebt und was er zu sagen hätte.

Ich seufze, nehme meine Hände von der Tastatur und blicke aus dem Fenster. Die Dämmerung verwandelt sich langsam in einen indigoblauen Abend und trotz der geschlossenen Fenster kann ich den leisen Straßenlärm hören. Eigentlich könnte es perfekt sein, denn diese Wohnung ist die beste Mischung aus abgelegen und mittendrin. Mein Konto ist gedeckt genug, dass ich mir vorerst keine großen Sorgen machen muss und ich schreibe, als würde mein Leben davon abhängen. Ich arbeite an Ideen, neuen wie alten, plane Projekte und habe endlich keine Angst mehr zu realisieren, was ich schon viel zu lang vor mir hergeschoben habe.

»3 am« [harry styles]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt