Kapitel 12

1.1K 105 16
                                    

- Niall -

Den Kopf zwischen meinen Knien vergraben, saß ich noch immer unter dem Baum und schluchzte wieder vor mich hin. Der Grund für meinen erneuten Heulanfall? Der gleiche wie vorhin auch: Liam. Dieser Typ machte mich fertig. Hatte ich doch ernsthaft innerhalb weniger Stunden zweimal wegen ihm geweint. Obwohl es ja meine Schuld war, denn ich hatte ihn dumm angemacht. Jetzt war er sicher wütend auf mich und wollte sein Zimmer nicht mehr mit mir teilen. Ganz toll gemacht Niall, ganz toll...

Für so etwas hatte ich eben Talent. Wenigstens etwas worin ich begabt war, das konnte auch nicht jeder..
Man bemerke die Ironie in meinen Gedanken.

Warum hatte ich denn überhaupt wieder an Liam gedacht? Ach stimmt ja, meine Mum hatte angerufen, wodurch ich wach wurde. Die hatte ich nämlich total vergessen. Sie hatte mir extra zehntausend Mal gesagt, dass ich sofort nach meiner Ankunft Zuhause anrufen sollte. Am besten auch noch während des Fluges. Klar, während dem Flug telefonieren..

Aber sie war einfach überfürsorglich und kam mir manchmal schon vor wie eine Glucke, die ihren Nachwuchs strengstens bewachte. Ein Wunder, dass sie mir überhaupt erlaubt hatte, hierhin zu gehen. Ich meine, das ist doch sehr weit von Zuhause entfernt.. Und dann auch noch England, weg von Irland. Respekt! Langsam merkte auch sie, dass ich erwachsen wurde.

Nachdem sie mich angemotzt hatte, warum sie mich anrufen musste und nicht ich sie, wollte sie natürlich alles wissen. Wie Mütter eben so sind. Wie es mir ging, ob ich schon neue Freunde gefunden hatte, und so weiter.. Hatte ich, aber die hatte ich jetzt auch schon wieder vertrieben. Hammer Leistung, innerhalb von wenigen Stunden! Aber das hatte ich ihr natürlich nicht gesagt, sonst hätte sie sich nur wieder Sorgen gemacht. Ein bisschen wären die Sorgen ja auch berechtigt, doch ich würde das alles auch alleine wieder hinkriegen. Schließlich war ich 17 Jahre alt, fast erwachsen. Ich hatte sie am Schluss allerdings schnell abgewürgt, obwohl sie noch lange nicht am Ende ihrer Fragen angelangt war. Aus dem einfachen Grund, weil ich nicht wollte, dass sie mein Weinen mitbekam. Ich konnte gar nicht anders als nicht zu weinen. Denn sobald ich ihr von Liam erzählt hatte, kam die Erinnerung an das, was ich zu ihm gesagt hatte und so auch die Tränen.

Weil ich aber so schnell aufgelegt hatte, befürchtete ich jetzt aber, dass sie sich doch Sorgen machte. Mist.. Naja, morgen würde ich sie zurückrufen und sie hoffentlich beruhigen können. Ich musste sie beruhigt bekommen! Nacher steigt sie ins nächste Flugzeug um sich davon zu überzeugen, dass es mir gut geht. Das würde ich ihr echt noch zutrauen, so verrückt war sie. In diesem Fall jetzt nicht nur verrückt wie immer, sondern auch noch besorgt dazu. Das war definitiv eine schlechte Kombination.. Also musste ich sie morgen auf alle Fälle beruhigen. Falls sie es bis morgen überhaupt aushalten würde und nicht jetzt schon gleich ein Ticket buchen wollte. Oder sollte ich vielleicht zur Vorsorge doch jetzt schon anrufen? Nein! Sie würde es schon bis morgen aushalten.

Durch das Grübeln über meine Mum hatte ich mich von meinen Vorwürfen an mich selbst abgelenkt. Das machte ich oft, wenn ich traurig war: einfach über etwas Anderes sehr intensiv nachdenken und dann konnte ich wirklich - wenigstens ein bisschen - fröhlicher werden. Auch dieses Mal half meine Strategie und so wurden meine Tränen allmählich weniger und ich atmete wieder halbwegs normal. Ich wunderte mich sowieso, warum und wie ich so lange heulen konnte. Sonst war ich eigentlich nicht so der Typ, der wegen jeder Kleinigkeit anfing zu weinen. Aber heute? Wahrscheinlich war heute einfach nicht mein Tag.

So langsam wäre ich also kein Schock mehr für Leute, die mich zufällig sehen könnten. Gut.

Apropos Leute. Jetzt stand ich vor der schweren Frage: Sollte ich noch hier bleiben oder doch lieber rein gehen? Eigentlich wäre es schon ganz angebracht, wieder rein zu gehen. Es war schon ziemlich spät oder? Ein kurzer Blick auf die Uhrzeit an meinem Handy bestätigte meine Befürchtungen. Falls den drei etwas an mir lag, machten sie sich jetzt sicher schon Sorgen und suchten mich. Dann sollte ich schnellstmöglich zu ihnen rein gehen.

Sing für mich (Niam)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt