Kapitel 1

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Shinichi POV

Es war wieder soweit. Der berühmte Magier unter dem Mondlicht, der unerkannte Meisterdieb KID, hatte erneut eine Ankündigung verschickt.

Mit der Vorfreude eines Kindes begab ich mich zu dem von ihm angekündigten Platz. Das Rätsel, welches er dieses Mal geschickt hatte, war ziemlich knifflig gewesen. Die Polizei war wohl nicht dahinter gekommen, dass er dort auch geschrieben hatte, dass er von dem Dach eines großen Hotels fliehen würde.

So wartete ich nun auf dem Dach eben jenes Hotels unter dem sternenklaren Himmel auf ihn. Es war eine ruhige Nacht. Nur ein leichter Wind säuselte die frische Luft des beginnenden Frühlings umher.

„Oh?", hörte ich mit einem Mal eine mir bekannte Stimme hinter meinem Rücken. „Der Herr Detektiv wartet auf mich? Welch eine Ehre." Ich konnte ein leichtes Kichern vernehmen und drehte mich zu demjenigen um, der sich selbst als Meisterdieb betitelte.

Es war nicht verwunderlich, dass ich ihn bis gerade nicht bemerkt hatte. Hier oben gab es viele Ecken und Winkel, die vom Mondlicht nicht erhellt wurden. Es war ein Leichtes, hier unbemerkt aufzutauchen.

KID sah mich mit selbstsicherem Lächeln an. Es lag eine nervenaufreibende Stimmung in der Luft, wie jedes Mal, wenn wir uns gegenüberstanden.

„Heute wird dir dein Lächeln vergehen, KID. Ich werde deine Maske ein für alle Mal herunterreißen und dich hinter Gitter bringen!"

Ein Schmunzeln legte sich auf das Gesicht des in weiß gekleideten Diebes, als er langsam auf mich zuging. „Ich fürchte, dass ich das nicht zulassen kann. Was ist schon ein Phantom, wenn es nicht mehr unerkannt bleiben kann?"

Gelassen nahm er den von ihm gerade entwendeten Edelstein und hielt ihn gegen das Mondlicht. Gab es einen bestimmten Grund, warum er diese Geste immer zu wiederholte? Oder tat er es nur, um noch mysteriöser zu wirken? Ich wusste es nicht, aber auch hinter dieses Geheimnis würde ich eines Tages noch kommen.

Doch in diesem Moment meinte ich für den Hauch einer Sekunde sehen zu können, wie sich die Schultern des Diebes versteiften. Einen Augenblick später sah er mich jedoch wieder mit seinem üblichen neckischem Gesichtsausdruck an. Ich musste mich getäuscht haben.

„Ich bin untröstlich, Herr Detektiv, doch ich muss mich für heute verabschieden", meinte er und verbeugte sich theatralisch.

„Glaubst du wirklich, dass ich dich so einfach davon kommen lasse?", fragte ich fast schon provokant. Dabei nahm ich den Fußball-Gürtel zur Hand, den Professor Agasa damals zu meiner Zeit als Conan für mich entwickelt hatte.

Als KID diesen erblickte, erschrak er und ließ sein sonst so perfektes Pokerface für einen kurzen Augenblick fallen. „Den hast du immer noch?!", fragte er etwas panisch.

„Natürlich hab ich ihn noch", erwiderte ich grinsend und feuerte daraufhin einen Ball auf meinen Gegner ab. Wie erwartet wich er diesem aus. Zu meinem Überraschen jedoch schaffte er es, den zweiten Ball, den ich im Schatten des ersten abgefeuert hatte, mit seiner Kartenpistole zu zerschießen. Er hatte wirklich gute Reflexe, das musste ich ihm lassen.

„Ich kann deine Tricks durchschauen, mein lieber Detektiv. Sonst könnte ich mich wohl kaum ein Meister meines Fachs nennen, nicht wahr?" Mit diesen Worten breitete er seinen berühmten Hängegleiter aus. „Hoffentlich sehen wir uns bald wieder, in einer vom Mond erhellten Nacht."

Ohne weitere Umschweife nahm er Anlauf und sprang von dem Dach des hohen Gebäudes.

„Warte KID!", rief ich, doch natürlich hörte er nicht auf mich. Ich schoss einen weiteren Ball auf ihn, welchem er jedoch erneut geschickt auswich und dabei einen eleganten Looping in der Luft formte. Dieser Angeber. Ich konnte nur zusehen, wie sich KIDs Silhouette im fahlen Licht des Mondes verlor.

Unwillkürlich musste ich lächeln. Er war in der Tat ein würdiger Rivale. Doch irgendwann würde ich hinter seine Geheimnisse kommen, das schwor ich bei meinem guten Ruf als Detektiv.

Gerade wollte ich mich umdrehen, um meinen Heimweg anzutreten, als ich etwas aus dem Augenwinkel heraus bemerkte. Es war ein schwarzer Schatten. Deutlich konnte ich seinen Blick auf mir spüren.

Doch als ich genauer hinsah, war er bereits verschwunden. War es letztendlich doch nur meine Einbildung gewesen?

Ich seufzte. Vielleicht war es ja auch nicht so wichtig, meine Augen schienen müde zu sein.

Ich begab mich wieder nach unten, vorbei an dem am Boden zerstörten Kommissar Nakamori und seinen Männern, die das Rätsel um KIDs Fluchtpunkt erst zu spät gelöst hatten. Sie beachteten mich kaum. Wäre ich KID, wäre es nun ein Leichtes gewesen, unbemerkt hier hinaus zu kommen. Doch wollte ihnen den Tag nun nicht noch mehr vermiesen, indem ich die Einsatzkräfte darauf hinwies.

Mit einem leisen Quietschen öffnete ich die schwere Tür, die aus dem Hotel hinausführte. Noch immer wehte ein leichter Wind, die Straßen waren menschenleer. Doch dann erweckte etwas meine Aufmerksamkeit; es war ein weiterer Schatten, der hinter einer der Hauswände hervorlugte. Ob es sich um den gleichen Schatten handelte wie auf dem Dach, wusste ich nicht. Aber nun konnte ich ihn auf keinen Fall mehr ignorieren.

Also tat ich so, als hätte ich ihn nicht bemerkt und als er sich bewegte, folgte ich ihm möglichst unauffällig. Ich hatte ein mulmiges Gefühl im Magen. Irgendetwas stimmte hier nicht.

Nachdem er in einer Seitengasse verschwunden war, schlich ich mich leise an und sah vorsichtig hinter die Ecke. Dort erblickte ich fünf Männer, alle in schwarz gekleidet. Eine seltsame Aura umgab sie und ich war mir sicher, dass sie sich nicht nur zum Plaudern hier versammelt hatten.

„Hat dich jemand bemerkt?", fragte ein Mann mit Schnäuzer. Er hatte seinen schwarzen Hut so tief ins Gesicht gezogen, dass ich es kaum erkennen konnte.

Derjenige, den ich zuvor als Schatten wahrgenommen hatte, schüttelte kaum merklich den Kopf. „Nein. Auch dieser Detektiv scheint mich nicht bemerkt zu haben."

Er hatte uns also doch beobachtet. Aber ganz recht hatte er bei seiner Aussage nicht, sonst würde ich wohl kaum hier stehen.

„Die Vorbereitungen für KIDs nächsten Diebstahl wurden ebenfalls getroffen." Diese Aussage ließ mich aufhorchen. Welche Vorbereitungen?

„Sehr gut. Sein nächster Diebstahl wird sein letzter sein, dafür werde ich persönlich sorgen. Und dann wird Pandora endlich in unserem Besitz sein!" Ein widerliches Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des Mannes mit Schnäuzer aus. Mir gefiel das alles gar nicht.

Dann sah einer der Männer plötzlich in meine Richtung, sofort versteckte ich mich hinter der Ecke. Entdeckt zu werden konnte ich nun wirklich nicht gebrauchen.

„Was ist los?", hörte ich den Mann mit Schnäuzer sagen, darauf folgten Schritte. Schnell flüchtete ich mich hinter einem kleinen Hausvorsprung in der Hoffnung, dass sie mich nicht sehen konnten.

Und ich hatte Glück. Kurz nachdem die Schritte zum Stehen gekommen waren, hörte ich den Mann sagen: „Muss wohl meine Einbildung gewesen sein." 

Als er wieder ging, atmete ich erleichtert auf.

Aber worüber hatten diese Typen da bloß gesprochen? Trachteten sie KID wirklich nach dem Leben? Und was meinten sie mit „Pandora"?

Das Ende der SucheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt