Kapitel 8

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Als ich erwachte, drang gedämpftes Licht durch die zugezogenen Vorhänge ins Zimmer. Gähnend tastete ich nach meiner Brille, die ich am Vorabend achtlos auf meinen Nachttisch gepfeffert hatte. Die Brillengläser waren dreckig, aber immerhin sah ich jetzt wieder etwas klarer. Bokuto hing halb von der Matratze, sein rechtes Bein war quer über den Boden gestreckt, die Decke hatte sich um das andere Bein gewickelt.

Selbst im Schlaf war er zappelig, er hatte mich in der Nacht mehrfach aufgeweckt, weil er sich so viel bewegt hatte. Leise stand ich auf. Für einen Moment betrachtete ich ihn eingehend, die langen Schatten, die das Licht über sein Gesicht trieb und die markanten Augenbrauen. Seine sonst so helle Haut hatte den Sommer über ein bisschen Farbe abbekommen.

Als ich merkte, dass ich ihn anstarrte, wandte ich schnell den Blick ab und hinkte so leise ich konnte zur Tür. Ich unterdrückte ein Ächzen, als ich den verletzten Fuß belastete. Nachdem ich umständlich auf dem Hintern die Treppe runtergerutscht war, schnappte ich mir als erstes meine Krücken und betrat dann die Küche, in der es herrlich nach Tee duftete. Meine Mutter saß am Esstisch, die Beine zum Schneidersitz gefaltet und drehte nachdenklich die Tasse in den Händen.

Als sie mich bemerkte, sprang sie schnell auf. "Alles gut, meine Fee?"

Sie sah ungewöhnlich besorgt aus und es dauerte kurz, bis mir ein Licht aufging. Ich hatte gestern die Spätzlepresse nicht saubergemacht und Mama wusste natürlich genau, dass ich sie nur benutzte, wenn ich einen schlechten Tag hatte. Normalerweise räumte ich sie deshalb wieder an ihren Platz, aber als Bokuto gestern hier aufgekreuzt war, hatte ich keinen Gedanken mehr daran verschwendet. Ich lehnte mich gegen die Arbeitsplatte und lächelte sie an.

"Bokuto ist gestern Abend noch vorbeigekommen und ich wollte ihm etwas traditionell Deutsches kochen", log ich, damit sie sich ja keine Sorgen machte.

"Ist das der Junge, der am Mittwoch auf dich gewartet hat?", hakte sie nach und blickte mich aufmerksam an, als witterte sie, dass da mehr im Busch war.

"Genau, er wohnt hier in der Nähe und geht mit mir in eine Klasse."

Und er hat heute Nacht hier geschlafen. Wie sollte ich ihr das sagen, ohne dass sie sofort vom Schlimmsten ausgehen würde?

"Es ist gestern ziemlich spät geworden", setzte ich an und versuchte, die richtigen Worte zu finden.

Es wäre wohl das Beste, ich würde das Pflaster einfach abreißen und die Sache hinter mich bringen.

"Ich wollte ihn nicht im Dunkeln nach Hause gehen lassen und hab ihm angeboten, auf der Matratze zu schlafen. Ich hoffe, das war in Ordnung."

Eine Weile lang sagte sie nichts, aber ich sah es als gutes Zeichen, dass nicht sofort ein Gewitter über mich hereinbrach. Schließlich seufzte sie.

"Ich denke du bist alt genug, um zu wissen, wen du in dein Leben lässt. Deine Großmutter war in deinem Alter schon verlobt und auch wenn ich es nicht gerne zugebe, du bist ganz schön groß geworden, meine kleine Fee."

Blut schoss mir in die Wangen und plötzlich kam es mir ganz schön heiß in unserer Küche vor.

"Mama!", unterbrach ich sie, bevor sie noch irgendwas Peinliches von sich geben konnte, "Wir haben nichts miteinander, ich brauch jetzt kein Aufklärungsgespräch!"

"Ich will auch hoffen, dass du schon aufgeklärt bist, sonst hätte ich als Mutter wirklich versagt."

Sie nahm einen Schluck von ihrem Tee, bevor sie fortfuhr: "Dein Vater hat mich gewarnt, dass du sehr europäisch geraten würdest und weißt du was? Ich könnte nicht stolzer darauf sein, was aus dir geworden ist. Und wenn das bedeutet, dass ab und zu ein Junge hier übernachtet, dann nehme ich das ohne zu Murren hin."

Man sagt doch, Eulen seien weise  ✔ [Bokuto Kotaro, Haikyuu!]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt