Den ganzen Sonntag über versuchte ich, jeglichen Gedanken an Bokuto aus meinem Kopf zu verbannen. Nachdem ich sämtliche Hausaufgaben erledigt und aus lauter Verzweiflung sogar mein Zimmer aufgeräumt hatte, holte ich meine Acrylfarben und eine unbenutzte Leinwand aus dem kleinen Schränkchen, in dem ich solche Sachen lagerte. Ich gab mir wirklich Mühe, die Atmosphäre des nächtlichen Schulhofs einzufangen, aber egal wie sehr ich mich darauf konzentrierte, ständig geisterte Bokuto vor meinem inneren Auge herum, bis ich das ganze schließlich aufgab.
Zu gerne hätte ich jetzt mit Ivana geredet, aber da sie heute noch keine meiner Nachrichten beantwortet hatte, nahm ich an, dass sie noch schlief. Unwillkürlich musste ich an gestern Abend denken und wie ich Bokuto von der Geschichte mit den Barbieschuhen erzählt hatte.
Mein bestgehütetes Geheimnis war nun kein Geheimnis mehr.
Nicht einmal Ivana wusste, wohin die Schuhe damals für einige Tage verschwunden waren und um ehrlich zu sein, hatte ich auch nicht vor, ihr jemals davon zu berichten. Ich hatte nicht wirklich Angst davor, dass sie böse auf mich wäre, aber ich konnte mir vorstellen, wie viele Witze darüber ich mir bis ans Ende meiner Tage anhören würde müssen.
Einmal, in der vierten Klasse, hatte mein Vater mir versehentlich ein riesiges Stück stinkigen Käse mit in die Schule gegeben, dessen strenge Duftnote mehrer Tage lang im Klassenraum gehangen hatte. Manchmal nannte sie mich heute noch Stinki.
Generell verdankte ich Ivana so einige Spitznamen, nicht zuletzt war sie auch dafür verantwortlich, dass mich kein Mensch bei meinem richtigen Namen nannte. Meine Eltern hatten mir, in der Erwartung für immer in Deutschland zu bleiben, einen europäischen Vornamen gegeben.
Auf meinem Pass stand der Name Felicia Treize, was lose übersetzt Lucky Thirteen bedeutete und nachdem Ivana das erstmal herausgefunden hatte, gab es für sie keinen Grund mehr, mich bei meinem richtigen Namen zu nennen. Schon auf der weiterführenden Schule war ich auch von den Lehrern nur noch beim Spitznamen genannt worden und als wir dann umgezogen waren, hatte ich schon bald gemerkt, dass Lucky für die Japaner wesentlich einfacher auszusprechen war und so war der Name geblieben.
Manchmal war ich mir nicht mal sicher, ob meine Mitschüler wussten, dass ich nicht wirklich Lucky hieß und zu den seltenen Anlässen, an denen ich einen Blick auf meinen Pass warf, stolperte ich fast selbst über meinen echten Namen. Als meine Mutter kurz darauf den Kopf zur Tür hereinsteckte, musste ich einen äußerst ungewöhnlichen Anblick abgeben.
Ich saß auf dem Bett und starrte mit leerem Blick die Wand an und noch viel seltsamer war, dass der Boden völlig frei von Stolperfallen und der Schreibtisch nicht mit losen Blättern überflutet war. Als dann auch noch eine Tafel Schokolade durch mein offenes Fenster gesegelt kam, sah sie so verwirrt aus, als wäre ihr gerade der Yeti in meinem Zimmer begegnet.
Kopfschüttelnd zog sie den Kopf zurück und schloss wortlos die Tür hinter sich. Ich war froh, dass sie mich nicht mehr sehen konnte, als ich nun wie von allen guten Geistern verlassen aufsprang und zum Fenster hastete. Wie erwartet war bei einer fliegenden Schokolade ein Schokoladenwerfer nicht fern, der unter meinem Fenster stand und mir fröhlich zuwinkte.
"Sag mal, willst du mich eigentlich mästen? Jedes Mal wenn du herkommst, bewirfst du mich mit Snacks. Falls du glaubst, du könntest mit mir den Pawlow machen, muss ich dich enttäuschen."
"Was ist ein Pawlow?"
"So ein Typ der Hunde mit Essen konditioniert hat, ach vergiss es, nicht so wichtig."
Ich stütze die Hände auf dem Fenstersims ab und beugte mich ein Stück nach vorne.
"Was machst du hier?"
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Man sagt doch, Eulen seien weise ✔ [Bokuto Kotaro, Haikyuu!]
FanfictionEine kleine Slow Romance Geschichte für verregnete Tage, an denen man denkt, dass die Sonne nie wieder rauskommt. Trotz ihres klangvollen und vielversprechenden Namens hat Lucky nicht unbedingt viel Glück, besonders nicht, wenn es um Bokuto geht. S...