Act 5 - Die wahre Natur von Heldenmut

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Geralt beobachtete aufmerksam wie Lyra an der Seite von Jaskier lief. Noch immer war dem Hexer schleierhaft, wer oder was Lyra ist, aber seine Hexersinne schlugen bei ihr Alarm und seine Sinne täuschten sich nie. Ihm war noch immer nicht klar, welches Ziel sie genau verfolgt und auch verstand der Hexer nicht welche Rolle dabei Jaskier spielte. Lyra schien Gefallen an dem Barden zu finden und Jaskier ohnehin an ihr, denn das war unverkennbar und auch nicht wirklich verwunderlich oder überraschend. Geralt überraschte es nicht, so zeigte Jaskier häufig Vorlieben an weiblichen Geschöpfen. Aber was die Rothaarige damit bezwecken wollte, konnte Geralt nicht sagen. Sicher war jedenfalls, er würde sie aufmerksam im Auge behalten, so wie er jeden der Gruppe aufmerksam im Auge behalten würde und er war nicht Jaskier, den man blind und mit weiblichen Reizen um den Finger wickeln konnte. Aber Geralt war sich sicher, dessen war Lyra sich bewusst und das hatte er ihr schließlich auch schon unmissverständlich klar gemacht.

Geralt wusste genau, dass diese Gruppe keine fröhliche Reisegruppe war, die einfach gemeinsam durch die Gegend wandert in aller Lust und Freundschaft. Nein gewiss nicht.

Die Teufelskerle waren miese Bastarde, Geralt traute ihnen zu, dass sie die Konkurrenz versuchen würden auszuschalten und das auf die ganz schmutzigsten und übelsten Arten. Das waren Muskelpakete, aber gerade jene von der Sorte, die gerne hinterlistig und schmutzig töten. Diese Kerle würden sich nicht offen in einem Zweikampf stellen, sondern lieber denjenigen in einer dunklen Gasse auflauern, ihm die Kehle aufschlitzen, den amen Tropf armselig dort verrecken lassen und am nächsten Morgen scheinheilig und heuchlerisch, bestürzt über jene Leiche in der Gasse sein. Die Handschrift eines Feiglings. Genau so schätze er die Teufelskerle ein und Geralt irrte nie. Er hatte schon so viel und so lange mit Menschen und in diesem Beruf zu tun, dass er derweil erschreckend gute Menschenkenntnisse besaß und das obwohl man ihm stehts vorhält, Hexer haben keine Ahnung von Gefühlen. Dafür kannte er die Menschen besser als ihm manchmal lieb war, denn oft war es erschreckend traurig.

Der Druide hatte offen seine Feindseligkeit zu allen bekundet sowie, dass er völlig andere Ziele verfolgt als alle andren Anwesenden. Nichts desto trotz, eine schmutzige Tat traute der Hexer dem Druiden nicht zu. Wenn einer in der Gruppe sich mit dem Wort Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit rühmen darf, dann vermutlich am ehesten der Druide.

Nythins von Vartburg wäre der Zweite der sich mit den Worten Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit rühmen dürfte. Der Ritter mag wie ein Idiot erscheinen und genau das ist er vermutlich auch, ein Idiot, weil er sich für die Gerechtigkeit in Person hält und den Retter der Menschheit. Er ist naiv und naive Trottel töteten nicht hinterlistig. Nythins besaß außerdem Anstand und durchaus Ehre. Nein, Geralt war sich sicher, vom Ritter ging die geringste Gefahr innerhalb der Gruppe aus.

Die Zwerge waren ihm sympathisch und zumindest momentan freundlich gesinnt, jedenfalls gegenüber Geralt, denn gegenüber Ernhart zeigten sie keine gute Miene zum bösen Spiel. Aber Zwerge sind auch grob und von absoluter kämpferischer Natur und Ehrgeiz geprägt. Einem Zwerg macht man kein Gold streitig. Wenn es also hart auf hart kommt, dann würden die Zwerge gegen jeden kämpfen, der sich ihnen in den Weg stellt. Zudem war Geralt sich sicher, dass die Zwerge Ernhart genau so einschätzten. Sie würden ihn auch aufmerksam beobachten und sollte er eine Dummheit planen, dann würden die Zwerge es merken und ihre Äxte schwingen.

Lord Zelcert wollte um jeden Preis diesen Wettstreit gewinnen, immerhin hatte er es auf den Thron abgesehen. Der Lord würde sich natürlich niemals selbst die Finger schmutzig machen, aber dafür hatte er schließlich sein Gefolge dabei, die für ihn die Drecksarbeit erledigen konnten. Um ehrlich zu sein wunderte es Geralt, dass Nythins noch nicht ermordet im Straßengraben lag, entweder durch die Hand und Anordnung des Lords oder durch die Teufelskerle.

Der Zauberer Dalenilm hatte kein Grund sich der Konkurrenz zu entledigen, denn für den Zaubere war keine Konkurrenz in dem Sinne vorhanden. Niemanden außer ihm ist an den Innereien des Drachen interessiert. Dem Zauberer kann es also egal sein wer letztendlich das Ungetüm erlegt und die Lobpreisung einheimst, solang es irgendjemand tut und somit Dalenilm an seine begehrten Zutaten kommt. Niemand würde ihm die Zutaten streitig machen, der Zauberer musste also nichts weiter tun als abzuwarten. Wenn Geralt Dalenilm so betrachtete, dann wunderte er sich nur, dass der Zauberer so unheimlich jung aussah. Alle Zauberer die Geralt kennt waren eher in einer guten mittleren Altersreife stehen geblieben. Der Hexer wusste, dass Magier an einen beliebigen Punkt ihren Alterungsprozess stoppen können und dem Hexer war aufgefallen, dass Magier meist eine mittlere Altersreife wählten, um weise und reif zu wirken, während die Magierinnen, so wie Yennefer oder auch Triss, sich für ein jüngeres Alter entschieden, um eine attraktive, reine Schönheit zu gewährleisten. Aber Dalenilm war anders. Er war der erste Zauberer, dem der Hexer begegnet, der sich nicht für die guten, Mitte 30 entschieden hatte, sondern eher wie ein junger Knappe aussah. Jeder hatte wohl so seine Vorlieben. Letztendlich spielte es keine Rolle, es wunderte Geralt nur.

[THE WITCHER] A Dragons Tale: Die Suche nach dem DrachenschatzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt