Loudwater - 2/3

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Zügig gehen sie die Straße entlang, nur von einer kurzen Rast am Mittag unterbrochen. Gegen Nachmittag stoßen sie auf die ausgebrannten Wagen einer Karawane. Vorsichtig nähern sie sich den verkohlten Überresten. Leichen und Pferdekadaver liegen zwischen den Wagen. Während Faron die Umgebung im Auge behält und Taliamee sich vor eine Leiche hockt, legt Xavian nachdenklich die Hand auf einen der ausgebrannten Wagen. "Kalt" brummt er und lässt den Blick über das Schlachtfeld streifen. Dann hockt er sich hin und streicht mit der Hand über die Wunde einer Leiche. "Zwei Tage". Er erhebt sich wieder und blickt sich erneut um. "Sie kamen überraschend von zwei Seiten" er zeigt nacheinander an die linke und rechte Flanke der Karavane und schüttelt den Kopf. "Offenes Gelände, keine Deckung für einen Hinterhalt." Taliamee geht zwischen den Wagen herum. "Hier ist ein Haufen Zeug verbrannt." Sie holt einen glitzernden Gegenstand aus der Asche. "Inklusive handlicher, wertvoller Fracht." Sie schüttelt den Kopf. "Das macht doch keinen Sinn," meint Faron, der weiter die Umgebung sichert. "Wer greift eine gut bewachte Karavane an um alles wertvolle zu verbrennen?" Talli zuckt die Achseln und beobachtet Xavian, der etwas abseits hockt und mit der flachen Hand über den Boden streicht. "Hier beginnt die Spur" meint er zu ihr über die Schulter. Rasch kommen Taliamee und Faron zu ihm und bleiben hinter ihm stehen. "Was meinst Du damit?" fragt sie. Xavian peitscht kurz mit dem Schwanz und deutet auf den Boden. "Hier ist der erste Abdruck. Echsenartig, aber weder Echsenmenschen noch Troglodyten." Talli schaut konzentriert auf die Erde, wo Xavian hinzeigt. Sie sieht da nur Erde und Dreck. "Aber wo kamen sie her?" fragt sie ihn ratlos. "Das ist praktisch noch auf der Straße." Sie überlegt kurz. "Teleportatios-Zauber?" Xavian schüttelt den Kopf. "Kaum. Es sei denn die tauchten mindestens fünf Meter über dem Boden auf." Taliamee zieht den Kopf etwas zurück. "Was?" Xavian deutet wieder auf den Boden. "Der erste Abdruck ist deutlich tiefer als die anderen." Faron schnaubt. "Sie werden wohl kaum vom Himmel gefallen sein, oder?" Xavian peitscht erneut kurz mit dem Schwanz und knurrt leise. "Jedenfalls sind sie nicht hierher gelaufen. Und ich kenne keine geflügelte Rasse mit Krallen an den Füßen, die schwere Klingenwaffen benutzt, Du etwa?" Faron schüttelt den Kopf. "Harpyen?" fragt Taliamee unschlüssig. Xavian schnaubt nur. "Zu schwach um solche Wunden zu schlagen und treten nicht in Gruppen auf."

Taliamee zuckt die Achseln. "Wie sorgen wir für ein Begräbnis?" fragt sie nur, das unlösbare erstmal beiseiteschiebend. Faron schüttelt den Kopf. "Keine Zeit und zu viele. Wenn solche Kraturen hier ihr Unwesen treiben, sollten wir vor Einbruch der Nacht ein Dach über dem Kopf haben. Wir sagen den Leuten auf den Höfen und in Llorkh Bescheid, die werden sie begraben, die nicht verbrannte Ware wird genug Lohn für die Arbeit sein." Unzufrieden nickt Taliamee, Xavian wendet sich nur stumm ab und geht weiter.

Nach einer Weile fällt ihr noch etwas ein. "Da waren keine Waffen," meint sie zu ihren Begleitern. Xavian nickt. "Haben sie als einziges mitgenommen. Selbst ihre Beutel hatten sie noch." Schweigend geht sie weiter neben ihm her.

Nach einer Weile blickt sie genervt Faron an, der sich etwas hat zurückfallen lassen und sie nun schon seit einer Stunde unentwegt beobachtet. "Was starrst Du mich eigentlich so an, Kerl? Noch nie eine Frau gesehen?" Faron nickt nur ungerührt. "Doch, viele. Du siehst aus wie eine Menschenfrau, Du gibst Dich wie eine, Du kleidest Dich wie eine. Doch Du bewegst Dich nicht wie ein Mensch. Und einen Akzent wie den Deinen habe ich noch nie gehört."

Erschrocken starrt Taliamee ihn an, wärend Xavian ungerührt weitergeht. "Sie ist ein Gestaltwandler" brummt er nur. "Was?!" ruft Taliamee und blickt nun ihn völlig entgeistert an. Xavian schnaubt kurz auf. "Unsereins hat in Blut und Schmerz gelernt Gestaltwandler zu erkennen. Und der Schönling hat recht. Du bewegst Dich nicht richtig. Und riechen tust Du auch nicht nach Mensch, sondern nach Echse."

Faron stockt kurz im Schritt, während Xavian sie gar nicht zu beachten scheint und stur weitergeht. "Ähhh" meint Faron nur und blickt sich kurz in die Richtung um in der sie die Überreste der Karavane zurückgelassen haben. "Echse? Wie, Echse?!"

Taliamee seufzt und blickt zu Boden. "Ich bin keine Echse. Vor langer Zeit ist mein Volk fast von den Menschen ausgelöscht worden aufgrund dessen, was wir sind. Deshalb zeigen wir uns anderen nicht in unserer Gestalt."

"Weißauge" murmelt Xavian, woraufhin Taliamee sichtbar zusammenzuckt. "So nannten sie uns" presst sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Kurz blickt sie zu ihm herüber. "Woher weißt Du davon? Das geschah vor langer Zeit."

Xavian zuckt nur kurz mit einem Ohr. "Mein Meister erzählte mir davon. Als Beispiel, daß nicht alle Gestaltwandler schlecht sein müssen, daß Misstrauen zwar gut und wichtig ist, aber immer mit dem Verstand gepaart sein muss."

Eine Weile gehen sie schweigend. "Wo lebt ihr jetzt?" fragt Faron schließlich zurückhaltend. "In Sicherheit" antwortet Taliamee nur kurz angebunden, woraufhin ihre Gefährten das Thema fallen lassen.

Am späten Nachmittag kommen sie an einer weiteren ausgebrannten Wagengruppe vorbei, die ähnliche Spuren des Angriffs und sinnloser Verwüstung zeigt, danach an mehreren völlig zerstörten einzelnen Wagen. Am Abend sehen sie schließlich weit abseits der Straße die ersten Höfe - schwer befestigt soweit abseits der sicheren Stadt. Hier draußen sind Überfälle von Gruppen der wilden Stämme und Monster aus den Mooren im Süden nicht ungewöhnlich, die Menschen hier haben eine robuste Grenzer-Mentalität.

Mit den letzten Strahlen der untergehenden Sonne erreichen sie einen der größeren Höfe und bleiben vor dem Tor der Palisade stehen, sich des Armbrustschützen gewahr, der vom Dach auf sie zielt. Rasch kommt einer der Bauern angelaufen und beäugt sie misstrauisch, besonders Xavian, der die Kapuze seines knöchellangen Umhangs über den Kopf gezogen hat.

"Wir erbitten Unterkunft für die Nacht" sagt Taliamee, sich um einen vertrauenserweckenden Tonfall bemühend. "Kein Zwist werden wir über Deine Schwelle bringen und uns den Regeln Deines Hauses beugen." Der Bauer lacht kurz auf. "So formell, meine Dame?" Er winkt sie herein. "Kommt herein, seid willkommen in unserem Heim und am Feuer meiner Familie."

Er macht eine Geste in Richtung des Daches und führt die Gefährten ins Haus, wo sich die große Famile bei ihrem Eintreten vom Tisch erhebt um sie zu begrüßen. Als das Licht Xavian erhellt und seine Krallen über die Dielen kratzen weichen einige einen halben Schritt zurück. "Ein, ein, ein..." stottert die Bäuerin. "Das ist Xavian," beeilt sich Taliamee vorzustellen, "aus dem Volk der Lupins. Das ist Faron, ich bin Taliamee. Ich danke Euch für Eure Gastfreundschaft."

Rasch fängt sich die Frau und tritt zu ihnen, wärend ihre Söhne weitere Stühle heranbringen. "Dann willkommen, Reisende. Staunend mustert sie Xavian, der mit regungsloser Mine die Kapuze abnimmt und den Umhang abstreift." Kichernd streicht die Bäuerin schüchtern über das Fell seiner gewaltigen Oberarme, dann gibt sie sich einen Ruck und bedeutet ihnen allen sich zu setzen.

Eine Weile plauern sie über unverfängliche Themen, das Wetter, die Ernte, die Länder und Städte der Umgebung. Schließlich legt Faron sein Besteck ab. "Wir sind an mehreren überfallenden Händlern vorbeigekommen" sagt er mit ernster Stimme. "Und ich meine in der Ferne einen ausgebrannten Hof gesehen zu haben." Schlagartig wird es still und die Stimmung wird gedrückt.

Schließlich nickt der Bauer. "Du hast recht, Reisender. Niemand traut sich mehr allein auf die Felder, es sind viele getötet worden, ohne das man die Angreifer gesehen hat. Und in den letzten Wochen sind zahlreiche Höfe überfallen und völlig zerstört worden, die Bewohner getötet." Er schluckt. "Ohne Überlebene. Sie haben sogar die Kinder getötet und das Vieh erschlagen."

Er seufzt. "Manche Familien haben bereits ihre Höfe aufgegeben und flüchten nach Llorkh, aber die Meissten von uns halten aus. Wir haben über die Generationen unsere Höfe aufgebaut und verteidigt." Er schüttelt traurig den Kopf. "Ich habe Sorge um meine Famile, aber in Llorkh hätten wir nichts und wären von der Gnade anderer abhängig."

Verständnisvoll nickt Xavian und will gerade etwas erwiedern, als sie von einem lauten Brechen von Holz und einem Schrei vom Dach unterbrochen werden. Hastig springt er auf, während die Bewohner bleich werden. "Faron, aufs Dach, Taliamee mit mir, bleib aber hinter mir." Im rauslaufen greift er sein Schwert und schüttelt es aus der Scheide, daß der Gurt am Boden liegen bleibt. Hastig läuft Taliamee ihm hinterher, während Faron seinen Bogen greift und zur Treppe stürmt.

Die Gefährten des Lichts - Buch 1 - Abenteuer 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt