Einen Schritt später steht sie auf einer Wiese zwischen Hügeln im Sonnenschein. Aus den Augenwinkeln sieht sie, wie sich das Portal hinter ihr schließt und sie zum ersten Mal allein in der Welt außerhalb ihrer Heimat ist. Aufgeregt blickt sie sich um, doch viel gibt es nicht zu sehen. In alle Richtungen sind nur die Hügel zu sehen. Achselzuckend macht sie sich auf dem Weg zum nächsten Hügel um sich einen Überblick zu verschaffen.
Einige Kilometer entfernt fließt ein Fluss zwischen den Hügeln, eine breite Karavanenstraße an seinem diesseitigen Ufer. Hinter ihr endet das Hügelland an einem großen Wald. Weit zur Rechten ist im Dunst gerade noch eine kleine Stadt zu sehen, die am Flussufer liegt. Sie will sich schon gerade aufmachen in Richtung der Straße, da sieht sie zur Linken ein seltsames graues Gebilde auf einem Hügel. Schulterzuckend wendet sie sich ab um es sich aus der Nähe anzuschauen.
Wenig später steht sie staunend vor einem Baum aus rauchig-grauem Kristall. Gelesen hat sie hiervon, es aber nie selbst gesehen. Hoch reckt sich der vielfach verästelte Kristall in die Luft, in der Tiefe sind dunklere Schlieren zu sehen, die sich unmerklich zu bewegen scheinen. Auf irgendeine Weise ist es schwer den Blick auf eine bestimmte Stelle dieses Gebildes zu richten, als wenn das Auge keinen Halt, keinen Bezug findet. Sie tritt heran und legt vorsichtig die flache Hand auf den Kristall. Er fühlt sich weder warm noch kalt an, er scheint keine Kontur zu haben, keine Unebenheit, absolut glatt. Sie legt den Kopf in den Nacken und folgt mit dem Blick den Verästelungen in den Himmel.
"Dir fliegen noch Fliegen rein, wenn Du weiter so mit offenen Mund da stehst" erklingt mit einem Mal hinter ihr eine dunkle, knurrige Stimme. Überrascht wirbelt sie herum, ihre Hand schießt an den Gürtel, öffnet eine Tasche während die andere bereits die Grundform eines Zaubers einnimmt.
Hinter ihr steht ein Lupin, ein Wolfsmensch, von eindrucksvoller Gestalt. Er ist groß und extrem muskulös, sein Fell ist schwarz/grau, das nur teilweise von robuster Lederkleidung bedeckt wird. Auf dem Rücken trägt er ein gewaltiges Schwert. "Entspanne Dich, Drachenlady" brummt er. In seiner dunklen Stimme liegt stets ein Unterton wie ein Knurren. Taliamee zuckt zusammen. "Wieso Drachenlady?" fragt sie erschrocken. Sollte er sie erkannt haben? Sie hat sich doch verwandelt. Und Rathans Symbol trägt sie unter der Kleidung. Nervös greift sie mit den Fingern die Komponenten für die Feuerkugeln.
Der Lupin zuckt mit den Ohren und peitscht kurz mit seinem buschigen Schwanz während er mit dem Finger auf ihre rechte Hand zeigt. "Oh" gibt sie nur von sich und blickt verlegen auf das Drachenamulett auf ihrem Handrücken. "Ziemlich auffällig, findest Du nicht?" knurrt er. Langsam gewöhnt sie sich an seine Stimme. So knurrig sie klingt, es schwingt eindeutige Belustigung in ihr mit. Sie zwingt sich eine entspannte Haltung einzunehmen und lässt die Arme hängen, achtet darauf, daß er ihre leeren Hände sieht. "Wer bist Du?" fragt sie.
Mit einem erneuten peitschen des Schwanzes gibt er ein Schnauben von sich. "Und ihr behauptet, ich wäre unhöflich. Aber gut. Ich bin Xavi'an-da-Koar. Du kannst mich Xavian nennen." Er legt den Kopf schräg und blickt sie an. Verlegen räuspert sie sich. Er hat recht, sie hätte sich erst vorstellen müssen, bevor sie nach seinem Namen fragt. "Verzeih, Du hast mich überrascht. Ich bin Taliamee. Freut mich Dich kennenzulernen, Xavi'n-dah-Kroah." Sie müht sich die kehligen Laute nachzuahmen, doch es gelingt ihr nicht. Der Lupin zuckt mit den Ohren. "Schon nicht schlecht, aber mache Dir keinen Knoten in deine hübsche kleine Zunge. Bleib bei Xavian, so nennen mich die wenigen Menschen, die nicht schreiend davonlaufen."
Sie nickt, "In Ordnung, Xavian." Sie blickt ihn an, ruft sich kurz in Erinnerung, was sie über dieses Volk gelesen hat. Eines der wenigen, eigentlich das einzige Wildnisvolk, daß eine komplexe Kultur hervorgebracht hat. Sie leben in kleinen Clans, die zu Gemeinschaften zusammengefasst sind. Sie unterhalten ein gutes Verhältnis zu den Elfen und haben sogar Magier hervorgebracht, die eine Säule ihrer Kultur bilden. Den Legenden nach sind sie in einer blutigen Teilung aus den Werwölfen hervorgegangen und seit Ewigkeiten tief verfeindet zu diesen Kreaturen der Finsternis. So bedrohlich sie auch aussehen mögen, gilt dieses Volk doch als friedliebend, gelten als Kinder Mielikkis, der Göttin der Natur, der Tiere der Erde und des Zusammenlebens der Gesellschaft mit der Natur.
Suchend streift ihr Blick über seine Kleidung. "Kein Clanzeichen?" fragt sie verwirrt. Das Clanzeichen ist der ganze Stolz eines Lupin. Es wird doch kein Ausgestoßener sein? Xavian knurrt kurz. "Ausgelöscht." Betreten blickt sie zu Boden. "Verzeih." Sie sieht auf. "Was ist passiert?" Xavian macht eine unwirsche Geste die deutlich macht, daß er über dieses Thema nicht weiter reden will. Taliamee streicht sich mit einer knappen Geste eine Haarsträhne aus dem Gesicht und blickt noch einmal zu dem Kristallbaum hoch. "Erstes Mal gesehen?" fragt er sie, seine Stimme klingt etwas sanfter. Sie nickt. "Ja, er ist wunderschön. Laut den Schriften steht er seit Jahrtausenden hier, möglicherweise ist er so alt wie diese Welt." Der Lupin schnaubt nur. "Klar." Erbost blickt Taliamee ihn an. "Den Legenden nach haben ihn die Götter bei der Erschaffung der Welt hierher gesetzt um die Beständigkeit des Seins zu demonstrieren." Er bleckt kurz seine Zähne. "Legenden. Mit anderen Worten, Du hast keine Ahnung, was das Ding ist." Aufgebracht fährt sie ihn an. "Es gibt viele Schriften über dieses Monument. Kein Erkenntniszauber, egal wie mächtig, zeigt etwas, es ist unmöglich auch nur ein kleines Stück von ihm abzuschlagen, er hält allen Kräften und Energien stand. Selbst mächtige Weissagungen versagen, die Götter wollen keine Auskunft hierüber geben. Was sonst, außer ein Symbol der Götter an die Menschen soll es sein?"
Er blickt sie mit auf die Seite gelegtem Kopf an. "Vielleicht wissen sie es selber nicht?" Talli erstarrt. "Was auf dieser Welt sollte es geben, über dessen Wesen die Götter nichts wissen?" Kopfschüttelnd lässt Xavian das Thema fallen. "Was suchst Du hier eigentlich?" fragt er sie stattdessen in seiner knurrigen Stimme. Taliamee macht eine unbestimmte Geste mit der Hand. "Mein... Meister hat mich hergeschickt, einer Aufgabe nachzugehen." Der Lupin legt den Kopf auf die Seite und zuckt mit einem Ohr. "Aha. Und was ist diese Aufgabe?" Sie zuckt unbehaglich mit den Schultern. "So genau hat er das nicht gesagt." Wieder stößt Xavian dieses belustigte Schnauben aus. "Wenn er sich bei Deiner Ausbildung ähnlich unklar ausdrückt, hat er Dich aber mit einer ziemlich vagen Vorstellung Deines Lebensweges in die Welt geschickt." Sie macht eine unbehagliche Geste. "Er sagte, ich müsste mein Schicksal selber finden." Xavian knurrt kurz. "Der Spruch scheint echt in Mode zu sein." Mit einem Peitschen des Schwanzes, was bei ihm wohl einem Achselzucken entspricht, deutet er in Richtung der kleinen Stadt. "In die Richtung liegt Loudwater. Die Leute sind recht freundlich, ich kaufe da hin und wieder Kram." Ohne weiteres Wort marschiert er los. Unschlüssig blickt sie ihm hinterher, zuckt dann mit den Schultern und eilt ihm nach.
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Die Gefährten des Lichts - Buch 1 - Abenteuer 1
FantasíaDie Finsternis sammelt ihre Kräfte um in einer abgeschiedenen Region der Reiche die Menschen zu vertreiben. Nur eine kleine Gruppe seltsamer Gefährten kann das Unheil noch aufhalten - mit Mut, Magie und Klinge. Doch zu Beginn stehen ihre Geheimnisse...