Am nächsten Morgen brechen sie früh auf und marschieren zügig das letzte Stück nach Llorkh, die ausgebrannten Höfe, die sie in der Ferne abseits der Straße sehen ignorierend.
Am Vormittag erreichen sie die Tore der Stadt. Zahlreiche Wachen stehen auf der Mauer, das Tor ist verschlossen. Beeindruckt mustert Taliamee die dicken, hohen Mauern und die vielen Wehrtürme.
"Wer seid ihr!" ruft eine Wache vom Wehrgang des Torhauses herab. Sie blickt nach oben und schiebt höflich die Kapuze ihres Umhanges in den Nacken, während Xavian nur brummend den Blick gesenkt hält, daß man seine Gestalt unter seinem Kapuzenumhang nicht erkennen kann. "Reisende" ruft sie nach oben. "Wie das? Alle Wege sind Todesfallen" erwiedert die Wache überrascht. Eine andere Wache drängt sich an die Brüstung, die Abzeichen eines Offiziers an der Uniform. "Woher kommt Ihr?" fragt er mit Misstrauen in der Stimme. Faron macht eine beruhigende Geste mit der offenen Hand. "Wir sind über Loudwater gekommen. Einen Angriff haben wir zurückgeschlagen" antwortet er mit gelassener Stimme. Während von der Mauerkrone Wortfetzen aufgeregter Gespräche zu ihnen dringen gibt Xavian ein Schnauben von sich. "Geschickt der Frage ausgewichen." Unmerklich zuckt Faron die Schultern. "Ich habe nicht das Gefühl, daß Ihr seine Frage hättet beantworten wollen."
Kurz darauf hört man schwere Balken der Torverriegelung schaben, dann öffnet sich langsam das Tor ein Stück und gibt den Weg durch das Torhaus frei. Rasch treten die drei Gefährten durch das Tor und durchqueren den kurzen Gang. Misstrausch blickt Faron derweil zu den Öffnungen in der Decke hinauf durch die die Wachen allerlei unerfreuliches auf Angreifer herabgießen können.
Am anderen Ende, an einem kleinen Platz, wo sich der Weg zur Hauptstraße der Stadt verbreitert, wartet der Offizier zusammen mit einigen Wachen auf sie. Stumm bleiben sie vor ihm stehen, höflich verneigt Taliamee sich knapp.
"Willkommen Reisende" müht sich der Offizier mit einer freundlichen Stimme sein Misstrauen zu überspielen. "Ich begrüße Euch in Llorkh. Reisende sind uns stets willkommen." Kurz mustert er sie, dann bleibt sein durchdringender Blick auf Xavian ruhen. Seufzend zieht dieser die Kapuze zurück, woraufhin die Wachen an der Seite des Offiziers aufkeuchen und ihre Speere fester greifen. "Friede Deinem Heim, Krieger" sagt er leise mit seiner knurrigen Stimme. "Solange ich an Deinem Feuer weile, wird mein Schwert die Deinen schützen." Kurz zeigt die Mine des Offiziers Ratlosigkeit, dann blickt er zu Faron. "Mit seltsamen Begleitern zieht Ihr durch die Gegend mein Herr." Kurz wandert sein Blick zu Taliamee, dann wieder zu ihm. "Wer seid Ihr und was meint Ihr damit, Ihr hättet einen Angriff zurückgeschlagen?"
Faron macht eine Handgeste zu seinen Gefährten. "Taliamee, Xavian, ich bin Faron." Der Offizier blickt wieder Xavian an und legt den Kopf auf die Seite. "Der ruhelose Geist." Seine Stimme klingt halb ungläubig, halb fragend. Mit leisem Knurren zieht Xavian eine Lefze hoch und nickt während Faron und Taliamee den Offizier erstaunt anblicken. Der nickt nur und verbeugt sich knapp vor Xavian. "Nun gut," wendet sich der Offizier wieder an Faron. "Der Angriff?" Faron macht eine knappe Geste in die Richtung aus der sie kamen. "Der Hof, auf dem wir übernachtet haben wurde überfallen. Wir haben die Angreifer besiegt und sind direkt hergekommen."
Fest umfasst der Offizier den Griff seines Schwertes. "Wer waren die Angreifer?" Faron zuckt erneut in einer beiläufigen Geste die Achseln. "Geflügelte Echsen. Vermutlich die selben, die die anderen Höfe verwüstet und Karawanen angegriffen haben?" Verbittert schnaubt der Offizier, während die Wachen neben ihm erstaunt aufkeuchen. "Woher sollen wir das wissen. Niemand ist es gelungen einen Angriff zu überleben." Erneut blickt er sie an, noch immer mit etwas Misstrauen im Blick. "Und Euch soll gelungen sein, was den Bessten unserer Wachen und Krieger nicht gelungen sein soll?" Dann schluckt er und blickt zu Xavian. "Wie auch immer," fährt er eilig fort. "Der Statthalter wird Eure Geschichte bestimmt gerne hören. Wenn es Euch recht ist, bringe ich Euch zum Gasthof und arrangiere ein Gespräch mit ihm." Rasch blickt Faron zu seinen Gefährten. Taliamee nickt nur knapp, Xavian zuckt kurz mit einem Ohr. "Natürlich," meint Faron lächelnd zu dem Offizier.
Mit raschen Schritten führt der Offizier die Gefährten durch die Stadt. Große Häuser aus Stein und Fachwerk reihen sich an der Hauptstraße entlang, die schon wenige dutzend Meter vom Tor entfernt mit zahlreichen Menschen bevölkert ist, die ihrem Tagewerk nachgehen. Durch Seitengassen sind die dahinterliegenden Gebäude zu sehen, teils ebenfalls zwei-, drei Stockwerke hoch, teils aber auch Gruppen niedriger Holzhäuser. Wie jede Menschenstadt scheint sich auch diese jenseits der Hauptstraße in ein unübersichtliches Gewirr von verwinkelten Straßen und Gassen zu verwandeln. Kopfschüttelnd konzentriert sich Taliamee wieder auf die Straße und die direkte Umgebung. Menschen sind so konfus, so hektisch, voller wiedersprüchlicher Gedanken und Ziele und so voller unstillbarem Tatendrang. Einerseits liebt sie es dieses Treiben zu beobachten, andererseits sehnt sie sich nach einem stillen, ruhigen Ort. Faron an ihrer Seite wirkt völlig gelassen, bewegt sich mit einer Anmut durch die volle Stadt, als würde er alles überblicken. Xavian hinter ihr hat die Kapuze wieder tief über den Kopf gezogen, sein weiter Umhang verbirgt seine Gestalt. Sie bemerkt nicht, daß beide sie wie selbstverständlich in die Mitte genommen haben, wo sie am geschütztesten ist, Xavian hinter ihr alles überblickt.
Nach einer Weile betreten sie den zentralen Marktplatz. Dutzende Händlerwagen lagern hier um eine Steinpyramide herum die den Marktplatz dominiert, es herrscht dichtes Gedränge.
"Was soll das denn darstellen?" fragt Taliamee den Offizier und deutet auf die Pyramide, die sich völlig schlicht, fünfseitig und bestimmt ebensoviele Meter hoch und breit erhebt, eingefasst in ein rundes Beet, das nun zertrampelt ist von den zahllosen Menschen. Verwirrt folgt der Blick des Offiziers ihrer Geste, benötigt einen Moment um zu realisieren was sie meint. "Keine Ahnung" brummt er nur. "Steht schon ewig hier. Die Stadtgründer werden sich wohl irgendwas dabei gedacht haben, so schlicht und unpassend." Noch kurz blickt Taliamee auf das Monument aus schlichtem Basalt, das so gar nicht in das Stadtbild passt.
Rasch führt der Offizier sie am Rand entlang zu einem Gasthof über dessen Tür ein Schild in Form eines Löwen hängt und winkt sie hinein.
"Setzt Euch" meint er zu ihnen und zeigt auf einen leeren Tisch. "Ich lasse ein Zimmer vorbereiten, damit Ihr Euch frisch machen könnt." Während sie sich setzen und in dem vollen Gastraum umblicken, spricht der Offizier kurz mit dem Wirt und eilt wieder hinaus.
Kurz darauf tritt eine junge Frau mit der hellen Haut und blonden Haaren einer Nordländerin an ihren Tisch und stellt einen Topf mit dampfenden Eintopf und eine Karaffe vor ihnen ab. "Esst, Reisende," sagt sie mit leiser, schüchternder Stimme. "Ihr müsst müde sein. Ich bereite ein Bad für Euch vor." Während Taliamee ihr dankend zunickt und nach der Suppenkelle greift um sich eine Schale zu füllen, lacht Faron fröhlich auf. "Aber meine Dame," antwortet er der jungen Frau überschwenglich. "Wie kann ich müde sein, wenn ich von einer schönen Frau so freundlich empfangen werde?" Er verneigt sich im Sitzen und macht eine schwungvolle Bewegung mit dem Arm. "Ich bin Faron, meine Liebe. Wie heißt Du?" Schüchtern, mit gesenktem Kopf lächelt sie ihn an. "Tia, Herr." Leicht legt er seine Hand auf ihren Arm. "Mein Name ist Faron, Tia. Ich bin kein Herr." Kurz blickt sie auf. "Das ist eine Lüge!" Ihre Stimme ist noch immer leise und schüchtern, doch ein vorwurfsvoller Unterton schwingt darin mit. Überrascht zieht Faron die Hand zurück. "Mein Name ist wirklich Faron" meint er beleidigt. Schwach lächelt Tia. "Stimmt. Das andere aber nicht." Sie deutet auf die Suppe. "Nun esst, dann nehmt ein Bad. Ich werde währenddessen Eure Kleidung ausbürsten." Nachdem sie sich schon zum gehen gewendet hat fügt sie noch hinzu "War schön Euch kennenzulernen, Faron."
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Die Gefährten des Lichts - Buch 1 - Abenteuer 1
FantasyDie Finsternis sammelt ihre Kräfte um in einer abgeschiedenen Region der Reiche die Menschen zu vertreiben. Nur eine kleine Gruppe seltsamer Gefährten kann das Unheil noch aufhalten - mit Mut, Magie und Klinge. Doch zu Beginn stehen ihre Geheimnisse...