Ich habe mir überlegt, alle zehn Kapitel ein kleines ‚Special-Kapitel' einzufügen, welches verschiedene Hintergründe der Charaktere etwas genauer beleuchtet. Die Ereignisse sind für den weiteren Verlauf der Geschichte erst einmal nicht relevant und können auch einfach übersprungen werden, wenn sie zu sehr ablenken. Ansonsten wünsche ich viel Spaß mit dem ersten Special, welches sich mit Elians Vergangenheit beschäftigt und einen leichten Bezug zu Kapitel 7 hat.
Die folgende Schilderung liegt weit zurück in der Vergangenheit. Sie beschreibt, wie Elian seine erste Verwandlung unabhängig vom Vollmond erlebt.
„Und was kommt jetzt?", fragte Elian und sah seinen Begleiter aus großen braunen Augen an.
So erwartungsvoll, so jung, so unwissend...
Sovrano lächelte verschwörerisch. „Jetzt kommt das Beste. Die Verwandlung."
„Was?! Nein!" Erschrocken stolperte Elian zurück. „Du hast gesagt, du machst, dass es aufhört!"
Sovrano schnaubte spöttisch. „Dummer Junge. Es wird niemals aufhören. Daran kannst du nichts ändern, also akzeptiere es lieber bald."
„Aber...wenn ich mich wieder verliere, was ist dann? Was ist, wenn ich nicht mehr zurück kann? Was ist, wenn ich wieder...verletze - oder gar töte?"
„Psst." Verschwörerisch legte Sovrano einen Finger an seine blassen Lippen. „Das soll doch unser Geheimnis bleiben. Und jetzt komm. Hier geht's lang." Mit diesen Worten verschwand er in einem dunklen Eingang, von wo aus eine gemauerte Wendeltreppe immer tiefer nach unten führte. Hastig stolperte Elian hinter dem mageren Jungen her, tiefer und tiefer ging es in düstere Gewölbe . Der Boden war uneben und rutschig, mehr als einmal verlor Elian den Halt, doch Sovrano hielt ihn jedes Mal auf, bevor er stürzte.
„Wohin gehen wir?", fragte er, seine helle Stimme hallte im dunklen Gemäuer wieder.
„Ein alter Weinkeller- so erzählen sie es zumindest. Aber ich war schon einmal hier. Es ist ein Hexenverlies gewesen, viele Menschen mussten hier ihr Leben lassen, die Mauern erzählen ihre Geschichten."
„Was suchst du hier? Wieso führst du mich hierher?" Elians Stimme zitterte, er wusste nicht, ob vor Kälte oder vor Angst.
„Einen alten...Freund besuchen", erklärte Sovrano mit einem merkwürdigen Tonfall in seiner Stimme. Endlich hatten sie das Ende der Wendeltreppe erreicht. Es war stockdüster, das helle Tageslicht, welches über der Erde herrschte, kam nicht gegen die dicken Gesteinsmauern an, nur von der Wendeltreppe kam ein schwacher Lichtschein. Sovrano sah sich suchend um. „Ah, da ist es ja." Er lief vom Fuße der Wendeltreppe einige Schritte in die Finsternis. Elian folgte ihm eilig. Um nichts in der Welt wollte er hier unten alleine sein.
„Was ist da?" Angestrengt riss er die Augen auf. „Ist das ein Loch?"
Sovrano legte ihm die Hand auf die Schulter. „Ganz recht." Er wandte sich Elian zu und dieser hatte selbst in der Finsternis das Gefühl, von dessen pechschwarzen Augen durchbohrt zu werden. „Was jetzt kommt, wird dir nicht gefallen, aber ich möchte, dass du tapfer bist", erklärte er.
Panik stieg in Elian auf, die Luft erschien ihm auf einmal viel zu stickig, er kam sich eingeengt vor. Obwohl er auf einmal gar nicht mehr fror, lief ihm eine Gänsehaut über den Rücken. Alles in ihm schrie danach, zurück nach oben zu laufen.
„Vertraust du mir?", fragte Sovrano. Elian konnte den Tonfall seiner Stimme nicht deuten, war er teilnahmslos...oder doch gespannt? Er antwortete nicht, das Herz schlug ihm bis zum Hals und seine Fingerspitzen kribbelten. Sovrano schien seine Angst zu spüren, denn seine Hand auf Elians Schulter verstärkte ihren Griff, bis er Elian fast schraubstockartig festhielt. „Wenn du überleben willst, musst du dein inneres Monster akzeptieren", erklärte er und stieß Elian in die Grube.
Erschrocken schrie Elian auf, suchte nach Halt, doch seine Finger griffen ins Leere. Er fiel in die schwarze Finsternis, ruderte wild mit den Armen und prallte im nächsten Moment schon hart auf dem Boden der Grube auf. Ein stechender Schmerz schoss in seinen Knöchel und er stieß erneut einen Schrei aus. „Sovrano!" Er reckte seinen Kopf nach oben, suchte die Dunkelheit über ihm nach der schmalen Gestalt ab und bildete sich fast ein, einen schwachen Schemen erkennen zu können. „Sovrano! Hilf mir, hol mich wieder raus!" Panik stieg in ihm auf. Leise wehte Sovranos Stimme zu ihm herab. „Du brauchst meine Hilfe nicht. Befreie dich! Und beeil dich, sonst..."
„Sonst was?" Ein Schluchzen drang aus Elians Kehle.
Schritte ertönten über ihm, Schritte, die sich rasch entfernten. „Ich werde auf dich warten", hörte er die Stimme des Jungen aus der Ferne. „Enttäusche mich nicht."
„Sovrano!"
Keine Antwort.
Elians Herz raste. Er ignorierte den stechenden Schmerz seines Knöchels und sprang hoch, doch der Rand der Grube war unerreichbar für ihn. Blind tastete Elian in der Dunkelheit um sich, bis seine Fingerspitzen die glitschige raue Wand fanden „Lass mich nicht allein! Hilfe!" Seine kindliche hohe Stimme hallte im Gewölbe wider und verklang schließlich ungehört.
Eine Gänsehaut überkam ihn. Er hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Langsam drehte er den Kopf. Dann hörte er es. Ein leises Scharren und Schaben über das raue Gestein, das immer näher kam. „Das sind nur Ratten, Sovrano passt auf mich auf, er wird nicht zulassen, dass mir etwas zustößt", beruhigte er sich selbst.
Oder? Würde er?
Das Geräusch wurde lauter. Nun glaubte Elian, auch Schritte raushören zu können, Schritte, die etwas mit sich schleiften – eine Kette? „Hallo?", fragte er mit dünner Stimme. „Ist da jemand?"
Die Schritte hielten inne. Elians Haut begann, am ganzen Körper zu kribbeln, sein Körper schmerzte und verkrampfte sich, wie in jener schrecklichen Nacht. Nein, das darf nicht passieren! Ich darf mich nicht verlieren, nicht verletzen, töten!
Elian holte tief Luft. Ein Übelkeit erregender Geruch nach Fäulnis und Moder drang ihm in die Nase und ließ ihn würgen. „Ha-hallo?", hauchte er, die Alarmglocken in seinem Kopf ignorierend.
Ein Zischen ertönte, ein Atemzug durch zusammengebissene Zähne. Inzwischen schüttelten Elian die Krämpfe so heftig, dass er nicht mehr gerade stehen konnte. Füße trommelten über den Boden, stießen sich ab und im nächsten Moment wurde Elian von der geballten Wucht eines erwachsenen Körpers getroffen. Er verlor den Halt und stürzte hart auf den Steinboden, während er sich verzweifelt von seinem Angreifer zu befreien versuchte. Seine Hände bekamen Stoff zu fassen, lederartige, sehnige Haut und schließlich Hände, die ihn wie Greifzangen gefangen hielten. Elian schrie und kämpfte, doch der unnachgiebige Griff lockerte sich um keinen Millimeter, während sich lange harte Fingernägel tief in seine Haut bohrten. Das Wesen über ihm stieß einen heiseren, gierigen Schrei aus und im nächsten Moment spürte Elian, wie sich messerscharfe Zähne in seinen Arm bohrten. Er schrie und krümmte sich, seine Haut schien in Flammen zu stehen. Vor seinen Augen tanzten grüne Punkte. Die Kreatur knurrte kehlig und spannte den Kiefer an. Muskeln rissen und Knochen knackten, als sich die langen scharfen Zähne dolchgleich ihren Weg durch sein Fleisch suchten.
Elian schrie, lauter als je zuvor, schrie um sein Leben, doch niemand hörte ihn, niemand würde kommen.
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Im Schatten der Nacht
ParanormalDie sechzehnjährige Lia hat von Werwölfen ungefähr so viel Ahnung wie von Autos. Doch das ändert sich schnell, als sie sich eines Vollmondnachts in eben einen solchen verwandelt. Schon bald wird sie vom nächsten Rudel aufgenommen und taucht in das g...