Versuchungen

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Das Wasser war völlig klar und glitzerte im Sonnenlicht. Kelly beugte sich neugierig über die Wasseroberfläche, um ihr Spiegelbild zu betrachten. Ihr eigenes, bleiches Gesicht starrte ihr entgegen. Es wirkte müde und erschöpft. Unter ihren rosafarbenen Augen hatte sie dunkle Ringe. In diesem Moment wurde Kelly bewusst, welchen Strapazen sie eigentlich ausgesetzt war und dass sie seit geraumer Zeit nicht mehr gegessen hatte. Sie seufzte leise und tauchte ihren Finger in das Wasser. Es fühlte sich angenehm kühl an. Manchmal war ihr Leben wirklich hart... "Es könnte leichter sein." Die Stimme erklang so plötzlich, dass Kelly erschrak. Sie zuckte zusammen und sah sich hektisch um, um die Ursache ausfindig zu machen. Dann entdeckte sie auf der anderen Seite des kleinen Sees, dessen Radius kaum mehr als zwei Meter Betrug, eine Gestalt, die in einen Kapuzenumhang gehüllt war. Sie leuchtete ein wenig und hatte ihre Hände ineinander verschränkt. "Ich kann dir helfen, dein Leben zu ändern," sagte die Gestalt. Ihr Geschlecht war einfach nicht identifizierbar. "Ich weiß, dass du deine DNA verfluchst. Möchtest du sehen, wie dein Leben aussähe, wenn du nicht damit gestraft wärst?" Bevor sie antworten konnte, streckte die Gestalt eine Hand über das Wasser aus. Ein Strudel bildete sich in der Mitte des Sees, fesselte Kellys Blick und zog sie in sich hinein.

Kelly erwachte in einem gemütlichen Bett. Blinzelnd setzte sie sich hin, streckte sich und sah sich um. Sie befand sich in einem schlicht eingerichteten Zimmer. Ihre Decke war grau, das Kissen weich und gemütlich. Selbst trug sie einen weichen, beigen Schlafanzug. Kelly gähnte und stand dann auf. Sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand, aber es gefiel ihr hier. Immerhin war sie nicht mehr so erschöpft. Die Tür ihres Zimmers öffnete sich. Neugierig drehte sie sich um und sah ihren Bruder dort stehen. "Ah, guten Morgen. Bist du auch endlich wach?" Er grinste sie an. "Beeil dich, sonst bekommst du kein Frühstück mehr und vergiss nicht wieder dein Lichtschwert!" Kelly war verwirrt. Seit wann besaß sie ein Lichtschwert? Und warum war er so nett zu ihr? Bevor sie ihn fragen konnte, verließ er wieder das Zimmer. Ihr Blick wanderte durch den Raum und blieb an einem Stapel weicher Jedi-Roben hängen. Auf einer Art kleinem Beistelltisch lag ein ordentlich geflochtener Strang schwarzer Haare. Schwarz, nicht blond. Mit einem Mal begann ihr Herz zu rasen. Kelly rannte in das kleine Bad, das sie eilig erspäht hatte, schaltete das Licht ein und starrte ihr Spiegelbild an. Dort sah sie sich selbst. Irgendwie zumindest. Ihre Haut hatte den leichten Braunton ihrer Spezies. Ihr Haar war auf ihrer linken Seite kurz geschoren und rechts lang. Es hatte eine satte, schwarze Farbe und glänzte im kalten Licht. Ihre Augen blickten ihr verstört und dunkel entgegen. An ihrem Kinn erkannte Kelly drei traditionelle, gelbe Streifen, von denen der mittlere bis über ihre Unterlippe reichte. War das wirklich sie selbst? Irgendwie schon, immerhin spürte sie in ihrem Herzen, dass das wirklich sie war, nur anders. So sah sie also aus, wenn sie keinen Gendefekt hätte. Viel Zeit für Faszination blieb ihr allerdings nicht. Es klopfte an der Türe. Ihr Bruder mahnte sie zur Eile. Geschwind warf Kelly sich ihre Jedi-Roben über und hängte das Lichtschwert, das sie tatsächlich unter ihrem Kopfkissen gefunden hatte, an ihren Gürtel. Dann verließ sie ihr Zimmer. "Na endlich, ich verhungere noch!", beschwerte sich Quinlan Vos und stieß ihr spielerisch in ihre Rippen. Sie musste lachen. "Dir würde etwas weniger Speck bestimmt nicht schaden..." Die beiden alberten während des gesamten Frühstücks herum. Kelly fühlte sich glücklich und zufrieden. Das Essen schmeckte wunderbar und füllte ihren Bauch. Während sie da saßen, beobachtete sie das Geschehen um sich herum. Es herrschte bereits jetzt reges Treiben im Tempel. Padawane unterhielten sich angeregt untereinander. Eine Gruppe Jünglinge spielte mit dem Essen, bewarf sich mithilfe der Macht und kicherte lautstark, was manche der älteren Meister dazu veranlasste, ihnen den ein oder anderen bösen Blick zuzuwerfen. "Kelly?" Sie schreckte hoch. Tatsächlich war sie derart in Gedanken versunken gewesen, dass sie ihren Bruder überhört hatte. "Was?" "Meine Güte, bist du heute abgelenkt... ich sagte, wir haben für heute eine Mission bekommen!" Vos schüttelte den Kopf. "Hoffentlich bist du später voll dabei. Das wird gefährlich!" "Oh, ja, natürlich. Wohin geht es?", fragte sie noch etwas verwirrt. "Nach Ryloth. Ein paar der Togruta stecken in Schwierigkeiten und der Rat dachte sich, es sei das Klügste, die Besten zu schicken," klärte er sie auf und lachte dann. "Na gut, zweitbeste, wenn man Kenobi und Skywalker dazu zählt." Kenobi. "Oh ja, okay, gut." Verwundert sah ihr Bruder sie an und runzelte besorgt seine Stirn. "Ist wirklich alles in Ordnung mit dir? Du benimmst dich heute so komisch." "Äh, ich denke schon. Vielleicht sollte ich mich vor der Mission noch einmal durchchecken lassen, nicht dass ich krank werde." Er nickte. Sein Blick verriet ihr, dass er noch immer misstrauisch war, doch er gab sich immerhin mit dieser Antwort zufrieden und beendete sein Frühstück. "Ich gehe jetzt schon einmal zu Meister Windu und hole unsere Instruktionen. Suche du derweil den Medi-Droiden auf." Mit diesen Worten verschwand er. Kelly atmete auf. Diese Situation fühlte sich unbekannt und zu gleich seltsam vertraut an. Noch immer etwas verwirrt verließ sie schließlich den Saal. Ihr Ziel war jedoch nicht der Droide. Da sie sich inzwischen hier auskannte, machte sie sich auf die Suche nach Obi-Wan. Ihr Herz schlug ihr vor Aufregung bis zum Halse. Je länger sie durch die hohen Gänge wanderte, desto mehr gewöhnte sie sich an die Situation. Selbst fühlte sie sich nicht anders, obwohl das hier ein normaler Körper war, frei von jeglichen genetischen Defekten. Schließlich traf sie auf Obi-Wan. Er stand neben Skywalker und führte eine ernste Konversation mit ihm. Kelly blieb mit einigem Abstand stehen. Sie wollte nicht das Risiko eingehen, dass der dunkelhaarige Jedi wieder einmal auf sie losging. Also wartete sie. Als er dann endlich ging, beeilte sie sich zu Obi-Wan zu kommen. "Hi," grüßte sie ihn fröhlich. Ihre Augen strahlten. In jeder anderen Situation wären sie leuchtend pink vor Aufregung gewesen. "Ah, Vos. Kann ich Euch helfen?" Er lächelte sie an, auch wenn seine Stimme nicht gerade von Wiedersehensfreude zeugte. Kellys Grinsen fror ihr fast von ihren Lippen. "Nein, ich dachte nur, ich sage mal hallo." "Ich fürchte, dafür habe ich gerade keine Zeit. Seid froh, dass Anakin schon weg ist. Er nimmt Euch und Eurem Bruder diesen kindischen Streich von letzter Woche noch übel," bemerkte er kühl. "Sonst noch etwas? Ich muss los." Kelly fühlte sich, als hätte er ihr mit der Faust ins Gesicht geschlagen, während ihr Herz in tausend Stücke zersprang. Der Schmerz wäre wahrscheinlich genau der Gleiche gewesen. So schüttelte sie nur stumm den Kopf und beobachtete, wie er den Kopf neigte und sie dann einfach dort stehen ließ. Heiße, ungewollte Tränen schossen ihr in die Augen. Gerade so zwang sie sich zur Vernunft und verbannte ihre verletzten Gefühle in die hinterste Ecke ihres Gehirns. Er hatte sie nur abgewiesen. Ist doch nicht so schlimm, oder? 

Unschlüssig blieb sie im Flur stehen. Um sie herum gingen andere Jedi ihrer Arbeit nach. Keiner hob auch nur den Blick oder schien sich für sie zu interessieren. Kelly aber fühlte unterdrückte Sorge, die nicht zu ihr gehörte. Sie verstand nicht, woher sie kam und konnte dahingehend auch nicht nachvollziehen, was jeder ausgebildete Jedi-Meister sofort erkannt hätte. Eine plötzliche Hand auf ihrer Schulter ließ sie zusammenschrecken. "Schwester?" Quinlan Vos war hinter ihr aufgetaucht. Sie hatte ihn nicht kommen hören. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie doch geweint hatte. Die Tränen hatten ihre Spuren auf ihren Wangen und ihrer Robe hinterlassen und verrieten jetzt allen, was in ihr vorging. Sorge schimmerte durch die sonst so überhebliche Fassade ihres Bruders, als er mit einer Hand ihre Schulter drückte. "Komm, erzähl mir im Schiff, was los ist." Sie nickte nur und ließ sich von ihm nach draußen begleiten. Während sie an Skywalker und seinen Klonsoldaten vorbeiliefen, fiel ihr doch noch etwas ein. Sie riss sich aus dem festen Griff los und lief zu Rex. An ihn erinnerte sie sich, ihn konnte sie von den Anderen unterscheiden. Skywalker war nicht sonderlich begeistert, aber sie ignorierte ihn gekonnt. "Rex," stieß sie atemlos hervor. "Wo ist Celsa?" Da er seinen Helm trug, war sie nicht in der Lage, zu erkennen, ob er überhaupt wusste, wovon sie sprach. "Verzeihung?" "Celsa, blauer Narglatch. Haben Sie sie gesehen?" Einen Moment bebte sie vor Hoffnung, bevor er langsam und inzwischen spürbar verwirrt den Kopf schüttelte. "Verzeihung, General, aber ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht." Bis jetzt hatte Kelly nicht gewusst, dass ihr Herz mehrmals brechen konnte. Das hier konnte nicht echt sein. Das durfte nicht echt sein. Dass Obi-Wan sie abwies, okay. Das hatte er am Anfang schon getan. Aber dass ihr kleiner Narglatch nicht hier war? Nur langsam begann ihr Hirn zu arbeiten. Sie erinnerte sich an den See und mit einem Mal wurde ihr bewusst, was hier eigentlich los war. Das hier war eine alternative Realität, in der ihre DNA normal war und sich gefestigt hatte. Das bedeutete einerseits, dass sie anscheinend, genau wie ihr Bruder, machtsensitiv war und von den Jedi geholt worden war, andererseits aber auch, dass sie niemals Celsa vor den Schmugglern gerettet und Skywalker an der Malevolence entführt hatte. Kelly wurde eiskalt. Vor all den Jahren, als sie ihr kleines Mädchen befreit hatte, war Celsa nicht alleine gewesen. Sie hatte einen Bruder gehabt. Doch als sie den viel zu kleinen Käfig gefunden hatte, war er schon tot gewesen. Die Pelzschmuggler schien das nicht gestört zu haben. Und wenn sie also nicht gerettet worden war... Ihr drehte sich der Magen herum. Celsa war hier sehr wahrscheinlich tot. Als Quinlan sie von den Soldaten wegzerrte, taumelte sie. Das hier war falsch, so unglaublich falsch. "Was ist denn heute los mit dir?", knurrte er sie an, während er sie in ein Shuttle schleifte. 'Nicht die Thunder...' Der Gedanke blieb ebenfalls in ihrem Kopf hängen. 'Celsa ist tot, das hier ist nicht die Thunder und Obi-Wan hasst mich...' "HEY, ich rede mit dir!" Kelly fuhr zusammen. Sie war es nicht gewohnt, so angeschrien zu werden. Das hier war falsch. "NEIN!", brüllte sie, als sie stürzte und zu Boden fiel. Rückwärts krabbelte sie von ihm weg. "Das ist nicht real, nichts hiervon! Das ist dieser See, dieser scheiß See! Ich will das NICHT!" Irgendwo in ihrem Ohr hörte sie eine leise Stimme. Sie kam ihr bekannt vor... War das nicht..? Ja, das war die blonde Frau aus der Höhle. "Richtig... komm zurück..." Zurück... Das wollte sie, zurück. "Kelly, so sollte es doch sein, oder nicht?" Das war nicht mehr ihr Bruder. Vor ihr stand jetzt ein Mann mit einem fahlen Gesicht und rot glühenden Augen. "Du hast dir doch gewünscht, normal zu sein." "NEIN, nicht so! Das ist falsch!", spie sie ihm die Worte wie Gift entgegen. "Das ist nicht mein Leben!" Er neigte den Kopf. "Ts, ts, ts... So ungezogen. Möchtest du wirklich zurück? Dein Leben hier ist doch wunderbar. Du hast regelmäßige Mahlzeiten und ein Dach über dem Kopf... Möchtest du lieber wieder so dreckig sein?" Er hob die Hand und mit einem Mal fühlte Kelly sich wieder elend. Sie zitterte, ihr Magen begann wieder zu knurren. "Das ist mir egal. Ich will zurück!" "Richtig so, bitte... Tu es für uns!" Der Mann schien die Stimme auch zu hören. Er knurrt wütend, bevor er die Hände hob und einmal klatschte. Um sie herum begann sich alles in schwarzen und roten Rauch aufzulösen. Er fuhr um sie herum, durch sie hindurch und jagte ihr dabei schmerzhafte Stöße durch ihren Körper.

Und plötzlich war alles vorbei.

Keuchend riss Kelly ihre Augen auf. Sie lag jetzt wieder an diesem See, nur war sie jetzt völlig durchnässt. Ihr Zeitgefühl war nicht mehr das Gleiche. Tatsächlich hatte sie keine Ahnung, wie lange sie fort gewesen war. Erschöpft rollte sie sich auf ihren Rücken. Sie musste dringend herausfinden, wer diese Frau war und was sie von ihr wollte. Und auch der Mann warf in ihr so einige Fragen auf... Aber  diese wollte und konnte sie wahrlich nicht jetzt beantworten. Ihre Sicht verschwamm. Wo wohl die Anderen inzwischen waren... Ihr letzter Gedanke galt Obi-Wan, bevor sie in die sanfte Schwärze des Schlafs sank.


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