Snape lassen wir hinter uns, aber Midnight ist nicht besser...

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Hatte ich nicht vorgestern noch gesagt, der Tag wäre ereignisreich gewesen?
Das war nichts im Vergleich zu heute.
Nein, Loki hatte mich nicht noch einmal geküsst, und auch sonst hatte niemand einen emotionalen Ausbruch gehabt.

Es war Oscar, der das Drama ankündigte: „Ein übermenschliches Objekt hat sich auf 0,7 Meilen in südwestlicher Richtung genähert."
Ich tauschte einen beunruhigten Blick mit Loki, der seinen Dolch aus der Halterung am Rucksack fischte.

„Was kannst du mir noch sagen, Oscar?"
„Er nähert sich mit übermenschlicher Geschwindigkeit. Er ist schwerer und größer als der durchschnittliche Mensch."
Meine Nerven flatterten, ich griff nervös nach meinem Starkphone. Aber hier gab es keine Kameras oder technische Geräte, auf die ich zugreifen könnte...
Oscar wusste das nur zu gut: „Die nächste größere Stadt ist Woodstock in einer Entfernung von 1,5 Meilen."

Tief durchatmend sah ich zu Loki: „Wir können es nicht riskieren, das Wesen auf Unschuldige loszulassen."
„Nein", gab Loki bestimmt zu.
„Dann oldschool."

Ich ließ meine Gedanken los, suchte in meinem Gedächtnis nach bekannten Aliens – und wurde prompt fündig. Leider.
„Corvus Glaive. Kraft, Geschwindigkeit, Schwert – durchdringt sogar Vibranium", erklärte ich nüchtern. „Ehemann von Proxima Midnight, empfand wahre Liebe ihr gegenüber. Nicht gut auf mich zu sprechen, ich habe ihm in Wakanda empfohlen, mich leben zu lassen, um mit Midnight zu verschwinden. Okoye, Wanda und Nat haben sie umgebracht."

Lokis Augen begannen gefährlich zu funkeln. „Das passt mir ganz gut", erklärte er in einer ungewohnt boshaften Stimme, „Ich habe Corvus Glaive einst Rache geschworen, und ich habe es nicht vergessen."

Ich zog besorgt meine Augenbrauen hoch, aber er winkte nur ab.
„Du nimmst besser den hier." Der Gott drückte mir seinen Dolch in die Hand und nahm selbst das Ebenbild Midnights an. „Er wird es nicht über sich bringen, sie zu töten, selbst wenn er weiß, dass es nicht wirklich sie ist."

Ich nickte ihm zu und verschwand in den Schatten zwischen den Bäumen, vorsichtig aus Glaives Weg tretend.
Meine Gedanken standen keine Sekunde lang still, ich blieb im Analyse-Modus und knüpfte alle Synapsen an. Glaive musste durch die Zeitung von uns erfahren haben... Aber dann fiel mir etwas auf. Glaive war ziemlich sicher hinter mir her, aber theoretisch konnte er nichts von Loki wissen.
Zwar war er dabei gewesen, als Heimdall den Bifröst gerufen hatte, aber er ging höchstwahrscheinlich davon aus, dass die Avengers den Gott verstoßen hatten...

In meinem Kopf formte sich ein Plan – ich würde nicht aus dem Hinterhalt auf Glaive losgehen, das war vermutlich lebensmüde. Meine Idee war riskant und würde uns das Überraschungsmoment nehmen, aber eine Wahl hatten wir nicht wirklich.

Wir konnten Glaive jetzt auch ohne Oscar hören, der war nun wirklich kein Meister im Schleichen.
Mein Hirn lief auf Hochtouren, ich brauchte noch eine Notlösung... Verdammt, wir hatten zu wenig Möglichkeiten.

Als Glaives Schritte näherkamen bereitete ich in wütender Resignation ein SOS-Signal zur Avengers-Basis vor. Es gefiel mir nicht, die anderen zu behelligen, die selbst noch erhebliche Probleme mit der Verarbeitung der Ereignisse hatten. Nur, wenn wir wirklich versagten, würde ich den Ruf losschicken.

Und dann erschien Glaive zwischen den Bäumen, mit erhobenem Schwert und garantiert ohne Angriffsplan – er war sich seiner Sache sehr sicher.
Tja, dann erblickte er Proxima Midnight, die sich hochdramatisch zu ihm umdrehte.
„Corvus", sagte Loki mit ihrer Stimme, „Du bist gekommen."

Der Ziehsohn Thanos' erstarrte.
Sein Schwert sank, die Angriffshaltung verschwand.
Noch bevor es in seinem Kopf ‚klick' machte, trat ich auf die Lichtung: „Du hast ehrlich erwartet, ich würde meinen Teil des Versprechens nicht einhalten, kann das sein?"

Glaive fuhr zu mir herum, die rechte Hand jetzt fester am Schwertknauf. „Um ehrlich zu sein, habe ich auch nicht erwartet, dass du deinen Teil einhältst", fuhr ich fort, „Deshalb sind wir geflohen. Und dabei habe ich Proxima getroffen."
„Ich hielt ihre Leiche in meinen Händen", knurrte der Black Order, „Ihre Leiche, die auf Kosten deiner Mitstreiterinnen geht."
„Du kennst mich nicht", jetzt erschien ein leichtes Lächeln auf den Lippen, „Sonst wüsstest du, dass ich immer einen Plan B habe." Ich stockte kurz, ich hatte hier eine wertvolle Information weitergegeben – aber Glaive mussten wir so oder so umbringen. „Proximas toter Körper war eine Täuschung."

Loki hatte den neuen Plan nun verstanden und spielte mit: „Ich vertraue ihr nicht, aber sie spricht wahre Worte."
Schwer atmend sah Glaive zu dem verwandelten Gott, trat einen Schritt auf ihn zu – dann wandte er sich wieder zu mir.
„Warum solltest du deine Leute betrügen? Warum solltest du eine deiner mächtigsten Feindinnen retten?"
„Um genau das zu vermeiden – dass ihr mächtige Feinde seid", erklärte ich ruhig, „Ihr werdet niemals unsere Verbündeten sein, aber wenn es möglich ist, dass ihr und wir in Frieden leben, dann würde ich alles dafür tun. Geht und lebt euer Leben... sodass wir auch unseres leben können."

Ich hatte mich langsam an Lokis Seite geschlichen, jetzt völlig von dem Plan abweichend, Glaive in die Zange zu nehmen.
Ich legte ‚ihr' eine Hand auf die Schulter und nickte knapp.
Loki trat jetzt zu Glaive, und dessen Hand verließ jetzt den Schwertknauf. „Dann gehen wir jetzt", der Sohn Thanos' ließ mich nicht aus den Augen und nahm Lokis Arm, vorsichtig Abstand zu mir herstellend.

Ich blieb ruhig stehend, bis sie außer Sichtweite waren, und ließ Oscar sicherheitshalber die Positionen verfolgen.
Als ich Gewissheit hatte, dass Glaive mich nicht mehr hören konnte, legte ich los.

„Oscar, lass vom Tracker an Lokis Schulter einen Scan laufen, gib mir ein Kamerabild aus der Wanze."
Sofort tauchte ein Hologramm vor mir auf, Lokis direkte Umgebung zeigend. Glaive war in den Norden unterwegs, und ich schnappte mir die Rucksäcke und eilte ihm hinterher.

Vielleicht war ich nicht die schnellste mit doppeltem Gepäck – zuzüglich zu Glaives unmenschlicher Geschwindigkeit –, aber in konstantem Trott kam ich gut vorwärts.

Bis zum Abend legte ich zwanzig Meilen zurück, während Glaive in Albany haltgemacht hatte, weitere dreißig Meilen nördlich von hier. Morgen würde ich ihn einholen, hoffentlich mit einem guten Plan auf Lager...

***

Corvus Glaive also.
Das war doch eigentlich vorhersehbar, oder? 😉

Iron Kid ~ Grüne AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt