Ich genieße mein friedliches Leben... oder so ähnlich

1K 78 46
                                    

Manchmal war das Leben auch einfach schön.
Ich saß auf einer Parkbank, die Füße weit von mir gestreckt – so weit, wie es mit 1,55 Metern Körperhöhe eben geht – und ließ mir die Sonne auf mein Gesicht scheinen.

Es war wunderbar friedlich gerade, und wenn es irgendwelche Unruhen gab, dann gingen die mich jetzt einfach nichts an.
Nein, ich hatte immer noch keine Superkräfte.
Nun, ich konnte angeblich auf magische Weise die Haarfarbe meines Dads verändern – ich wusste nicht, wie oft ich den Ausruf „Ich bekomme noch graue Haare von dir, Kid!" schon gehört hatte –, aber seien wir doch mal ganz ehrlich: Auch Tony Stark wurde nicht jünger.

Nun, dann hatte ich noch einen außerordentlich guten Geruchssinn, was allerdings nur ein Ausgleich für meine furchtbare Sehleistung war.
Was, dachtet ihr, ich trage meine Brille, weil eine hochintelligente KI dort eingepflanzt war?
Naja, zumindest nicht nur.

Gerade war ich ein ganz normaler Teenager in einem ganz normalen Park in einem ganz normalen Land bei einem ganz normalen- ist ja gut, ich hör ja schon auf.
Glaubt bloß nicht, ich hätte Amerika jemals als ‚normal' bezeichnet.
Nein, ich war mittlerweile in Deutschland – meinen Abschluss am MIT feierte ich mit Ferien abseits vom Avengers-Trubel.
Ich war in meine Heimat zurückgekehrt, besuchte das Grab meiner besten Freundin und meiner Mom... was man halt so machte, wenn man mit sechzehn das College beendet hatte.
Okay, tut mir leid, das war weder witzig, noch sollten über dieses Thema Witze gemacht werden.

Ich hatte es auch in Leipzig nicht lange ausgehalten und war weiter nach Stuttgart gefahren – keine Ahnung, warum es mich gerade hierher verschlagen hatte.
Einen Autoführerschein hatte ich nur in den Staaten, aber mein Motorrad war sowieso praktischer, das passte so schön in den Quinjet.
Dieser wartete auch ganz brav im Stand-by-Modus über mir, zusammen mit Rhodey, der irgendwelche Testflüge per Videobotschaft überwachte.
Nein, mein Dad war auch in zwei ruhigen Jahren nicht entspannter geworden und hatte mir einen Babysitter mitgeschickt.
Überraschte das irgendwen?

***

„Gracie, ich empfange abnormale Energiewallungen aus Richtung Planetarium", störte Oscar die Ruhe.
„Die werden irgendwelche Sonden hochgeschickt haben", winkte ich nur entspannt ab.
„Drücke ich mich so unklar aus? Abnormal, Gracie", wiederholte meine KI ein wenig genervt. Oscar war nicht sonderlich begeistert über meine Untätigkeit der letzten Zeit, und auch ich musste zugeben: Unter Stress lief ich in Höchstform.
Was aber sicher nicht hieß, dass er mir willkommen war.
„In circa vier Minuten erhält Colonel Rhodes die Nachricht und zieht dich ein", setzte Oscar noch einen drauf.

Ich seufzte. „Du weißt doch, ich schaue sowieso nach."
Ich verließ meinen gemütlichen Platz im Rosensteinpark und schwang mich auf mein Motorrad, das ich an der Seite geparkt hatte.
Die wenigen Straßen bis zum Planetarium hatte ich rasch hinter mir und ich schloss meine Yamaha wieder ab, die Umgebung sofort abscannend.
Okay, unnötig.

Der eigentlich immer gut besuchte Vorplatz des Planetariums war leer, nur an dessen Rand drängten sich noch die Menschen – Gaffer, die den Anblick des Mannes in der Mitte des Platzes suchten.
Und ihn gleichzeitig fürchteten: Loki war in Stuttgart bekannt wie ein bunter Hund, nachdem er die Stadt 2012 angegriffen hatte. Mindestens so bekannt wie Iron Man, allerdings wesentlich unbeliebter.

Der Gott vor mir wirkte allerdings nicht sonderlich gefährlich, wie er mit verzweifeltem Blick die Menge absuchte und zum selben Schluss kam wie ich: Hier war niemand, der ihm helfen könnte.
Bei was auch immer.
Na, ich konnte mir ja wenigstens anhören, was er zu sagen hatte.

Ich schob mich durch die Touristen und trat auf den gepflasterten Platz, sofort alle Blicke auf mich ziehend – einschließlich den Lokis.
Und ich begegnete zum ersten Mal dessen hellgrünen Augen, die mir sogleich eine unglaubliche... Tiefe offenbarten. Trotz, Unsicherheit, Stolz – der Mann vor mir kämpfte mit sich selbst.
Halt, er war kein Mann – ein Gott, warnte ich mich zur Vorsicht.

„Loki", stellte ich das Offensichtliche fest.
Der Gott sah mich weiterhin an, ohne zu blinzeln, und legte seinen Kopf schief. „Du kennst meinen Namen, aber der deine ist mir unbekannt, Menschenmädchen."
„Oh, ich bin mir sicher, er ist dir nur allzu bekannt", schmunzelte ich, „Er lautet Stark. Gracie Stark."

Die Menschenmenge um mich herum schnappte kollektiv nach Luft, und ich konnte die Lichter von Videoaufnahmen bis hierher sehen.
Loki reagierte zur Freude der Sensationssüchtigen auch recht dramatisch. Er eilte auf mich zu, schien mich an den Schultern packen zu wollen, doch ich trat mit erhobenen Händen einen Schritt zurück. „Nicht so hastig, Frostriese. Was willst du hier?"

Loki sah mich noch einen Moment an, dann zeigte auch er mir seine leeren Handflächen. „Ich komme in Frieden. Ich brauche Hilfe, und ihr braucht sie ebenso dringend. Thanos, der Titan, hat mein Volk angegriffen und ist nun auf dem Weg hierher. Er sucht nach den Infinity-Steinen, und zweier hat er sich bereits bemächtigt. Dieselbe Anzahl hofft er, hier zu finden."
Okay, was?! 
Ich holte scharf Luft. Die mächtigsten Energiequellen des Universums, im Besitz des Bösen?
Ich wusste nicht viel über sie, zu wenig, um genau zu sein... Aber eines war mir klar: Das war überhaupt nicht gut.
Projekt Infinity ging wohl in die zweite Runde...

„Colonel Rhodes hat den Jet verlassen und ist auf dem Weg hierher", meldete Oscar sich plötzlich leise zu Wort.
Ich fluchte ungehalten und fischte mein Starkphone aus der Hintertasche, mit flinken Fingern die holographische Tastatur bearbeitend.

Mein Dad hatte den Makel in War Machines Anzug nie behoben, die Lücke in seiner Firewall, die für mich offenblieb.
Tony Stark war, ob man es glauben wollte oder nicht, ein wenig nostalgisch und hatte nie gänzlich überwunden, wie knapp Rhodey damals überlebt hatte.
Ein Glück für mich, oder besser: Für Loki.
Ich übernahm die Kontrolle über den Anzug und schickte ihn auf direktem Weg nach Amerika, die empörten „Was soll das, Kid?"-Rufe ignorierend.

***

Hier hätten wir also das erste Zusammentreffen von Gracie und Loki. Noch ist ja nichts passiert, aber der Infinity War hat begonnen...

Allerdings muss ich mich bei euch bedanken: Das war ja eine echte Flut an Kommentaren gestern! Da könnte man sich ja fast dran gewöhnen...😉

Iron Kid ~ Grüne AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt