Kapitel 17

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Mäat entfuhr ein heißerer Schrei, als Picea an den Bergklippen entlang zischte. Es war nur ein baumstammbreit Abstand zwischen dem Asgasskörper und den hohen Steinwänden. Nun verstand Mäat, warum Oruk den unterirdischen Weg gewählt hatte, denn das Melmur hätte für die Strecke, die er auf Piceas Rücken abflog, wohl mehrere Sonnenläufe gebraucht.

Sie hatten die Nordklippen überquert und Mäat spürte, wie der Körper unter ihm von den Luftverwirbelungen angeschoben wurde, sodass sie fast senkrecht an der letzten, hohen Klippenwand hinaufschossen. Der Wind zog kräftig an Piceas Schwingen. Die Umgebung wirkte, als wäre ein Teil des Lochberges vor unzähligen Mondrunden abgesackt und hatte dadurch eine grobe Kante hinterlassen und plötzlich war alles vor ihnen weiß. Als wären tausende Samen der Pusteblume auf die Erde niedergefallen.

Picea schoss über die Klippe hinaus. Sie schlug nicht mit den Flügeln, sodass ihr Körper plötzlich in Stillstand geriet, dann drehte sie sich so in der Luft, dass sie den schuppenbedeckten Kopf in Richtung Berg streckte und nahm wieder rasant Fahrt auf. Mäats Magen hüpfte und er krallte sich so gut es ging in das graue Fell. Dann zischten sie über die steinige Oberfläche weiter und die wenigen Kieferbäume unter ihnen verwandelten sich im Schnee in blaugrüne Striche.

***

„Haben wir alles, was wir brauchen?", fragte Mäat.

Okuk bedachte Elai mit einem nachdenklichen Blick und nickte dann. Entschlossen zog er sich auf ihren Rücken und das Melmurweibchen setzte sich in Bewegung. „Jetzt erzähl endlich. Was habt ihr die letzten beiden Sonnenläufe getan?"

Mäat gab Picea ein Zeichen und sie gingen neben dem Lochbergadeen her. So würden sie zwar wesentlich langsamer vorankommen, doch Oruk beharrte darauf mitzukommen. Und da Mäat nicht unbedingt in Eile war und sie unter Piceas Aufsicht doch recht sicher waren, hatte er zugestimmt. „Also. Wir sind vom Isu losgeflogen und am Spättag haben wir die Nordklippen erreicht. Echt irre, diese Steinfelsen. Dann haben wir den Lochberg weiter umrundet. Ich hätte den Unob, also den Höhleneingang, niemals gesehen. Aber Picea hat sofort darauf zugesteuert. Mir war dann schon klar, dass ihr länger brauchen werdet und wir haben uns auf die Suche nach dem Flussbett gemacht. Und wie du siehst, haben wir es nicht weit vom Unob entfernt gefunden. Ich war schon kurz davor, mit Picea weiterzufliegen. Doch wenn der Grund für das Austrockenen des Flusses weiter entfernt gelegen hätte, wäre ich nicht da gewesen, wenn du hier ankommst. Deshalb hat Picea gestern noch Fimasus gejagt und ich einige Schneeballbeeren gesammelt."

„Echt? Ich vermisse meine Vorräte in unserer Höhle." Oruk rieb sich gedankenverloren den Bauch. Mäat grinste, nestelte an einem kleinen Beutel rum, denn er sich um die Hüften gebunden hatte und warf ihn dann Oruk zu.

Überrascht fing er ihn auf und öffnete ihn. „Für mich?" Er strahlte Mäat an. Dann schob er sich stöhnend eine der roten Beeren in den Mund.

„Lass der armen Elai auch noch was übrig", sagte Mäat schmunzelnd.

„Natürlich! Was denkst du von mir?", schmatzte er. „Und wie weit seid ihr geflogen?"

Mäat deutete nach vorne. „Dort ist eine Gabelung. Der Felsbrocken, der die Sicht verdeckt, ist der Grund dafür. Der Fluss war früher an seinen beiden Seiten vorbeigeflossen. Dort sind wir gelandet und dann wieder umgekehrt."

Picea krächzte und Mäat sah zu ihr auf. Sie hatte die Augen zu Schlitzen verzogen und ihr graues Fell flatterte im Wind. Kleine Schneekristalle wirbelten um sie herum. Er hingegen spürte ihn kaum, denn sie schritten im ausgetrockneten Flussbett entlang und waren somit niedriger und geschützter unterwegs. Trotzdem schlang Mäat die Arme um die Brust. „Ich bin wirklich froh um das Fell, dass mir Ursu gegeben hat. Mich hätte es sonst wohl von Piceas Rücken gefroren."

Waldwesen - KiefernfrostWo Geschichten leben. Entdecke jetzt