Eine Heckenrose bohrte ihre Dornen in den nackten Oberschenkel und hinterließ weiße, schmerzende Spuren. Genervt stöhnte Valer auf und rieb mit den Fingern über die Streifen. Der Eichenwald war schön, keine Frage. Aber hauptsächlich von den Stegen Tamieheids aus gesehen. Der Waldboden jedoch, war stellenweise so dicht von Dornenbüschen überwuchert, dass es für sie kein Durchkommen gab.
Die Adee streckte sich und sah ein Feld aus grünen Blättern und spitzen Dolchen vor sich.
„Dann eben nicht", murmelte sie in sich hinein und drehte ab, um die längere Route zurück zum Moorplatz zu nehmen. Als die ersten Sonnenstrahlen durchs Blätterdach gefallen waren, war sie bereits aufgestanden und hatte den Frühtag dafür genutzt, zum Rasi zu wandern. Morr hatte ihr zwar angeboten, sie auf Sooms Rücken überall hinzubringen, wo sie wollte, doch sie hatte abgelehnt. Zum einen hatten die letzten beiden Sonnenläufe nicht dazu beigetragen, dass sie mit Mäats Mutter zusammengewachsen wäre, denn ihrer beider Verlust hatte sie schweigen lassen. Zum anderen konnte sie diese ständige Abhängigkeit nicht einen Moment mehr aushalten. Mit ihrem Bruder zu reiten war schon nicht einfach für sie gewesen, weil sie immer wusste, dass sie für ihn Ballast war. Ein Störfaktor zu seinem Erfolg als Hüter. Bei Mäat hatte sie dieses Gefühl nicht. Picea konnte sie beide locker tragen und er schien froh zu sein, dass sie bei ihm war. Aber er hatte sie wohl nicht gern genug bei sich, um sie mitzunehmen, als er von Tamieheid wegging.
Ein Ziehen breitete sich erneut in ihrem Magen aus, das sie seit dem Frühtag versucht hatte zu verdrängen. Sie verstand warum Mäat weggegangen war, doch warum hatte er sie nicht mitgenommen?
„Ganz schön böses Gesicht, dass du hier ziehst!"
Valer hüpfte beinahe in die Höhe, so sehr erschrak sie. Sie war so tief in Gedanken, dass sie nicht gehört hatte, wie das Hörnchen vor sie getreten war. Die Adee mit der roten Haarpracht saß darauf und Valer hatte keine Ahnung wo sie hergekommen waren.
Doch sie fing sich schnell wieder und setzte eine unerschütterliche Miene auf. „Tja, das ist nun mal mein Gesicht, so sehe ich halt aus." Sie kannte die Rothaarige nur zu gut, denn sie hatte sich nach Valers Geschmack viel zu sehr über Mäats Rückkehr gefreut.
Rhes lehnte sich nach vorne und zog die Mundwinkel leicht nach oben. „Es steht dir aber nicht sonderlich gut!" Dann schob sie ihre roten Locken geschickt über die Schultern, sodass ihre feinen Gesichtszüge zu sehen waren.
Valer straffte die Schultern. Sie wollte erst gar nicht auf die stichelnde Bemerkung eingehen. „Was willst du von mir?"
Rhes gab ihrem Hörnchen, dessen Namen Valer nicht kannte, ein Zeichen und ließ es näher herantreten. „Nun. Du musst mir etwas sagen!"
Valer streckte den Kopf nach oben. Ihr was es zuwider mit Rhes zu reden, die aus einer deutlich höheren Position zu ihr herabsprach. „Das glaube ich nicht!", sagte sich nachdrücklich und schob sich dann an dem Hörnchen vorbei.
Es dauerte kaum eine Sekunde und das Tier sprang wieder vor sie. „Du hast eine Information, die ich brauche!", meinte Rhes nachdrücklich.
„Und was wäre das genau?"
Die rothaarige Adee dachte kurz nach. „Wo ist Mäat hingegangen? Also ich meine geflogen, wo ist er hingeflogen?"
„Warum willst du das wissen?"
„Sag es mir einfach!", befahl Rhes, doch Valer merkte ein kurzes Zögern in ihrer Stimme. Eine Unsicherheit, die zeigte, dass Rhes keineswegs oft in diesem Ton sprach.
„Weißt du was. Das geht dich nichts an! Und ich bin es dir nicht schuldig, dir das zu sagen."
Valer trat wieder nach vorne und wollte sich an dem Hörnchen vorbeischieben, als Rhes die Hände hob. Die autoritäre Miene wich aus ihrem Gesicht. „Ok, bitte warte. Ich muss wirklich wissen, wo Mäat hingegangen ist."
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Waldwesen - Kiefernfrost
FantasiaAchtung! Zweiter Band der Waldwesen-Reihe. 1. Band: Waldwesen-Eichenfeuer. https://www.wattpad.com/story/124584790-waldwesen-eichenfeuer Nach dem aufregenden Sommer kehrt Mäat, zusammen mit Valer, nach Tamieheid zurück. Die Freude über seine Rückke...