Kapitel 9

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„Hey, hey. Wach auf!"

Mäat blinzelte. Durch einen kleinen Spalt seiner Augen drang schwaches Licht zu ihm hindurch, aber er schloss sie sofort wieder. Sein Kopf dröhnte. Vorsichtig fasste er sich an den Hinterkopf, wo er eine kleine Beule spürte, die unter seinen Fingern pochte. Es schien kein Blut zu fließen, doch er fühlte Schlamm an seinem Gesicht.

„Ganz schön harter Aufprall. Du hast dir übel den Kopf gestoßen."

Ihm war kurz schwarz vor Augen geworden, doch nun drehte sich Mäat, um die Gestalt vor ihm näher zu betrachten. Je mehr er im Schein der kleinen Fackel erkannte, die der Adee vor ihm in der Hand hielt, desto stärker rückten seine Schmerzen in den Hintergrund. Der Junge war klein und gedrungen. Kleine, nackte Füße lugten unter einem dicken Pelzmantel hervor, der seine Gestalt noch dicklich wirken ließ. In einer Hand hielt er das flackernde Holz, die andere hatte er in seinen Fellumhang gesteckt, der dunkelbraun schimmerte. Seine Haare standen ihm wild um den Kopf herum ab und sahen verstaubt und strohig aus.

„Verstehst du mich eigentlich? Das, was ich sage?" Der Junge ging einen Schritt näher auf ihn zu und reckte ihm die Fackel in Gesicht, um ihn besser zu erkennen.

„Entschuldige", krächzte Mäat und hustete dann, weil ihm weitere Worte im Hals stecken blieben. Der Aufprall hatte ihm eine Mischung aus Dreck und Wasser in den Mund gewirbelt. Er hörte ein Knirschen, als er die Zähne aufeinanderdrückte. „Ja ich verstehe dich. Ich bin Mäat!"

„Mäat? Das ist ja ein seltsamer Name!" Der Junge gluckste und ein Leuchten zog sich dabei über seine dunklen Augen, in deren Mitte eine schwarze, unnatürlich große Pupille saß. Sie stachen auffällig von der hellen Hautfarbe hervor. Seine Brauen waren buschig und standen fast genauso wirr ab, wie sein Haupthaar. Neugierig musterte er Mäat nun von Kopf bis Fuß, als der sich aufrichtete. Sein Hemd war nass, da er direkt in einer Pfütze gelandet war. Er wischte die schmutzigen Hände an seinen Hosenbeinen ab.

„Und wie heißt du?"

„Ich bin Oruk", antwortete der Adee und schaute in das Erdloch hinauf, durch das Mäat gefallen war. „Kommen da noch mehr runter?"

„Nein, ich bin allein", erwiderte Mäat und in diesem Moment fiel ihm Picea wieder ein. „Ich muss wieder nach oben, danke für deine Hilfe." Mäat hob die Hand zum Gruß und drehte sich dem Loch zu.

„Wie nach oben?", erwiderte Oruk und sprach damit den gleichen Gedanken aus, der Mäat in den Kopf schoss, als er sah, wo er herausgefallen war. Es war wie ein Tunnel, dessen Wände extrem glatt waren. Um ihn herum befand überall Erde, nur hinter Oruk sah er einen weiteren Gang. Er war sich sicher, dass er einen Teil des Sturzes gerollt ist, aber im letzten Abschnitt der Röhre ging es senkrecht nach unten.

Nervös blickte Mäat sich um, doch ihm wurde schnell klar, dass er nicht auf demselben Weg zu Picea zurückkonnte, wie er hergekommen war.

„Mist, verdammt!", fluchte er und schlug mit der Hand gegen die feuchte, bröcklige Erde.

„Was willst du da oben? Sei doch froh, dass du hier unten gelandet bist."

Mäat warf dem in Pelz gewickelten Adeen einen Seitenblick zu.

„Also Oruk, kannst du mir einen Gefallen tun?"

Er zuckte mit den Schultern und Mäat fasste die Geste zumindest nicht als Ablehnung auf.

„Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mich wieder aus diesem Tunnel rausbringen könntest. Und am besten an die Stelle, wo ich reingekommen bin."

Oruk lachte auf. „Nein, tut mir leid." Dann drehte er sich um und ging den ausgehölten Gang hinter ihm davon.

Verdutzt blickte Mäat ihm nach und folgte ihm dann so schnell er konnte. Dabei drehte sich alles um ihn herum und sein Kopf pochte, doch er hielt Schritt. Als Oruk ihm den Rücken zugekehrt hatte wurde es dunkel in dem Loch und dumpfe Angst stieg in ihm auf, wenn er daran dachte, allein in der finsteren Höhle herumzuwandern.

Waldwesen - KiefernfrostWo Geschichten leben. Entdecke jetzt