Kapitel 12

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„Also, du musst dir den Lochberg als Ganzes vorstellen. Der obere Teil besteht fast nur aus Gestein und Eis. Dort können weder wir noch die Melmurs überleben. Erst dort, wo die Kiefern noch wachsen und Erdreich zu finden ist, da liegt das Höhlensystem. Und um den Berggipfel herum sind die Eingänge verteilt. Unob im Norden, Isu und Altos im Osten und Etos und Osat im Südwesten."

Oruk marschierte hinter Elai her, sprach langsam und deutete dabei in die genannten Himmelsrichtungen.

Mäat, der neben ihm herging, versuchte seinen Erklärungen so gut es ging zu folgen, doch sie befanden sich immer noch in den dunklen Höhlengängen unter der Erde und er hatte jegliche Orientierung verloren. Sie hätten mittlerweile schon kopfüber laufen können und er hätte es nicht bemerkt.

„Weiter nördlich befindet sich eine riesige Schlucht, die noch kein Melmur überwunden hat, zumindest sagte das meine Mutter, als ich ein Kind war. Von den großen Eingängen aus gehen dutzende Gänge ins Innere des Berges, die sich wiederum verzweigen. Elais Bau, wie wir ihn nennen, befindet sich zwischen dem Osat und dem Altos. Beide Ausgänge können wir nicht benutzen, deshalb müssen wir bis zum Etos laufen."

„Warum können wir da nicht raus, also bei den beiden anderen Ausstiegen meine ich?", hakte Mäat nach. Obwohl sie erst seit kurzer Zeit liefen war er bereits erschöpft. Die Luft unter der Erde war stickig und der Mondlauf steckte ihm noch in den Knochen. In dem Bau, wie Oruk die Höhle nannte, war es eiskalt geworden und er war irgendwann zitternd und bibbernd aufgewacht. Anschließend konnte er kein Auge mehr zumachen und war fast froh, als Elai und Oruk sich endlich streckten. Nachdem Oruk dem Melmur einige Trockenfrüchte zugesteckt und dabei mit Liebkosungen überhäuft hatte, waren sie aufgebrochen. Oruk selbst hatte nichts gegessen und auch Mäat hatte nur ein paar Schlucke aus seiner Flasche genommen.

Oruk zuckte mit den Schultern. „Na wegen den Asgassen."

Mäat versteifte sich im gleichen Moment. Dann erinnerte er sich an das Gespräch mit Meister Kall. Er war wegen der Reaktion seiner Mutter auf Picea vom Eichenwald weggegangen, aber nicht ohne Grund in die Steinberge geflohen. Er wollte den Melmurreitern helfen. Er hatte zwar keinen richtigen Plan verfolgt, doch durch die Trennung von Picea war ihm nur noch wichtig, sie wieder zu finden. Gerade dachte er auch an Valer und daran, was sie jetzt im Eichenwald machen würde. Doch dann riss er sich wieder zusammen und vergrößerte seine Schritte, um den Anschluss an Oruk nicht zu verlieren.

„Der Sommer war zu heiß. Wenn sich überhaupt Wolken bildeten, dann sind sie ins Land hineingezogen. Die Erde ist trocken und wir finden zu wenig Nahrung. Das führt dazu, dass wir uns weiter von unseren Höhlenausgängen wegbewegen müssen. Früher war das kein großes Problem, doch seit einiger Zeit greifen die Asgasse uns jedes Mal an. Wir haben den Viechern kaum was entgegenzusetzen, stimmts Eila?"

Der Adee klopfte dem Melmur auf die Seite. Dabei hoben sich die Felle, die er sich um die Schultern geworfen hatte.

„Aber warum plötzlich?", frage Mäat.

Oruk dachte nach und legte dabei seinen Kopf schief. Er ließ sich Zeit, bis er antwortete. „Ich weiß es nicht. Es fing plötzlich an."

Mäat wollte noch etwas erwidern, doch da änderte sich die Erde um sie herum. Plötzlich waren vereinzelte Wurzeln zu sehen und es wurde heller. Elai vor ihnen blieb ruckartig stehen.

Oruk schob sich an ihr vorbei und Mäat folgte ihm. Die Melmurdame füllte den Höhlengang so aus, dass ihn dabei Fell im Gesicht streifte. Dann sah er vor ihnen den Ausgang. Der Gang stiegt leicht an und am Ende konnte Mäat grelles Licht erkennen. Doch seine Augen, die sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, schmerzten, wenn er direkt dorthin sah. Vor dem Ausgang, aber noch im Erdinneren, stand ein Adee, dicht gefolgt von einem dunklen Melmur.

Waldwesen - KiefernfrostWo Geschichten leben. Entdecke jetzt