𝚘𝚖𝚗𝚒

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So oft schon durfte ich Deine Grösse und Macht erleben. Ich habe Dich nicht nur als Freund und Vater anerkannt, sondern auch als Gott, als König. Du bist der Herrscher mit dem Zepter in der Hand – und ich Deine treue Dienerin. Bereit, deinen Befehl auszuführen, dir zu gehorchen.

Und doch wurdest Du irgendwie zum Wunschautomaten.

Versteh mich nicht falsch, ich möchte ja Deinen Willen tun. Und ich weiss auch schon genau, wie ich dies zu tun habe. Du musst nur da kurz und dort ein wenig – aber nein, was tust Du denn? Wie soll ich da Deinen Willen tun?!

Herr, ich hab Dich wieder in die Schublade gepackt. Habe wieder mal gedacht, Du würdest so funktionieren, wie ich mir das vorstelle. Habe gedacht, Du seist berechenbar.

Aber das bist Du nicht.
Du lässt dich nicht in eine Schublade stecken.

Eigentlich eine lächerliche Vorstellung. Wie sollte der Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat, derjenige, der höher ist als die Berge und tiefer als das Meer, je in eine Schublade passen?

Und wenn ich ehrlich bin, verstehe ich das nicht. Wenn ich ehrlich bin, übersteigt das meinen Verstand.
Aber setzt nicht genau da der Glaube ein – dort, wo der Verstand aussteigt?

Und doch ist es mit uns Menschen so, dass wir alles erfassen und begreifen wollen – ja gar müssen. Was wir nicht erklären können, davor haben wir Angst.
Ich bilde da nicht zwingend eine Ausnahme. Ich versuche, Dich einzuordnen, Dich irgendwie zu fassen, greifbar zu machen. Und doch entgleitest Du mir jedes Mal – wie ein glitschiger Fisch.
Und wenn es mir gelingt, ein annähernd klares Bild zu erhaschen, merke ich, wie oft ich eben diesem nicht glaube.

Die Bibel sagt, Du bist...

... omniszent – allwissend. Du siehst in jeden Kopf hinein, kennst Vergangenheit und Zukunft. Du hast nicht nur meine kleine, engstirnige Sicht – nein, Du hast das Big Picture.
Und trotzdem wage ich es, Dir vorzuwerfen, Du hättest keine Ahnung.

... omnipräsent – allgegenwärtig. Du bist hier und gleichzeitig dort. Du sitzt auf Deinem himmlischen Thron und begegnest mir zur selben Zeit in meinem Zimmer. Du bist sowohl im Gottesdienst wie auch auf dem Fahrradausflug dabei.
Und trotzdem wage ich es, zu fragen, wo Du bist.

... omnipotent – allmächtig. Durch Dein Wort entstand das Leben. Du gebietest über Wind und Wetter, kannst das Meer teilen und Feuer vom Himmel regnen lassen. Sprichst Du bloss ein Wort, werden Menschen gesund, müssen Schmerzen und Qualen weichen. Was ist Dir unmöglich?
Und trotzdem wage ich es, zu behaupten, es sei zu schwer für Dich.

Immer wieder erwische ich mein Herz dabei, wie es sich mit Zweifel füllt. Es ist so einfach, Dir nicht zu glauben. Du widersprichst doch jeglicher Logik!

Aber das ist es ja gerade: Du bist eben nicht logisch. Du erfüllst auch nicht die engstirnigen Erwartungen und Klischées. Du passt nunmal nicht in eine Schublade! Du bist so viel grösser, so viel weiter, so viel tiefer! Du bist omni.

Und trotz alledem interessierst Du Dich für so ein kleines, mickriges und unwichtiges Geschöpf wie mich. Ich darf sogar Dein Kind sein, Du gibst mir einen Wert. Du nennst mich Dein Meisterwerk.

Herr, ich will Dir glauben. Ich will Dir vertrauen.
Obwohl Du so unfassbar bist.
Weil Du so unfassbar bist.

𝚂𝚌𝚑𝚘̈𝚙𝚏𝚎𝚛𝚐𝚎𝚍𝚊𝚗𝚔𝚎𝚗Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt