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Ich bilde mir ein, kurz ein schelmisches Lächeln auf Harrys Lippen zu sehen, dann dreht er sich aber um und geht einfach. Schnell laufe ich ihm hinterher. Und stolpere natürlich über einen auf der Straße liegenden Ast.
-"Alles okay?"
Ich lasse mich von Harrys angebotener Hand wieder hochziehen und nicke dann. "Jo, alles gut. Der Ast war nur im Weg", sage ich und lache. Mein rechtes Knie tut ein wenig weh, aber ich beschließe, dass das nicht der Rede wert ist.
Ein belustigtes Schnauben ist von Harry zu hören, dann hakt er sich bei mir unter.
-"Komm, ich pass auf dich auf, damit dich nicht noch weitere blutrünstige Äste anfallen."
Erneut muss ich lachen. Den restlichen Weg zum Auto legen wir scherzend und mit ineinander gehakten Armen zurück.

Als wir wieder losfahren drehe ich das Radio ein wenig auf. Gerade läuft Blinding Lights von The Weeknd. Wie gefühlt überall, dauerhaft. Aber ich finde das Lied gut, deswegen stört es mich nicht so sehr, wie es mich damals bei beispielsweise Despacito gestört hat.
Harry singt leise mit und ich kann mir ein Grinsen mal wieder nicht verkneifen.

Nach etwa einer halben Stunde Fahrt halten wir schließlich auf einem Parkplatz an der Straße. Wir steigen aus und laufen noch um einige Straßenecken, dann stehen wir vor einer langen Straße, die aus einigen Gebäuden links und rechts mit bunten Lichtern beleuchtet wird.
-"Hier sind einige Bars und Clubs. Ich dachte, wir könnten vielleicht hier noch irgendwo was trinken gehen oder, wenn du möchtest, auch in 'nen Club und ein bisschen feiern", meint Harry und grinst mich an.
"Okay, dann würde ich erstmal in 'ne Bar gehen und dann mal weiter schauen. Ehrlich gesagt bin ich nicht so in der Stimmung, feiern zu gehen", erwidere ich. Nicht, dass mich die Idee an sich nicht reizen würde, aber ich habe ein bisschen die Befürchtung, dass der Alkohol und die ausgelassene Partystimmung mich nachher etwas sagen oder tun lassen würden, was ich nachher bereuen würde. Harry nickt. "Okay, können wir machen. Ansonsten können wir danach auch noch zum Strand fahren, wenn du Lust hast. Da ist es auch total schön und es ist ja warm", schlägt er dann vor.
"Oh ja, das klingt super!", stimme ich begeistert zu, bevor wir eine Bar betreten.

Die Bar, in die wir gehen, hat ein angenehmes Flair. Eine Band steht in einer Ecke und spielt leise Musik. Niemand beachtet uns. Wir gehen zum Tresen.
-"Was möchtest du trinken?", fragt Harry mich. Ich entscheide mich nach kurzem Überlegen für eine Cola. Kein Alkohol, kein Risiko. Mit einem kurzen, erstaunten Hochziehen seiner Augenbraue akzeptiert er meine Wahl. Ich überlege kurz, ob ich es erklären soll, aber entscheide mich dann dagegen, hoffend, dass er mich jetzt nicht für langweilig oder so etwas hält. Dann bestellt er für uns und zahlt.
"Ähm du, Harry.. soll ich nicht vielleicht auch mal was zahlen?", frage ich ihn daraufhin. Langsam beginne ich nämlich, mich deswegen schlecht zu fühlen. Doch er winkt ab.
-"Weißt du, das ist einer der Vorteile, ein Weltstar zu sein. Man kann ohne Bedenken mal eine Dame zum Essen beziehungsweise zu einem schönen Abend ausführen", meint er und grinst mich an. Die Formulierung "Dame" löst in mir ein etwas komisches Gefühl aus. Damen sind für mich feine Frauen, in Kleidern und Schminke und mit viel Geld - und somit genau das Gegenteil von mir, einer frischgebackenen Abiturientin, die Kleider nicht leiden kann und sich in ihrem Leben vielleicht 3 Mal geschminkt hat. Trotzdem lasse ich mir nichts anmerken und lächle nur zurück.
"Okay... danke. Aber du weißt, du musst das nicht und dass ich auch gern selber was zahlen kann", sage ich dann.
Bevor Harry noch was erwidern kann, stellt der Barkeeper die Getränke vor uns auf den Tisch und verschwindet dann direkt wieder, um sich anderen Gästen zu widmen.
Die Coverband hat gerade ihr Lied beendet und sagt nun das nächste an. The Chain von Fleetwood Mac. Ich sehe, wie Harrys Augen bei dem Songtitel aufleuchten und erinnere mich, dass er diesen Song auch mal gecovert hat. Wir unterbrechen unser Gespräch über Belangloses und wenden uns ganz der Coverband zu.

Listen to the wind blow, watch the sun rise
Running in the shadows, damn your love, damn your lies

Leise singt Harry mit, seine Augen sind auf die Band gerichtet, doch sein Blick ist abwesend, als sähe er vor seinem inneren Auge eine ganz andere Szenerie. Einige leicht angetrunkene Gäste singen ebenfalls mit, wenn auch reichlich schief und auch ich kann nicht umhin, ebenfalls leise mitzusummen.

And if you don't love me now
You will never love me again
I can still hear you saying
You would never break the chain

Ich höre Harrys Stimme neben mir klar und deutlich und spüre, wie ich eine Gänsehaut bekomme. Der Mann hatte echt Talent.
Abgelenkt vom Gesang merke ich nicht, wie sich auf einmal ein Typ neben mich stellt. Erst als er mich anspricht und seine gewaltige Alkoholfahne mein Gesicht trifft, werde ich auf ihn aufmerksam.
-"Ey du", lallt er, "bissu neu hier? Hab dich noch nie vorher geseh'n."
Instinktiv weiche ich auf meinem Barhocker ein wenig vor ihm zurück. "Ähm.. ja, ich bin nur zu Besuch hier", antworte ich, leicht überfordert. Der Typ grinst und entblößt dabei seine gelben Zähne. "Willsu ein bisschen Spaß haben?", fragt er dann und mir läuft es eiskalt den Rücken runter. "Ne danke, ich ähm.. bin eh mit Begleitung hier", antworte ich und drehe mich zu Harry um - besser gesagt, dahin um, wo Harry eigentlich sein sollte. Nur ist er nicht mehr da. Beunruhigt lasse ich meinen Blick durch die Bar wandern. Doch nirgendwo kann ich den vertrauten braunen Lockenkopf sehen.

Eine Hand packt mich am Arm und der Gestank nach Alkohol schlägt mir ins Gesicht und raubt mir den Atem.
-"Soso, mit Begleitung also.. nur seh' ich hier keine Begleitung. Komm, sei nicht so schüchtern, du willst das doch auch, das seh' ich doch", lallt der betrunkene Typ in mein Gesicht. Zu nah, er ist viel zu nah. Ich will meinen Arm losreißen, doch er ist zu stark. Ein dreckiges Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus, als er mich vom Barhocker zieht. Wie gelähmt kann ich nichts tun, außer ihn entsetzt anzustarren, während langsam immer mehr Panik in mir aufsteigt.

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Yeah, ein neues Kapitel! :D
Entschuldigt die Wartezeit, ich versuche, so regelmäßig wie möglich zu updaten, nur gelingt mir das momentan irgendwie nicht so gut :/

Trotzdem hoffe ich, dass euch das Kapitel gefällt und ich versuche, so schnell wie möglich weiter zu schreiben, um euch nicht allzu lang mit dem kleinen Cliffhanger allein zu lassen ;)

Ansonsten wie immer, ich freue mich über jeden Kommentar und Vote, der dagelassen wird, bleibt gesund und so ^-^

Eine unerwartete BegegnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt