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-"Hey! Hab ich dir nicht letzte Woche Hausverbot erteilt?", dringt auf einmal eine Stimme durch meinen Nebel aus Panik. Der Barkeeper steht neben uns und sieht den Typen, der mich immer noch an den Armen hält, prüfend an. Ich versuche, den kurzen Moment der Verwirrung zu nutzen und mich loszureißen, aber es funktioniert nicht. Sein Griff verstärkt sich direkt wieder.

-"Jaa kann sein.. will die auch nur kurz mitnehmen, bin gleich wieder weg", erwidert er dem Barkeeper zugewandt und grinst dann dreckig in meine Richtung. Erneut steigt Panik in mir auf, bevor sich meine Gedanken für einen kurzen Augenblick halbwegs lichten.
"Bitte helfen Sie mi-..." Der Rest meines Satzes wurde von der Hand des Betrunkenen erstickt, die sich über meinen Mund legt. Doch der Barkeeper scheint verstanden zu haben.
-"Nehmen Sie sofort Ihre Finger von dem Mädchen und verlassen Sie meine Bar!", befiehlt er dem betrunkenen Typen, der noch immer versucht, mich mit sich zu ziehen. Statt einer Reaktion reißt dieser nur noch heftiger an meinem Arm und ich bekomme langsam keine Luft mehr durch die fest auf meinen Mund und Nase gepresste Hand.

Auf einmal löst sich der Druck an meinen Armen und auf meinem Mund. Nachdem ich einmal tief durchgeatmet und mich ein klein wenig beruhigt habe, sehe ich, dass der Barkeeper und ein Typ, der etwa in meinem Alter sein müsste, mir zur Hilfe gekommen sind und den Betrunkenen von mir weggezehrt haben. Der Barkeeper schleift ihn nun offensichtlich wütend zum Ausgang, während er ihm irgendwas über Polizei und Ruhestörung erzählt. Der andere bleibt bei mir. Er hat blonde Haare, blaue Augen und trägt ein weites dunkelgraues Tanktop.

-"Hey, alles okay bei dir?", fragt er und sieht mich besorgt an. Ich nicke nur. Antworten kann ich nicht, ein dicker Kloß sitzt mir im Hals und ich weiß, dass ich anfangen würde, zu weinen, würde ich was sagen.
-"Okay. Ich bin Mike. Wie heißt du denn?", stellt er sich nun vor.
"Luna", presse ich hervor. Ich weiß, dass ich gerade ziemlich unfreundlich wirken muss, vor allem, da er mich gerade gewissermaßen wahrscheinlich vor einer Vergewaltigung gerettet hat, aber ich kann nichts dagegen tun. Der Schrecken sitzt mir immer noch in den Knochen und ich würde nicht vor einem fremden Typen in Tränen ausbrechen.

-"Okay, schön dich kennenzulernen", sagt Mike nur, unverändert freundlich trotz meiner eher scheuen Reaktion, und streckt mir seine Hand entgegen. Ich schüttle sie und bringe ein unsicheres Lächeln zustande.

-"Hey, alles klar bei dir? Den hab ich letzte Woche schon mal wegen seines Benehmens rausgeworfen hier. Tut mir leid, dass dir das passieren musste, willst du noch was trinken? Geht auf's Haus", spricht mich der Barkeeper auf einmal an, der anscheinend mit dem Betrunkenen fertig ist. 'Das ist total nett, aber passt schon, danke', will ich eigentlich antworten. Doch wieder befürchte ich, anzufangen zu weinen, also schüttle ich den Kopf. "Nein, danke, passt schon", murmle ich und versuche, entschuldigend zu lächeln.
-"Okay, dann kriegste halt bei deinem nächsten Besuch hier was gratis", meint der Barkeeper daraufhin nur, lächelt mich noch einmal aufmunternd an und verschwindet dann wieder hinter der Theke.

Ich will mich gerade wieder Mike zuwenden, als sich eine Hand von hinten auf meine Schulter legt.
-"Hey, hast du neue Freunde gefunden oder was?", fragt Harry mich und grinst mich frech an. Auch wenn es Spaß von ihm ist und er weder mitbekommen hat, was passiert ist, noch was dafür kann, steigt eine Wut in mir hoch.
"Ja wenn du einfach wegrennst", entgegne ich also nur schnippisch und unterdrücke mühsam das Schluchzen, das sofort in meiner Kehle aufsteigt. Sofort ändert sich Harrys Mimik.
-"Hey, ich war doch nur auf Toilette. Tut mir leid, ich dachte, das könntest du dir denken", erklärt er dann und sieht mich ernst an. Das bringt allerdings das Fass, das ich so verzweifelt versuche, zuzuhalten, zum Überlaufen.

"Ich wurde fast vergewaltigt!", schreie ich ihn an. Na ja, will ich zumindest. Allerdings bricht meine Stimme direkt mach dem ersten Wort und der Rest kommt eher als Wispern raus. An Harrys Blick kann ich jedoch erkennen, dass er es trotzdem verstanden hat. Er hebt seine Arme als wolle er mich umarmen, aber ich fühle mich plötzlich eingeengt.
Mir laufen die Tränen über's Gesicht, als ich einfach losrenne, raus aus der Bar auf die Straße. Kaum bin ich draußen erfasst mich Panik. Was, wenn der Betrunkene hier noch irgendwo lauert? Aber wo soll ich denn hin, wieder rein wäre ja auch dumm.

Meine Sicht verschwimmt, während ich wie gelähmt vor der Bar stehe und auf die Straße starre. Von fern dringen die Geräusche redender und lachender Menschen zu mir. Dann fasst mich jemand am Arm. Ich wende mich um, bereit, um mich zu schlagen und loszurennen, doch es ist nur Mike, der mich aus seinen blauen Augen besorgt ansieht.
-"Hey, ganz ruhig, ich bin's nur. Ist wohl doch nicht alles okay, hm?", fragt er, doch es klingt nicht spöttisch. Ich schluchze nur und nicke, als er mich in eine Umarmung zieht. "Hey, alles gut, ich bin ja da", versucht er, mich zu beruhigen, während er über meinen Rücken streichelt.

Auch wenn Mike mir ja eigentlich genauso fremd ist, wie der Besoffene, vertraue ich ihm irgendwie, auch wenn ich weiß, dass ich niemandem trauen sollte, den ich gerade erst kennengelernt habe.

Auf einmal spüre ich eine weitere Hand auf meiner Schulter. Ich löse mich langsam aus Mikes Umarmung und sehe Harry vor mir. Er schaut mich besorgt an und ich bilde mir ein, Tränen in seinen Augen glitzern zu sehen. Aber warum sollte er denn jetzt weinen?

-"Oh Gott Luna... es tut mir ja so leid. Geht es dir gut, hat er dir was angetan?", fragt er schließlich. Ich schüttle den Kopf. Mike löst vorsichtig die Umarmung, damit ich zu Harry gehen kann. Das tue ich und auch er zieht mich in seine Umarmung.

-"Hey, ich will ja nichts sagen, aber ihr steht hier mitten auf der Straße und ähm.. ich glaube, ich habe eben jemanden da drin deinen Namen sagen gehört Harry", gibt Mike allerdings kurz darauf zögerlich zu bedenken. Ein wenig unwillig löst sich Harry wieder von mir, um ihm Recht zu geben.

Nachdem die beiden Männer noch kurz Nummern austauschen, verabschieden Harry und ich uns von Mike und laufen wieder durch einige Straßen und Gassen zurück zu Harrys Auto. Ich habe aufgehört zu weinen, Harrys Anwesenheit beruhigt mich gewissermaßen. Trotzdem schlägt mein Herz immer noch um einiges schneller als normal.

Im Auto angekommen fährt Harry direkt, nachdem wir uns angeschnallt haben, los. Er sagt nichts und auch ich bin nicht in der Stimmung, ein Gespräch anzufangen. Nachdem wir ein wenig gefahren sind, ich kann nicht abschätzen, wie lange es wirklich war, halten wir an einem Parkplatz am Strand. Das war jetzt nicht sein Ernst? Nach einem entspannten Abend am Meer war mir jetzt echt nicht mehr.

-"Hey. Ich weiß, du bist jetzt wahrscheinlich eigentlich gar nicht mehr in der Stimmung für einen Strandspaziergang und ich will dich hier auch zu nichts zwingen und wenn du lieber nach Hause möchtest, dann sag es... aber auf mich hat das Meer immer eine beruhigende Wirkung und hier sind normalerweise nicht so viele Menschen. Also, falls du möchtest? Wir können natürlich auch jederzeit umkehren", erklärt er dann sanft. Es ist das erste Mal, dass er mit mir spricht, seit wir von der Bar losgefahren sind. Er schaut mir jetzt auch direkt in die Augen und wieder bilde ich mir ein, Tränen in seinen glitzern zu sehen.

"Okay, klingt gut", antworte ich und steige aus.

Eine unerwartete BegegnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt