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Als ich aufwache, bin ich für einen Moment irritiert, weil ich jemanden neben mir atmen höre. Dann fällt es mir wieder ein. Vorsichtig drehe ich mich um, um Harry nicht zu wecken. Die Decke ist von ihm runtergerutscht, sodass seine Brust freiliegt. Sie hebt und senkt sich gleichmäßig.

Er sieht so friedlich aus, wie er schläft, die Augen geschlossen, den Mund leicht geöffnet. Ich betrachte die Schwalben auf seiner Brust. Wie im Traum hebe ich meine Hand, um sie nachzuzeichnen, halte mich jedoch im letzten Augenblick zurück.
Luna, was tust du da?

Ich lasse mich wieder zurück in die Kissen fallen und starre an die Decke. Harry verwirrt mich. Ich hatte mir doch so fest vorgenommen, keine Gefühle für ihn zu entwickeln, aber gerade hab ich nicht den Eindruck, damit erfolgreich zu sein.

-"Mhh guten Morgen", kommt es auf einmal aus den Kissen neben mir.
"Morgen", antworte ich und drehe mich wieder zu dem jungen Mann neben mir. Er blinzelt mich verschlafen an. Die Mühe, die Decke wieder über seine Brust zu ziehen, macht er sich nicht, somit darf ich mich jetzt wieder bemühen, nicht zu auffällig zu starren.

-"Hast du gut geschlafen?", fragt Harry nach einer gefühlten Ewigkeit, in der wir schweigend nebeneinander lagen, jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend. Seine Stimme ist immer noch rau, aber er klingt ein wenig wacher als eben.
"Ja, ist echt bequem hier. Und du?", erwidere ich.
-"Ich auch, danke der Nachfrage. Es schläft sich gut neben dir", meint er und grinst. Fängt er jetzt etwa schon wieder an, mit mir zu flirten?
Ich stöhne und vergrabe mein Gesicht im Kissen. "Ja ne ist klar", murmle ich. Harry lacht leise.
-"Was denn?", fragt er dann und ich bilde mir ein, das schelmische Grinsen aus seiner Stimme herauszuhören.
"Warum machst du das?", antworte ich mit einer Gegenfrage.
-"Was?"
"Na ja... so übertrieben nett zu mir sein. Das verwirrt mich", versuche ich, es in Worte zu fassen, ohne komplett bescheuert zu klingen oder ihm meine Gefühle zu offenbaren. Ich höre, wie Harry sich aufrichtet und auf seinen Ellbogen aufstützt.
-"Ich bin doch nur nett. Und.. okay, vielleicht flirte ich ein bisschen, aber.. ich wusste nicht, dass dich das stört", erwidert er dann nach kurzer Pause. Er klingt verlegen und ich wage es zuerst nicht, mein Gesicht wieder aus dem Kissen zu heben.
"Tut es nicht", murmle ich in den Stoff.
-"Was?", fragt Harry nach und ich entschließe mich doch dazu, meinen Kopf wieder zu heben. Während ich mich ebenfalls auf den Ellbogen aufstütze, versuche ich, meine Gedanken zu sortieren und in Worte zu fassen.
"Ich meinte, dass es das nicht tut. Es ist nur... du verwirrst mich. Ich habe noch nie so schnell einer Person vertraut, mit der ich vorher noch nie gesprochen habe", sage ich dann und betrachte anschließend erneut eingehend das Kopfkissen vor mir.

Nach einer Weile hebe ich den Blick wieder, da er nicht antwortet. Seine grünen Augen mustern mich. Diesmal wirken sie für mich unergründlich. Als er merkt, dass ich ihn ansehe, räuspert er sich und wendet den Blick ab.
-"Also... ich will dich nicht verwirren Luna, wirklich nicht. Aber vielleicht beruhigt es dich, wenn ich dir sage, dass es mir ähnlich geht. Ich lade normalerweise keine Fans zu mir nach Hause ein - schon gar nicht über mehrere Tage, aber bei dir hatte ich irgendwie gar keine Bedenken", meint er dann.

Mal wieder bin ich sprachlos. Jegliche Aufmüpfigkeit oder ähnliches ist aus Harrys Gesicht verschwunden und er sieht mich ernst an. "Okay" ist alles, was ich sage. 'Was eine tolle Reaktion', gibt meine innere Stimme wieder ihren sarkastischen Kommentar dazu ab. Doch Harry scheint gar nicht darauf einzugehen.
-"Ich bin auch ein wenig überrascht über mich. Mein Management ist auch nicht gerade begeistert, die meinen, ich sei leichtsinnig und vielleicht haben sie ja Recht, aber... irgendwie vertraue ich dir einfach. Du bist anders Luna, auf positive Art und Weise und ich weiß nicht, was ich dir gegenüber... empfinden soll beziehungsweise davon halten soll", fährt er fort. Ich schlucke und schaue nur wortlos an ihm vorbei aus dem Fenster, während ich versuche, zu verarbeiten und zu verstehen, was er gerade gesagt hat.

Nach ein paar Minuten, die mir wie Stunden vorkommen, in denen niemand etwas sagt, erhebe ich schließlich wieder die Stimme: "Danke für deine Ehrlichkeit. Ich... weiß dein Vertrauen sehr zu schätzen und ich verspreche dir, es nicht zu enttäuschen. Genauso hoffe ich, dass auch du die Dinge, die du... ich sag jetzt mal, über mich erfährst, für dich behältst."
Harry nickt nur als Antwort, dann fährt er sich mit den Händen über's Gesicht und durch seine Haare.
-"Du machst mich fertig, ey. Für so ein ernstes Gespräch früh morgens bin ich echt nicht gemacht!", stöhnt er, hat jedoch wieder den Anflug eines Grinsens im Gesicht.
"Sorry, das war nicht meine Absicht!", erwidere ich, ebenfalls belustigt.

-"Wie auch immer, Lust auf Frühstück? Ich hab echt einen Bärenhunger!", meint Harry dann. Ich nicke. Bei der Erwähnung von Frühstück hat mein Magen begonnen, zu knurren, als wolle er mich fragen, was mir denn einfiele, noch nichts gegessen zu haben, von der Hinsicht blicke ich diesem nun mit Freuden entgegen.

Während Harry in der Küche steht, stehle ich mich ins Bad, um mich fertigzumachen. Heute soll es wieder warm werden, also entscheide ich mich für eine etwas weiter geschnittene, knielange Hose und ein schwarzgrau-meliertes T-Shirt, auf dem vorne in neongrüner Schrift Do you wanna start a cult with me? drauf stand. Merchandise einer meiner Lieblingsbands, Bring Me The Horizon. Meine Haare sind heute ein einziges Chaos. Entschlossen nehme ich zwei Haargummis, mache mir zuerst einen Pferdeschwanz und drehe diesen dann gewissermaßen um das Haargummi herum. Das zweite Haargummi drüber und fertig. Ich weiß, es gibt wahrscheinlich einfachere Wege, sich einen Dutt zu machen, aber so mache ich es schon immer, also warum nicht. Zurück in meinem Zimmer hole ich mir erneut ein Bandana aus meinen Sachen und binde mir dieses ebenfalls noch um den Kopf. Ein letzter prüfender Blick in den Spiegel - perfekt!

Barfuß gehe ich zu Harry in die Küche. Er scheint gerade fertig zu sein, kratzt gerade noch die letzten Reste Rührei aus einer Pfanne.
-"Oh hey, das trifft sich gut, das Frühstück ist gerade fertig geworden. Ich wusste nicht genau, was du wolltest, also habe ich einfach mal alles gemacht, was mir eingefallen ist", begrüßt er mich.

Erst da fällt mein Blick auf den Küchentisch. Eine solche Auswahl habe ich selten bei meinem Frühstück. Harry hat Bacon gemacht, Rührei, Spiegelei, es gibt Toast, Brötchen, aber auch ganz normales Brot und jede Menge Aufstrich und Belag.
"Wow, das sieht super aus!", lobe ich ihn begeistert, bevor ich mich setze. Zufrieden lächelnd setzt er sich mir gegenüber.
-"Na, dann lass es dir schmecken!"

Eine unerwartete BegegnungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt