love has many attributes [H.S.]

#17 Ein Vogel hält eine Kiste

"Wonach sieht es für dich aus?"

"Es sieht für mich aus wie ein Vogel der eine Kiste hält."

"Ein Vogel der eine Kiste hält?"

Harry warf mir einen fragwürdigen Blick von der Seite zu. "Wie sieht es denn für dich aus?"

"Es sieht aus wie ein Dinosaurier der einen Baum hochklettert."

Jetzt sah ich ihn mit einer erhobenen Augenbraue an. "Jeder definiert Kunst anders, also finde ich deine These auch okay Harry."

"Das mag wohl stimmen. Aber deine Theorie kommt mir ganz schön weit hergeholt vor."

Harry trat näher an das Gemälde welches vor uns an der weißen Wand hing.

"Sieh doch. Hier die Linien zeigen nach oben, das sind die Äste und dieser Fleck hier ist das Auge des Dinos. Das Bild würde Liam gefallen."

Er deutete nicht nur auf das Bild. Er berührte es.

"Harry fass das Bild doch nicht an. Das ist sicherlich sehr wertvoll."

"Ich mache hier doch nichts kaputt. Entspann dich."
Er zwinkerte mir zu und fuhr die Linien des Bildes nach oben.

"Würden sie das bitte sofort unterlassen."

Ich hörte ein extrem genervtes Räuspern hinter mir und kniff meine Augen zusammen.

Ein Sicherheitsbeamter stand direkt neben uns und warf Harry einen wütenden Blick zu.

Anscheinend dachte dieser jedoch nicht daran seine Finger bei sich zu behalten und berührte es immer noch.

"Ich versuche meiner Freundin nur die umwerfende Kunst von Joan Miro zu erklären."

Ich versuchte wirklich zu ignorieren dass er mich als seine Freundin bezeichnet hatte, doch ein kleines lächeln stahl sich dennoch auf meine Lippen.

"Das können sie auch von draußen."

Sowohl Harry als auch ich warfen ihm einen verwirrten Blick zu.

"Ich muss sie bitten zu gehen. Die Gemälde dürfen auf keinen Fall beschmutzt werden."

Der Mann deutete auf das schmale Schild auf dem "Bitte nicht anfassen" stand.

"Das könnten sie beim nächsten mal ruhig etwas größer Drucken lassen. Dann würde das hier sicherlich nicht mehr passieren."

Harry war offensichtlich von allen guten Geistern verlassen. Er strich mit seiner Handfläche über das Gemälde und war dabei es von der Wand abzuhängen.

Plötzlich ertönte ein durchdringendes Fiepen und ich hielt meinen Atem an.

Was dachte er sich nur dabei?

Genau das schien sich der Mann in Uniform auch zu fragen denn er griff nach Harrys Händen um das bevorstehende zu verhindern.

Doch Harry hielt den Rahmen schon in seinen Händen und sah es an. "Von nahem kann man noch viel besser erkennen um was es sich genau handeln soll."

Mr. Walker, so hieß er laut seinem Namensschild sah schockiert in Harry's Gesicht. Er nahm ihm das Gemälde sofort aus den Händen und hing es wieder an seinen alten Platz.

"Unfassbar. Die Jugend heutzutage. Sie kommen sofort mit mir. Das ich sowas nochmal erleben darf. Unglaublich."

"Und ich sage dir es war ein Dinosaurier der einen Baum hochgeklettert ist."

"Harry was ist nur in dich gefahren. Wir haben ab sofort beide Hausverbot in dem Museum."

Ich sah ihn entgeistert an. Ich hatte nirgends Hausverbot. Bis jetzt.

"Das war doch nur ein Scherz. Tut mir leid ich wusste nicht das es so endet."

"Wieso musstest du das Bild denn auch noch abhängen?" Ich schüttelte den Kopf als ich die Tür von Harrys Auto aufmachte, die er aber schon wieder vor mir zuschlug.

"Ich wollte es mir genauer ansehen. Du solltest doch auch erkennen um was es sich handelt." Wehrte er mein Kommentar ab.

"Ich denke du als Sänger solltest wissen das Menschen Kunst oft sehr verschieden interpretieren."

Er schnaufte und fuhr sich durch seine Haare. "Okay, Okay. Du hast ja recht. Ich wollte dich nur ein bisschen aufmuntern. Das sollte nur ein Witz sein."

"Was meinst du damit? Du wolltest mich ein bisschen aufmuntern?"

"Olivia glaubst du ich habe nicht bemerkt das du traurig bist?"

Ich schluckte.

"Harry ich bin nicht traurig." Ich versuchte ihn von der Beifahrertür wegzuschieben, doch er blieb stehen.

"Denkst du ich merke das nicht? Olivia du bist die ganze Zeit schon total abwesend und ich sehe das etwas nicht stimmt. Deine ganze Ausstrahlung wirkt trüb. Du kannst mit mir darüber reden. Ich höre dir gerne zu."

Mir gefiel ganz und gar nicht welche Richtung dieses Gespräch plötzlich einschlug. Harry sollte mich doch von dem ganzen Chaos ablenken..

„Harry. Es ist alles in Ordnung."

Ich sah ihn bittend an. „Vertraust du mir etwa nicht?"

Das war eine gute Frage.

„Was willst du denn hören? Ja. Du hast recht, mir geht es momentan beschissen. Aber das heißt nicht das ich mich gleich dem nächst besten anvertraue und ihn über meine Probleme ein Ohr abkauen möchte. Ich weiß doch wie viel du um die Ohren hast. Da will ich dich doch nicht noch mit meinem Kleinkram nerven."

Harry sah mir mit einem unsicheren Blick in die Augen.

„Für dich nehme ich mir gerne die Zeit."