6.

67 7 4
                                    

Zeitsprung, ich hatte das Haus mitsamt Kopfhörern, Handy und Portemonnaie in meinem Rucksack verlassen auf dem Weg zu dem Café das ich und Minsik immer benutzen. Da heute Samstag war, musste es besonders voll sein, es würde uns wahrscheinlich schwer fallen einen ordentlichen Sitzplatz zu finden, aber solange wir einen fanden, war ja alles in Ordnung.
Ich war ziemlich schnell beim Café angekommen und wartete noch vor dem Eingang auf Minsik, durch die Gegend schauend und die dröhnende Musik in meinen Ohren genießen. Es lief Fadeaway von Paloalto. Mein Lieblingslied. Aber größtenteils weil The Quiett auch dabei war.
Total verträumt starrte ich in die Leere, als ich auf einmal spürte, wie mich jemand an der Schulter antippte. Ruckartig hob ich den Kopf und sah einem rothaarigen Jungen in die Augen. Er schmunzelte etwas und verbeugte sich zur Begrüßung, und da traf es mich. Wieder diese Vision. Sein Gesicht veränderte sich, die Umgebung veränderte sich, nur für den Bruchteil einer Sekunde. Ich erstarrte.
Er war einer von uns.
"Entschuldigung, wenn ich störe, aber..."
Er machte eine Pause und räusperte sich, sein Gesichtsausdruck nahm an Ernst zu. Hatte er die gleiche Vision auch gerade bei mir gehabt?
"Also, ich bin neu hier...und ich wollte zu dem Park an dem Han-Fluss. Wo muss ich lang?" Jetzt war das Lächeln auf seinem Gesicht wieder zurückgekehrt und ich beruhigte mich auch langsam. Er musste es gecheckt haben.
"Klar. Links die Straße runter und bei der dritten Ampel rechts, da müsstest du den Park sofort sehen."
Er nickte. "Vielen Dank!" Bevor er dann gehen wollte, verbeugte er sich noch einmal, drehte sich in die Richtung, die ich ihm gerade angedeutet hatte und wollte gerade losgehen, jedoch hielt ich ihn an. "Moment mal!"
Er blieb stehen und drehte sich nochmal zu mir. "Ja?", stammelte er, trotzdem mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
"Kann es vielleicht sein, dass wir...naja...", ich räusperte mich, "Schonmal irgendwo gesehen haben?"
Er verstand was ich meinte. Ich sah es ihm an. Er verstand es, er wusste es.
"Kann sein. Vielleicht sieht man sich demnächst ja nochmal.", antwortete er verspielt.
"Wie ist dein Name?", fragte ich dann schließlich, ich war zu neugierig um es zu lassen. Und überhaupt würden wir ihn eh bald kennenlernen, also warum nicht auch jetzt. Minsik hat bestimmt nichts dagegen.
"Mein Name?" Er ging wieder zu mir rüber und hielt mir seine Hand entgegen. "Haengbok. Jeon Haengbok. Und wie heißt du?"
Haengbok. Koreanisch für Glück.
"Yu Junho. Schön dich kennenzulernen. Haengbok. Schöner Name."
"Danke! Wartest du auf jemanden?", fragte er, ließ meine Hand los und sah sich um.
"Ja. Mein bester Freund Minsik. Wir hatten uns hier verabredet, er sollte eigentlich sehr bald kommen. Was machst du gleich so im Park?"
"Ach, ich wollte mich einfach umsehen. Kleinen Spaziergang unternehmen, ich kenne mich hier ja noch nicht so gut aus."
Ich nickte. Perfekt. "Du kannst bei uns bleiben. Minsik hat auch bestimmt nichts dagegen, es ist eine echt tolle Person."
"Wie sehr ich es liebe das zu hören, mein treuer Freund!" Auf einmal tauchte Minsik direkt neben uns auf und grinste mich an, drehte sich dann zu Haengbok und setzte sofort den leicht erschrockenen Blick auf, den Haengbok bei mir auch hatte. Minsik sah es also auch.
"Sik, das ist Jeon Haengbok. Er ist neu hier in Seoul und ich hab ihm gerade vorgeschlagen, sich zu uns zu setzen."
Ich sah Minsik an und als er meinen Blick erwidert zuckte ich einmal mit den Augenbrauen, und er schien zu verstehen. Sein Lächeln tauchte wieder auf, und ohne zuerst mit mir den Blickkontakt abzubrechen, antwortete er: "Klar. Wieso nicht? Ich bin doch ein echt toller Mensch, nicht wahr?", er lachte kurz auf, "Lasst uns reingehen."
Er war also nicht mehr bedrückt wegen gestern. Besser so.
Wir betraten das Café und wie immer stieß uns der Geruch von Kaffeebohnen entgegen. Ich inhalierte diesen Duft einmal genüsslich und nach dem Ausatmen fragte ich dann: "Weiß jeder was er nehmen will?"
Als meine Frage überzeugend bejaht wurde, stellten wir uns in die Schlange, die heute überraschender Weise nicht bis zum Eingang ging, sie war sogar nur halb so lang. Zu dritt warteten wir bis wir an der Reihe waren, und solange unterhielten wir uns. Lernten einander kennen, lachten ein wenig.
Haengbok war ein echter Sonnenschein. Er lachte unheimlich gerne, erzählte sehe viel über sich und hatte die ganze Zeit ein so breites Lächeln im Gesicht, das einem das Herz aufging. Ich brauchte mehr solcher Personen in meinem Leben, realisierte ich.

Wir hatten unsere Bestellungen bekommen, ich meine heiße Schokolade, Minsik seinen Kaffee und Haengbok seinen Erdbeermilchshake. Danach beschlossen wir an den Han-Fluss zu gehen, da Haengbok dort selber hin wollte und es ein guter Ort war um zu plaudern. Angenehm warm und sonnig war es heute auch, was die Stimmung nochmal glücklicher und erfrischter machte.
"Haengbok,", fing ich an als er fertig geredet hatte, "Ich muss dich etwas fragen."
Sofort war sein Blick komplett auf mich fixiert und er sagte: "Ja?"
"Als du mich gesehen hast. Hast du was gemerkt?"
"Was soll ich denn gemerkt haben?", fragte er zurück, aber ich konnte ihm ansehen, dass er wusste, was ich meinte.
"Weiß ich nicht. Sag du es mir."
Er schaute mich an. Was überlegte er gerade? Da gabs doch nichts zum Nachdenken.
"Ich hab was gemerkt. Aber so wie du mich fragst, bin ich mir sicher, dass du weißt, was ich gemerkt habe."
Dann grinste er. "Ich hab euch beide letzte Nacht gesehen. Also, die Personen, die bei euch aufgetaucht sind, als ich euch angesehen hab." Er schaute Minsik kurz an, und dann wieder mich. "Bei dir war es ein Mädchen, Junho.", verriet er, "Und wenn ich es richtig gehört und verstanden habe, heißt sie Jimin."

our hellevator (fortsetzung my hellevator)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt