Vergangenheit

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"Warum musst du immer so frech antworten?"
"Abwehr Mechanismus. Mach ich automatisch. Wieso?"
"Weil du mir langsam echt auf den Sack gehst."
Das Problem an Minho war, dass er antwortete ohne vorher darüber nachzudenken. Er war intelligent, ohne Zweifel, doch manchmal handelte er aus einem Impuls heraus, welcher Ärger versprach. "Wenn du meinst. Ich mag mich selbst.", er zuckte unbeteiligt mit den Schultern und fuhr sich durch die kurzen, schwarzen Haare, zog die Hand dann aber wie vom Blitz getroffen weg, als würde er so seine Frisur ruinieren. "Ach das ist ja was ganz neues.", ich verdrehte die Augen und ging an ihm vorbei, hinein in ein brüchig aussehendes Gebäude, vom dessen Decke schimmlige Balken hingen. Trotz seines Zustandes schien es mir stabil zu sein. So kam es mir im fahlen Schein des Mondlichts jedenfalls vor. Minho folgte mir. "Was, hab ich was falsch gemacht?" In seiner Stimme lag etwas, was meine Gesichtszüge sofort erweichen liessen. "Nein. Ich bin normalerweise auch nicht besser, aber....Ach ich weiss auch nicht was los ist. Wie soll ich sagen: Eure Ankunft hat etwas in mir ausgelöst. Keine Ahnung weshalb. Und jetzt sind wir auch noch von der Gruppe abgeschnitten worden.", ich seufzte und rieb mir mit der dreckigen Hand über die Stirn, was dunkle Flecken auf meiner Haut hinterliess. "Wie lange bist du schon in der Brandwüste?" Ich dachte nach. Was konnte ich ihm erzählen, ohne das es aufflog?  Wie viel konnte ich über mein angebliches Leben preisgeben? In Gedanke ging ich noch einmal durch, was Brenda und ich für eine Gesichte parat gelegt hatten. Ich hatte beschlossen Wahrheit und Lüge zu erzählen. Denn trotz allem hatte ich eine Vergangenheit, ein Leben. Bevor WCKED mir alles nahm und mich zu ihrem eigen machte.

"Ich war ungefähr zehn Jahre alt, als meine Eltern begannen wahnsinnig zu werden. Tagsüber versuchten sie sich nichts anmerken zu lassen. Versuchten dem Virus in ihren Köpfen zu widerstehen. Doch Nachts hörte ich ihre Schreie. Die kläglichen Versuche den letzten Funken Menschlichkeit ihrem Innern zu wahren. Doch der Brand breitete sich schneller aus als Gedacht. Ich erinnere mich noch an dieses eine Nacht, als wäre es gestern gewesen. Ich werde die Bilder nicht mehr los. Es war schon dunkel, aber ich konnte nicht schlafen. Cranks waren vor unserer Tür. Rüttelten und pochten daran, auf der suche nach Beute. Ich hatte Angst. Deshalb suchte ich nach Mum und Dad. Ich rief ihren Namen. Doch egal wie sehr ich rief, sie antwortete nicht. Also ging ich in den Keller. Sie waren oft da, musst du wissen. Sperrten sich immer öfter dort ein, aus Angst mich zu verletzten. Als ich die Tür aufstiess war sie offen...." Tränen stiegen mir in die Augen. Es tat weh mich zu erinnern. Die Dinge aus meiner Vergangenheit hervorzurufen rief alte Wunden auf, welche schon längst zu verblassen schienen. "Alles war voller Blut. Ihrem Blut. Mein Vater oder vielmehr der Crank, der aus ihm geworden war hat sie umgebracht. Ich erinnere wie wie ich geschrien habe und die Tränen sich mit ihrem Blut vermischten. Und als Dad aufsah erkannte ich, was ein Monster aus ihm geworden ist."

Ein schluchzen entrann meiner Kehle und ich presste meine Hand an mein Gesicht, als würde das die Tränen am Fallen hindern. Wortlos blieb Minho stehen und zwang mich mit eisernem Griff um mein Handgelenk es ihm gleichzutun. Vor schreck vergass ich für einen Moment zu Atmen, starrte nur wie gebannt auf die Stelle an der sich unsere Arme berührten. Seine Haut spendete mir sofort wärme und hüllte mich in eine Blase aus Geborgenheit. Seine Augen suchten nach meinen. Eine Weile lang starrten wir uns beide unverwandt an. Niemand wagte es den Blick zu abzuwenden, bis seine Lippen begannen Worte zu Formen. "Du hast das alles nicht verdient. Niemand hat das. Aber vor allem nicht du." Dann schlossen sich zwei starke Arme um meine Hüften und zogen mich in eine tröstliche Umarmung. Automatisch vergrub ich meinen Kopf in seiner Brust und befleckte sein umhin schon dreckiges Shirt mit frischen, nassen Tränen. Erst jetzt viel mir auf wie sehr ich mich nach seiner Nähe gesehnt hatte und zum ersten Mal seit Jahren füllte sich ein Teil in meinem Herzen mit neuer Lebenskraft. Ein Teil, den ich schon längst aufgegeben hatte.

Eine Weile standen wir so da, während Minho mir kleine Komplimente und tröstende Worte zuflüsterte. Es waren kleine Gesten, die grosses bewirkten. So kannte man ihn nicht. Er brauchte niemandem etwas zu beweisen, musste nicht mit Worten schützen. "Tut mir Leid was ich vorhin zu dir gesagt habe.", murmelte ich, als ich mich schweren Herzens von der Umarmung löste. Minho schien das allerdings kein bisschen Gedanken zu machen. "Ach was. Du bist nicht die erste die mir das vorwirft. Newt liebt es mir das unter die Nase zu reiben.", lachte er nur abwinkend und zupft seine Kleidung zurecht. "Dann bin ich aber erleichtert. Könntest du bitte so tun als wär das niemals passiert?" Der Asiate hob fragend die Augenbraue. "Du weinst wohl nicht oft, was?" Ich nickte und band mir meinen Pferdeschwanz neu. "Nein. Das bringt mich im Leben auch nicht weiter.", gab ich Schulterzuckend zu. "Merkt man.", war seine knappe Antwort, bevor ich ihn unterbrach. "Hörst du das?", flüsterte ich halblaut und legte einen Finger an meine Lippen, um ihm zu bedeuten, dass er schweigen sollte. Leise Stimme drangen an mein Ohr. Getragen von einer angenehmen Brise. "Die anderen.", stellte Minho fest. ALs hätten wir den selben Gedanken geteilt liefen wir los, in die Richtung in der wir sie vermuteten. Insgeheim hoffte ich, dass Brenda und Thomas unter ihnen waren. Das auch sie den weg aus den Tunneln gefunden hatten und nun unverletzt mit den anderen lachten und scherzten. 

Zwei Blöcke weiter sah ich sie. Mit dem Rücken zu uns führte Jorge die Gruppe gekonnt durch die Stadt führte. Ihre Stimmen waren leise, dennoch konnte ich erkennen, das ein hitziges Gespräch zwischen Jorge und den Lichtern zu Gange war. Je näher wie an sie herankamen, desto besser konnte ich verstehen und die anfänglichen Wortfetzen begannen Sinn zu ergeben. "Das kannst du nicht machen. Unsere Freunde sind noch da draussen. Ich lasse Minho und Thomas nicht zurück.", rief Newt gerade lautstark aus und Jorge schüttelte angesäuert den Kopf. "Hör mir mal zu Hermano! Ich habe auch zwei von meinen Leuten verloren. Allerdings habe ich um einiges mehr Selbstvertrauen in die beiden. Brenda und Tara kennen sich hier bestens aus..." Newt unterbrach ihn harsch. "Ich weiss doch nicht mal ob ich diesen Strünken trauen kann. Vielleicht haben sie Thomas und Minho schon längst abgemurkst. Wer weiss ob die in der Lage währen die beiden zu erschiessen oder was auch immer."  Gerade als Jorge etwas erwidern wollte funkte ich dazwischen. "Klappe Proband. Wie du sehen kannst habe ich deinen , wie nennst du das , Strunk zurückgebracht." Newt fuhr wie vom blitz getroffen herum und Jorge grinste mich erleichtert an. "Ausserdem hätte ich keine Pistole benutzt um ihn ausser Gefecht zu setzen. Er ist ein Junge, da sind alle gleich. Ein Kuss zur Verwirrung und dann einen präzisen Hieb direkt ins Herz.", fügte ich provokant hinzu und zog dann lächelnd einen meiner Dolche aus seinem Heft. Minhos Blick hatte etwas unleserliches an sich und ich meinte ihn etwas flüstern zu hören:" Wenigstens willst du mich irgendwann küssen." Doch als ich später nachhacken wollte stritt er ab, jemals etwas gesagt zu haben. Trotzdem machte mein Herz einen angenehmen Hüpfer.  "Tara, hermana.  Ich bin froh dich wieder hier zu haben.", begrüsste mich Jorge lächelnd, verzog dann allerdings gequält sein Gesicht. "Ist Brenda noch nicht da?",fragte ich und mein Herz rutschte in die Hose, denn ich kannte die Antwort bereits. Brenda war stark und sturköpfig, ohne Frage. Doch ich konnte nicht noch mehr verlieren.

"Nein."

Brenda wo steckst du nur?

Don't you remember? (A Maze Runner ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt