Elf

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Eileen vergaß sogar kurz die Kette und starrte Cian verdutzt an.
"Was?"
Er seufzte, als wäre sie ein Kleinkind, dass nicht eins und eins zusammenzählen konnte.
"Ich brauche Informationen über deine Großmutter. Ich glaube, sie hatte mit meinem Großvater zu tun und-" Er unterbrach sich. "Egal... ich muss nur wissen, ob sie die Frau ist, nach der ich suche."
Eileen wollte mehr auf diese eigenartige Beziehung eingehen, aber noch mehr wollte sie schnell ihre Kette zurück.
"Meine Großmutter starb, bevor ich geboren wurde. Ich weiß nichts über sie. Nicht mal ihren Namen kenn ich."
Zum ersten Mal sah sie in Cians Ausdruck so etwas wie Mitgefühl aufblitzen.
"Du weißt überhaupt nicht viel über deine Familie, oder?"
Eileen fragte sich, woher plötzlich diese Menschenkenntnis kam.
"Nein.", gab sie murmelnd zu. "Und woher willst du etwas über sie wissen?"
"Ich hab ein wenig in den alten Sachen meines Großvaters herumgestöbert. Es gab auch viele Fotoalben und auf einem sind zwei junge Frau mit einem Baby zu sehen. Die Frauen waren Schwestern. Und eine davon sieht dir sehr ähnlich."
"Kannst du mir das Foto zeigen?"
Er nickte und hob sich über den Steg aus dem Wasser. Eileen rutschte zur Seite und zwang sich, ihn nicht wie eine Bekloppte anzustarren.
Cian ging zu einem der Büsche und holte eine Sporttasche, die dort versteckt war, hervor. Er zog ein in Leder gebundenes Album heraus und ging damit zu Eileen zurück. Ihr gegenüber ließ er sich auf dem Steg nieder und blätterte kurz. Schließlich nahm er eins der Fotos heraus und reichte es ihr. Es war schon verblichen und hatte Knickse, als wäre es oft eingesteckt oder in Taschen oder Büchern aufbewahrt worden, eher es ins Album geklebt worden war.
Es war eben dieser See, vor dem zwei junge Frauen standen. Eine hatte den Arm um die Schultern der anderen gelegt, während die andere das Baby in dem Armen hielt. Man sah sofort, dass sie Schwestern waren. Beide hatten große, helle Augen, dieselbe schmale, lange Nase und ein eher kantiges Gesicht. Die Frau mit dem Arm um die Schultern der anderen war etwas größer, schlanker und hatte ellbogenlanges, helles Haar. Die Frau mit dem Baby hatte ihre braunen Haare kurz geschnitten und sah Eileen so ähnlich, dass man meinen könnte, sie wäre mit kurzen Haaren auf dem Bild zu sehen.
Sie drehte das Foto um.
Sommer, 1966 stand dort in schwungvoller Schrift.
Eileen ließ das Foto sinken.
"Das muss meine Mutter sein.", flüsterte sie.
Cian nickte ernst.
"Soweit ich weiß, hat mein Großvater alle Bilder, auf denen er nicht drauf ist, selbst gemacht. Er muss mit deiner Großmutter und ihrer Schwester befreundet gewesen sein. Die beiden sind auf einigen Fotos zu sehen."
"Aber warum interessiert dich das so, Cian? Dann waren sie eben befreundet, wir sind es nicht. Warum ist das wichtig für dich?"
Er wich ihrem Blick aus.
"Das muss dich nicht interessieren."
In ihr kochte erneut die Wut.
"Doch, genau das muss es! Das ist auch meine Familie, verstehst du das?"
Er nickte langsam.
"Ja, du hast Recht. Tut... tut mir leid."
Eileen gab sich vorerst mit der Entschuldigung zufrieden und stand auf.
"Ich frage meine Mutter und geb dir das Foto dann wieder zurück. Aber..."
Er stand ebenfalls auf und war ihr so nahe, dass ihre Gedanken wie benebelt waren.
"Ich... ähm..." Sie schüttelte über sich selbst den Kopf. Sie musste sich zusammenreißen! "Bitte such  nach der Kette. Sie ist mit wirklich wichtig."
Cian lächelte und zum ersten Mal wirkte es nicht spöttisch, sondern ehrlich.
Er hat ein schönes Lächeln, schoss es ihr unfreiwillig durch den Kopf.
"Versprochen.", sagte er leise.
Eileen blieb nichts anderes übrig, als ihm zu vertrauen.

Der Froschkönig (Märchenadaption)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt