Während ich einen Waschlappen unter den kalten Wasserstrahl halte, beugt sich Luis erneut über die Schüssel. Ich schließe die Augen und konzentriere mich darauf, nicht das eindeutige Geräusch im Hintergrund zu beachten.
„Vorbei?", frage ich in die Stille. Von Luis kommt nur ein leises, undefinierbares Brummen, welches ich als Ja deute.
Ich öffne die Augen und setze mich neben Luis auf den Boden. Sanft lege ich ihm den Waschlappen auf die Stirn, woraufhin er sich leicht zurücklehnt, damit dieser auch dort bleibt.
„Soll ich deine Eltern oder Lizzy anrufen?", frage ich ihn und versuche, nicht allzu besorgt zu klingen.
Er grinst matt. Oh, wie schön, ihn wieder lächeln zu sehen! Ich will es mir zwar nicht eingestehen, aber ich war kurz davor, in Panik zu geraten und bin es auch immer noch. Was, wenn er jetzt richtig krank wird? Gibt es in Italien giftige Tiere? Aber er hätte es doch mitbekommen, wenn er von irgendwas gebissen, gekratzt oder gestochen worden wäre.
Soll ich darauf bestehen, dass wir so schnell wie möglich umkehren? Ist wahrscheinlich eh besser für ihn, er hatte ja eigentlich gar nicht vor, allein mit mir in den Urlaub zu fahren. „Nein.", sagt Luis und unterbricht somit mein Gegrübel. Erschrocken blicke ich ihn an. Habe ich den letzten Gedanken laut ausgesprochen?
„Nein, du brauchst niemanden anzurufen." Erleichtert antworte ich: „Ach so, ja stimmt, die Frage hatte ich ganz vergessen." Er grinst mich schief an: „Keine Sorge, ich habe bestimmt nur was Falsches gegessen." Zwei Stunden später glauben wir beide allerdings nicht mehr daran, denn wenn das der Fall wäre, hätte er ziemlich viel ziemlich Falsches gegessen. Ich habe jetzt sogar schon mit Symptome googeln begonnen. Kalter Schweiß, Schwäche, wiederholtes Erbrechen. Auf einer Medizinwebsite lese ich mir einen kurzen Text durch.
Sollte man trotz leerem Magen mehrere Stunden erbrechen, wäre es sinnvoll, einen Arzt oder eine andere klinische Einrichtung aufzusuchen.
Ich öffne Google Maps und schaue, wo sich das nächste Krankenhaus befindet. Es werden 20 Minuten Gehzeit berechnet. Es kostet viel Überredungskraft, um Luis davon zu überzeugen, ins Krankenhaus zu gehen. Schließlich willigt er aber ein, als ich ihm drohe, ansonsten seine Mutter anzurufen. Wir treten in die warme Nachtluft vor dem Hotel. Luis wirkt hier draußen viel zittriger und kranker als noch im Bad. Langsam überqueren wir die Straße und gehen in einen kleinen Stadtpark, der laut Maps der kürzeste Weg zum Krankenhaus ist.
Plötzlich merke ich, wie Luis sich an mir abstützt und zu taumeln anfängt. Schnell greife ich seinen Arm und schiebe ihn zur nächsten Bank, auf der er sich niederlässt. „Was war das denn?", frage ich ihn besorgt. „Keine Ahnung, mir war plötzlich so schwindelig." Vorsichtig nehme ich sein Gesicht und halte es unter den Schein einer Parklaterne. Prüfend mustere ich seine Stirn, sie hat sich von leichenblass in rot verwandelt. Mit meiner Hand fühle ich seine Temperatur.
Hat er etwa Fieber? Ich mustere ihn besorgt. Würde er so den Weg zum Krankenhaus schaffen?
„Was schaust du mich so an? Ist irgendetwas mit meinem Gesicht?", fragt mich Luis mit einem kleinen Unterton von Panik in der Stimme. „Ich weiß nicht, vielleicht ist es auch das Licht, aber... dein Gesicht sieht irgendwie richtig rot aus." Luis ringt sich ein halbherziges Lächeln ab. „Wenn ich jetzt noch grün im Gesicht werde, habe ich alle Farben der Italien-Flagge in meinem Gesicht gehabt. Bin ich dann ein echter Italiener?" Ein Lächeln schleicht sich auf mein besorgtes Gesicht. Luis wäre nicht Luis, wenn er nicht immer einen Witz raus hauen würde.
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Liebe im Gepäck
Roman d'amourElenor, die nach einer Trennung von ihrem Freund den besten Sommer ihres Lebens verbringen will. Lizzy, die ihr dabei hilft. Ein Versprechen, jedes männliche Wesen zu meiden. Als Elenor mit ihrer besten Freundin und deren Bruder Luis zu einem Roadtr...