Krankenzimmer

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„Es war am 20.12. letzten Winter. Ich war bei Matt."

„Das war dann, als du in Finnland warst, um deinen Freund aus der Grundschule zu besuchen, oder?"

„Genau. Seit er vor 8 Jahren mit seiner Familie nach Helsinki gezogen ist, haben wir uns nur über Skype gesehen. Ich dachte, unsere Freundschaft wäre verblasst, aber das war sie nicht. Wenn man seinen besten Freund einmal gefunden hat, kann man ihn nicht wegen ein paar tausend Kilometern verlieren. Die erste Woche mit ihm war so schön, es war alles wie früher. Bis zu dem einen Abend.

Wir hatten in einem Dorf einen Freund von ihm besucht. Matts Schwester war auch dabei. Auf dem Rückweg sind wir durch ein Waldstück gegangen. Plötzlich haben wir komische Laute gehört. Wir sind ihnen nachgegangen und haben auf einem zugefrorenen See ein Elchkalb gesehen. Es war auf das Eis gelaufen und nicht wieder hinuntergekommen. Keine Ahnung, wo seine Mutter war.

Matt wollte ihm helfen. Er wollte auf das Eis und es irgendwie da runterbringen. Ich bin nicht mit, das Eis war zu dünn. Ich wollte Matt aufhalten, aber er war zu stur. Er hat versprochen, dass er aufpassen würde, also habe ich mit seiner Schwester am Ufer gewartet. Er hat das Kälbchen tatsächlich ans andere Ufer gebracht. Aber anstatt außen herum zu gehen, ist er nochmal über den See. Ich hatte ein komisches Gefühl und dann hat es geknackt.

Wir haben ihn nicht mehr gesehen, dort wo er gestanden ist, war ein Loch. Einen Moment war es still und dann hat seine Schwester geschrien. „Hol ihn da raus, hol ihn da raus!"

Wie in Trance bin ich dann aufs Eis gerannt. Kurz bevor ich bei ihm war ist das Eis nochmal gebrochen. Ich habe die Eiskante in meinem Rücken gespürt. Das Wasser wurde rot. Da ist Matt wieder mit seinem Kopf aufgetaucht. Ich habe ihn an den Armen gepackt und hochgezogen. Bevor ich gesehen habe, ob er aus dem Wasser ist, wurde mir schwarz vor Augen.

Ich bin dann im Krankenhaus aufgewacht. Die Ärzte meinten, ich hätte eine Verletzung an der Wirbelsäule, die sie operiert haben. Durch den Schock habe ich bei dem Unfall keine Schmerzen gespürt. Während Matt den Unfall zum Glück ohne eine Schramme überstanden hat, hat mich ein langer Weg in mein normales Leben erwartet. 6 Wochen Reha und ein halbes Jahr Physiotherapie."

Luis senkt den Blick. Erschüttert blicke ich ihn an. „Ich, ich, ... dachte du lernst fürs Abi. Ich fahre mir mit den Händen übers Gesicht. Wie war mir das nur nicht aufgefallen? „Warum hast du mir denn nichts gesagt? Warum hat Lizzy mir nichts gesagt?"

„Lizzy wollte es dir sagen, glaub mir, aber ich wollte es nicht. Ich wollte weder, dass du es weißt, noch irgendein anderer aus der Schule." Seine Stimme bricht weg er blinzelt eine Träne weg. „Tut mir leid, ich wollte nicht..."

„Schon gut", sage ich und lege vorsichtig meine Hand auf seine Schulter. Luis verkrampft sich und ich ziehe schnell meine Hand weg. Er nimmt sie aber wieder vorsichtig in seine und legt sie auf seinen Rücken zurück. Ich kann seine Atemzüge unter meiner Hand spüren und die Wärme seines Rückens.

„Du solltest schlafen, Luis. Du musst schließlich deinen Sonnenstich noch auskurieren." Luis nickt leicht. „Kannst du dich neben mich legen? Ich möchte nicht allein sein."

Überrascht drehe ich mich zu ihm um. So nah waren wir uns noch nie gewesen. Aber was sollte schon dabei sein? Also stehe ich von dem Sessel auf, schalte das Licht aus und lege mich neben Luis. Als wir still nebeneinander liegen, fällt mir etwas ein. „Luis?" „Mh?" „Du hättest es mir sagen können, das weißt du, aber ich verstehe es, warum du es nicht wolltest." Luis schweigt einen Moment, dann antwortet er:„Ich weiß, Elenor. Ich weiß."

Liebe im GepäckWo Geschichten leben. Entdecke jetzt