Bahnhof

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"Und pass mir ja auf meinen Bruder auf!", sagt mir Lizzy.  Dann verabschieden wir uns mit einer langen Umarmung voneinander. Der Zug nach Deutschland kommt und Lizzy steigt ein. Wir winken ihr noch hinter her. Ich drehe mich zu Luis um. "Tja, da waren' s nur noch zwei. Lust auf einen Stadt-Bummel?" "Ich habe eine noch viel bessere Idee, komm mit" Luis blinzelt mich abenteuerlustig an und zieht mich zurück zum Parkplatz. Hinter seinem Auto führt ein kleiner Pfad in Richtung Wald. Ich habe ihn bis jetzt gar nicht bemerkt. Er ist gerade mal einen halben Meter breit.

Luis zieht mich an der Hand hinter sich her in das Dickicht. Hohe Bäume lassen nur ein bisschen Licht auf den Weg und unsere Schritte werden von einem Moosboden gedämpft. "Woher weißt du, dass es diesen Weg gibt?", frage ich und lasse meinen Blick über die bunten Blumen, die unter den Bäumen wachsen, schweifen. Luis dreht sich kurz zu mir um und lacht. "Ich war hier, als du vorhin mit Lizzy ihr Zeug gepackt hast. Aber keine Sorge, wir sind sind fast da."

Der Weg macht eine kleine Biegung und gibt den Blick auf eine kleine Lichtung frei. Mir stockt der Atem. Während wir vor 10 Minuten noch auf einem Parkplatz am Stadtrand von Rom waren, stehen wir jetzt in einem Paradies. Ein kleiner Wasserfall spritzt in eine Gumpe, welche sich dann in einen Fluss verwandelt. Sie ist vom Wasserfall aus dem Flussbett gehöhlt worden. Das Wasser läuft kristallblau aus der Gumpe in den kleinen Fluss, der nach ein paar Biegungen im Wald verschwindet.

Mir fehlen die Worte und wir beide stehen eine kurze Weile nebeneinander, um den Ort auf uns wirken zu lassen. Er bricht das Schweigen. "Das blaue Wasser wäre doch viel zu Schade, um zu Gehen ohne gebadet zu haben. Ich zögere kurz vor der Antwort. Unter meinem T-Shirt habe ich nur einen BH und meine Unterhose an. Ich verstehe jetzt, warum Luis eine Badehose angezogen hat.

"Ich weiß nicht, Luis. Irgendwie gefällt mir der Gedanke nicht, vor deinen Augen nur in Unterwäsche zu Baden. Warum hast du mir nicht gesagt, dass ich einen Bikini anziehen soll?" Ich versuche eine Emotion aus seinem Gesicht abzulesen, aber er sieht mich nur ganz normal wie immer an. "Tut mir leid, aber es sollte eine Überraschung werden. Ich habe nicht daran gedacht, weil das ja eigentlich noch nie ein Problem bei uns war."

Ich versuche es ihm zu erklären. "Ja, ich weiß, aber damals sind wir uns ja auch noch viel näher gestanden und wir haben uns das letzte halbe Jahr auch so gut wie gar nicht gesehen." Kaum habe ich das gesagt, bereue ich es sofort. In meinem Kopf hat sich das nicht so gemein angehört, wie es jetzt ausgesprochen klingt. Aber Luis nickt nur nachdenklich und sagt: "Du hast recht. Ich verstehe es, wenn du so nicht Baden möchtest." Ich schaue erstaunt. So viel Verständnis hätte ich nicht erwartet.

Ich blicke ihm in die Augen und sage: "Wow, ich glaube ich habe zu viel Zeit mit pubertierenden Jungs verbracht. Weißt du was? Ich gehe Baden." Demonstrativ schnüre ich meine Turnschuhe auf. Auch Luis zieht seine Schuhe aus. Ich warte in Unterwäsche bekleidet darauf, dass er auch sein T-Shirt auszieht, aber er schüttelt den Kopf. "Das lasse ich an." Auf meinen fragenden Blick dreht er den Kopf weg und geht in Richtung Wasser. Ich folge ihm und rätsel in Gedanken warum er sein T-Shirt nicht ausziehen will. Doch dann werde ich von dem kalten Wasser abgelenkt, das sich um mich schließt.

Kurze  Zeit später laufen wir bibbernd und nass zurück zum Parkplatz. Ich ziehe mich um und mache uns mit dem Campingkocher zwei Kaffees. Luis kommt frisch umgezogen aus dem Auto und setzt sich neben mich auf einen Campingstuhl. Dankend nimmt er den Kaffee entgegen. "Was machen wir heute noch?", frage ich ihn. Luis blickt auf seine Uhr. "Es ist schon Nachmittag. Wollen wir uns mal einen richtiges Hotel suchen?" "Das würde wenig Sinn ergeben. Schließlich müssen wir vielleicht schon morgen wieder abreisen und mir macht es nichts aus im Auto zu schlafen." "Du hast Recht. Ach übrigens: Lizzy hat mir gerade geschrieben. Sie ist gut zuhause angekommen und bereit für das Sichtungstraining morgen!" Ich trinke meinen  Kaffee aus und beginne uns Nudeln mit dem Campingkocher zu machen.

In der Nacht lasse ich den Tag noch einmal vor dem inneren Auge ablaufen: Die überraschende Nachricht heute Morgen, die Idee von Luis, hier auf Lizzy zu warten und dann weiterzureisen, falls sie nicht ins Team aufgenommen wird, Lizzys Abreise, das Baden im See... Warum wollte Luis eigentlich sein T-Shirt nicht ausziehen? Am letzten Schultag habe ich ihn ja Oben-Ohne im Bad gesehen, aber - jetzt, wo ich so darüber nachdenke - fällt mir auf, dass er ein Handtuch über den Schultern hängen hatte. Warum verbirgt er seinen Rücken vor mir? Wahrscheinlich hat er sich ein Tatoo gestochen, dass ihm vielleicht peinlich ist.

Zufrieden mit dieser Begründung schlafe ich ein.

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So, jetzt wollte ich mich auch Mal "persönlich" bei euch melden. Erstmal danke ich allen, die mein Buch lesen und dafür voten.
Ich wollte euch fragen, ob ihr Verbesserungsvorschläge habt. Ich freue mich darauf, euch bald wieder mit Lesefutter zu versorgen! Kuss an alle!😘

Liebe im GepäckWo Geschichten leben. Entdecke jetzt