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Lance' Sicht:

Später am Tag war ich unterwegs zu meinem Büro, da ich dort einige Termine hatte.
Ich machte einen Umweg durch einen Park, weil ich recht früh dran war, als mir eine Person auffiel, die aufs Wasser sah. Von hinten kam sie mir ziemlich bekannt vor und als ich näher kam, wurde mir klar, dass es sich um (DN) handelte.

Sie war längst nicht so entspannt wie in der vergangenen Nacht, sondern wirkte zerstreut.
V

orsichtig tippte ich sie von hinten an, was sie zusammenzucken ließ.
Als (DN) ihre Kopfhörer rausnahm, schallte ein mir sehr bekannter Song nach draußen. "Du hörst Death Metal?", fragte ich überrascht. "Nein, also... doch, irgendwie schon. Aber nur manchmal, wenn ich einen schlechten Tag hatte", stotterte sie.
"Willst du mir erzählen, was passiert ist?", hakte ich vorsichtig nach.
Sie seufzte stützte sich ans Geländer und richtete den Blick für einen kurzen Moment geradeaus und seufzte.
"Teddy wurde gestern ins Krankenhaus eingeliefert. Ich habe ihn blutend aufgefunden. Es war mutwillig und ich bin mir sicher, ich weiß, wer es getan hat. Doch ich kann ihn jetzt nicht fragen. Außerdem würde das sowieso nichts bringen", erklärte sie erschöpft.
Oh mein Gott! Ich hatte mit allem gerechnet, doch nicht damit, dass ausgerechnet Theo etwas passiert war. "Was ist genau geschehen und wer war es? Außerdem... was meinst du damit, dass das nichts bringen würde? Natürlich würde es das!"
"Was genau passiert ist, weiß ich nicht", antwortete (DN), doch ich merkte sofort, dass sie log- warum, dafür hatte ich jedoch keine Antwort. "Und die Beantwortung der Frage, warum es nichts ändern würde, ist etwas komplizierter. Ich kann dir eigentlich kaum etwas darüber erzählen. Es geht hauptsächlich darum, dass Aussage gegen Aussage steht. Da Theo noch ein Kind ist- aber vor allem wegen einem anderen Aspekt-, wird das, was der Täter sagt, mehr Gewicht haben. Und sollte ich dort erscheinen, um auszusagen, wird das, was ich erzähle mit einem einzigen kleinen Teil der Wahrheit zunichte gemacht."
Das, was sie erzählte, warf teilweise noch mehr Fragen auf, als es beantwortete. Doch ich konnte verstehen, wie sie sich fühlte.

"Weißt du, (DN)", fing ich an und stellte mich neben sie. "Du hast mit Sicherheit von Heather Taffet gehört. Die Totengräberin hat auch unserem Team jegliche Nerven geraubt. Doktor Brennan und Booth mussten ihre Anzeigen fallen lassen und wann immer wir etwas hatten, was gegen sie sprach, machte sie unsere Arbeit zunichte. Doch am Ende haben wir es geschafft, sie wurde verurteilt. Wenn man genug dafür kämpft, wird man siegend hervorgehen."
"Lance, ich weiß von Heather Taffet. Ich weiß auch, dass sie es nicht bis ins Gefängnis geschafft hat, da ihr in den Kopf geschossen wurde, von Broadsky. Aber in dem Fall ist es auf eine andere Weise kompliziert. Außerdem möchte ich Teddy nicht so viel zumuten. Er hat in letzter Zeit schon genug durchgemacht und er hat kaum jemanden, der ihm in dieser Zeit den Rücken stärken könnte. Louna ist momentan auch nicht da."
"Louna? Wer ist das und warum ist sie nicht da?"
"Lou ist seine sechzehnjährige Schwester. Sie wollte erst einmal bei ihrem Onkel Robert und dessen Frau Olivia unterkommen", lautete ihre Antwort.
"Das heißt, du möchtest warten, bis sich die Situation ein wenig beruhigt hat und hoffst, dass Louna bis dahin wieder zurück ist", schlussfolgerte ich und sie nickte.
"Klingt vernünftig", antwortete ich und sah auf die Uhr, um zu bemerken, dass ich mich verspäten würde, sollte ich mich jetzt sofort auf den Weg machen.
"Tut mir wirklich Leid. Ich muss los, sonst komme ich zu spät zu dem Termin", rief ich aus.
"Du musst dich dafür doch nicht entschuldigen", winkte sie ab. "Und danke, dass du dir die Zeit für mich genommen hast."
"Immer wieder", antwortete ich und wir grinsten uns an, ehe ich mich schließlich auf den Weg ins Büro machte

~nachmittags~

Ich ging mal wieder ins Royal Diner, wo ich mich mit (DN) treffen wollte. Wir hatten zwischendurch geschrieben und uns auf einen Kaffee verabredet.
Als ich eintrat, sah ich sie sofort. Lächelnd ging ich zu dem Tisch, der mittlerweile zu unserem Stammtisch geworden war.
"Hi, bin ich zu spät?", fragte ich.
"Nein, nicht wirklich. Aber wenn wir schon beim Thema sind: Wie war's bei dem Termin? Hast du dich sehr verspätet?"
"Nein, ich war rechtzeitig da", beruhigte ich sie. "Für dich dasselbe wie immer?" Nach einem Nicken ihrerseits ging ich zum Tresen und bestellte.

"Also, erzähl mir bitte vom Buch?", fing ich kurze Zeit später an.
Sie sprach interessiert und mitgerissen und ein weiteres Mal wurde deutlich, wie sehr ihr das Thema am Herzen lag.
"In dem Fachbuch stand noch viel mehr, aber ein bisschen solltest du auch selbst lesen, nicht wahr?", beendete sie ihren Vortrag.

"Das war mal ausführlich", meinte ich grinsend. Sie trank einen Schluck ihres Kaffees, stellte ihn ab und blickte missmutig drein. "Anscheinend so ausführlich, dass der Kaffe fast kalt ist." Das brachte mich zum Lächeln und ich nahm ebenfalls einen Schluck meines lauwarmen Getränks. "Wenigstens haben wir den wichtigsten Punkt abgehakt", erwiderte ich und sie nickte lächelnd. Wir verloren uns wieder in allen möglichen Gesprächsthemen, bis ihr Blick immer wieder unruhig nach draußen zuckte. Doch als ich mich in die Richtung drehte, konnte ich nichts Verdächtiges erkennen. "(DN), alles okay?", fragte ich.
"Siehst du die Frau mit dem hellbraunen Mantel? Das... ähm, das ist meine Mutter", antwortete sie. Erneut drehte ich mich um und bemerkte die Frau mit besagtem Mantel und einer Tasche eines bekannten- und uverschämt teuren- Designerlabels in der Hand. Im Allgemeinen wirkte die Frau auf mich nicht so, als würde es ihr an Geld mangeln.

"Ja, meine Eltern haben recht viel Geld. Aber wir kommen nicht so gut miteinander aus, weshalb für mich eigentlich nur die Ersparnisse aus meiner Jugend übergeblieben sind. Die letzten Jahre, die ich noch bei ihnen gelebt habe, sind der absolute Horror gewesen und wir haben seit meinem sechzehnten Lebensjahr nur das Nötigste miteinander beredet- teilweise sogar noch weniger", beantwortete sie meine unausgesprochene Frage.
"Hast du denn mal ein klärendes Gespräch mit ihnen gesucht?", wollte ich wissen.
"Was soll das bringen, Lance? Glaub' mir, das, was ich getan habe, ist- zumindest für sie- nicht damit zu vergleichen, dass man sich rausschleicht, um Zeit mit dem Partner- beziehungsweise der Partnerin- zu verbringen, mit dem die Eltern sich nicht verstehen; wobei ich auch das getan habe. Ich meine, würde mein Kind mir diese Nachricht verkünden, würde ich wahrscheinlich auch etwas überfordert sein. Auch wenn ich definitiv besser reagieren würde, als meine Eltern es getan haben. Ein 'klärendes Gespräch', wie du es nennst, würde zu viel Streit aufwirbeln und die Beziehung zwischen meinen Eltern und mir eher verschlechtern."
"Ich mein ja nur...", fing ich an und stoppte kurz, um mich zu sammeln. "Meiner Meinung nach ist Familie das Wichtigste und es lohnt sich, viel dafür zu geben. Ich habe mal von einem Mann gehört, dessen Frau ihn mal darum gebeten hat, mit einer anderen auszugehen- seiner Mutter. Er hatte mit dem Job und seinen Kindern alle Hände voll zutun, weshalb er die Witwe schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte. Seine Mutter freute sich riesig über die Einladung und warf sich in Schale. Beide genossen die gemeinsame, unvergesdliche Zeit und beschlossen, sich von nun an öfter zu treffen. Doch es kam nicht dazu, denn sie starb wenige Tage später und der Mann hatte keine Möglichkeit, sich von ihr zu verabschieden."

"Dass er zu genau diesem Zeitpunkt sich mit seiner Mutter getroffen hat, klingt zu schön, um wahr zu sein", entgegnete sie und ich zuckte mit den Schultern.
"Es geht mir eher darum, was du von dieser Geschichte mitnimmst. Ich habe dir meine Meinung zu dem Thema gesagt, du hast jetzt selbst in der Hand, was du daraus machst", entgegnete ich.

Lance Sweets x ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt