𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟡-𝕃𝕪𝕣𝕒

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Ich rannte durch die Dunkelheit. »Lyra!« Ich drehte mich um. Ein Stück hinter mir stand das hübsche Mädchen aus Distrikt 1. Ich wollte weglaufen, aber ich kam nicht vom Fleck. Verzweifelt schrie ich, so laut ich konnte,in der Hoffnung, dass jemand mich hören und retten würde. Das Mädchen ging langsam auf mich zu. Sie wusste, dass ich so gut wie tot war. Genüsslich strich sie mit ihrem Messer über meine Kehle, kostete meine Angst aus. Plötzlich hielt ich ebenfalls ein Messer in der Hand. Ohne zu zögern rammte ich es in ihre Brust.

Nach Luft schnappend fuhr ich hoch. »Lyra? Ist alles in Ordnung?« Madge saß auf meinem Bett,eingewickelt in eine Decke. »Die Träume.« ,sagte ich nur. » Was machst du?« » Nur aus dem Fenster schauen.Ich genieße die Aussicht.« Das Solange ich noch kann sprach sie nicht aus,aber ich wusste,was sie meinte. 
» Erzähl mir von deinem Traum.« Magde klopfte leicht auf die Matratze neben sich. Ich setzte mich zu ihr ,lehnte meinen Kopf an ihre Schulter und begann zu reden. Wir hatten zwar jeweils ein eigenes Zimmer im Kapitol,aber bis jetzt war sie -wie im Zug- jede Nacht zu mir gekommen. Wir beruhigten uns gegenseitig.

»...Und dann hatte ich plötzlich ein Messer in der Hand.Traumlogik. « Es tat gut, mit meiner Schwester zu reden und den Traum ein wenig ins Lächerliche zu ziehen, aber nun kam ich zu dem Mord. Mein schiefes Lächeln verschwand. »Ich habe sie erstochen.«, sagte ich tonlos. »Es war nur ein Traum.« Madge strich mir beruhigend über den Kopf. »Komm, gehen wir frühstücken.Effie wird uns jeden Moment holen, also können wir genauso gut schon in den Speisesaal gehen.« Meine Schwester rappelte sich auf.

Fünf Minuten später saßen wir im Speisesaal und fielen hungrig über das Essen her. Bis auf Effie waren schon alle da. »Heute fängt das Training an.«,sagte Haymitch.»Versucht, niemandem negativ aufzufallen, lernt ein paar Dinge.« Er deutet mit der Gabel nacheinander auf Gale, Rory, Madge und mich. »Ich gebe euch einen Rat.« , fügte Katniss mit einem Anflug von schwarzem Humor hinzu. » Versucht,nicht zu sterben. « Ein sehr guter Rat.Ich würde versuchen,ihn umzusetzen.


»Ist eben doch nicht so leicht.«, schoss es mir durch den Kopf, als ich die Trainingshalle betrat. Überall hier waren Menschen,die mich liebend gern töten würden.Einer von ihnen würde es möglicherweise auch tun. Vielleicht auch jetzt gleich, wenn ihre Geschwister dadurch bessere Chancen hätten. Toll. Da fühlte man sich ja gleich sicher und willkommen.Aber hey-zumindest mein Sarkasmus blühte endlich wieder auf.Wenn das kein Pluspunkt war.

Die anderen Tribute aus Distrikt 12 waren bei mir gewesen, als wir in die Halle gekommen waren, aber Gale und Rory waren nun bereits auf dem Weg zur Schießstation. Madge stand immer noch neben mir. »Zu der Pflanzenstation? «, fragte sie mich. Ich nickte.

Etwas später besuchten meine Schwester und ich die Nahkampfstation. Nach hunderten Formen der Blätter von giftigen und essbaren Pflanzen ,die ich alle verwechseln würde und einem sehr lauten,anstrengenden Tribut aus 9 schwirrte mein Kopf und ich hatte genügend Aggression in meinem Körper, die ich liebend gerne an einem Boxsack ausgelassen hätte. Allerdings gab es hier keine Boxsäcke,sondern Simulationen von Menschen( was für eine Überraschung) , auf die man einschlagen konnte. Und das Highlight-man musste neuerdings das Aussehen einer echten Person als Simulation wählen und dann eben darauf einschlagen.

Ich sah Madge unsicher an. Wir könnten einfach zu einer friedlichen Station gehen. »Lass uns das machen«, sagte meine Schwester. » Wir werden alles brauchen können, selbst die winzigen neuen Kentnisse über Boxkampf, die wir heute bekommen.«

Sie zog mich zu einer der Tafeln, an denen man einfach den Namen der Person, die man schlagen wollte, eingeben musste, dann wurde die Simulation zu einem ziemlich guten Abbild. Woher wollte die Maschine denn wissen,welchen Menschen ich meinte? Ich fragte mich,was das für einen Sinn haben sollte. Trainierte man besser,wenn man gegen einen scheinbar echten Gegner kämpfte?

»Wäre es zu rebellisch, wenn ich Snow nehmen würde? Oder Peeta.« Gale schlenderte auf uns zu, Rory im Schlepptau. Ich lächelte schwach. »Ich weiß was Besseres!« Rory ging zu der Tafel neben uns und tippte etwas ein. Kurze Zeit später begann eine der vielen Simulationen, die ungenutzt in einer Ecke standen, sich zu verändern. Als sie ihre fertige Gestalt angenommen hatte, kam sie in unsere Richtung. Jetzt erkannte ich ihr Gesicht. Man Fred.

Gale begann zu lachen. »Gute Idee.«, sagte er zu seinem Bruder und ließ die Knöchel knacken.»Fangen wir gleich an.« »Wieso wollt ihr Man Fred schlagen?«, fragte ich verwundert. »Weil wir gar nicht erst hier wären, wenn er nicht gesagt hätte, ich würde lügen. Natürlich hätte jeder an seiner Stelle das Gleiche getan, aber das heißt nicht, dass ich deshalb keine Aggressionen gegen ihn habe.«, antwortete Rory.»Hoffentlich sieht er das.«

Nun lachte ich auch. »Hey Man Fred!  Was sagst du dazu?«, rief ich übermütig durch die Halle. Viele drehten sich nach mir um. Mir war das egal. Rory warf mir einen belustigten Blick zu,seine  braunen Augen blitzten.
»Na,gefällt es dir,dein zugegeben hässliches Gesicht doch noch im Fernsehen zu sehen?«  Ich prustete überrascht. »Du bist echt gemein,Rory.«

»Ist mir egal. Wenn du gestattest, ich gehe dann mal Leute zusammenschlagen. Mir fallen auf Anhieb genug ein.« 

Ich schüttelte den Kopf und lachte. »Wie du willst« Er stieg in den Trainingsring und fing an, gegen Man Fred zu kämpfen, während der Coach ihm Tipps zurief.Er war erstaunlich gut. Ich beschloss, ihm die eine Zeit lang zuzusehen,und dann ebenfalls auf die Simulation loszugehen und danach Messerwerfen und Messerkampf zu üben.Wie gesagt,jedes kleine bisschen Können zählte.




»Lyra Undersee!« Ich wurde aufgerufen. Jetzt war ich mit dem Einzeltraining dran. Madge, Rory und Gale hatten es schon hinter sich. Langsam stand ich auf und ging in die Trainingshalle. Der Gedanke, dass jetzt nur ich beobachtet werden würde, gefiel mir nicht. Aber vielleicht hatte ich ja Glück und die Beobachtungsmenschen, Verzeihung, Spielemacher ,wären von den anderen 47 Tributen schon gelangweilt und genervt. Die Chancen standen nicht schlecht. Zwar würde ich dann eine schlechte Wertung bekommen ,aber das war mir egal. Ich rechnete sowieso nicht damit, zu den besten Tributen zu gehören.

In der Halle entschied ich mich, wieder gegen eine Simulation anzutreten.Ich hatte heute immerhin einige Arten zu schlagen und treten gelernt,die ich vorzeigen konnte. Viel mehr konnte ich eh nicht.
Nachdem ich (wiedermal) Man Fred ausgewählt hatte,begann ich alles,was ich heute gelernt hatte,einzusetzen.Ich schlug war kein totaler hoffnungsloser Fall,aber im Gegensatz zu den anderen Tributen dann doch grottenschlecht. Absichtlich sah ich die Spielmacher nicht an.Ihre forschenden Blicke -falls sie überhaupt zusahen- würden mich nur ablenken und einschüchtern.

Da jeder wegen der hohen Anzahl an Tributen beim Einzeltraining nur fünf Minuten hatte,ging ich schnell weiter zu den Messern, stach Man Fred ein paar Mal halbherzig damit und warf es dann von ein paar Metern Entfernung aus in sein linkes Bein.Dass ich auf die Brust gezielt hatte,musste ja keiner wissen.


Damit waren meine fünf Minuten auch schon um und ich verließ die Trainingshalle rasch,ohne den Spielmachern einen einzigen Blick zu gönnen.

Beim Abendessen redeten alle wild durcheinander. Vor allem Rory brannte darauf,und jedes noch so kleine Detail seiner Vorführung zu erklären.Ich hatte nicht gewusst,dass man fünf Minuten beim Sprechen so lange ziehen konnte.

Endlich kamen die Bewertungen.Wie erwartet hatten eins und zwei sehr gut abgeschnitten,drei und vier waren auch  nicht schlecht. Einer der weiblichen Tribute aus sechs und die beiden männlichen aus 10 waren auch hoch bewertet worden.Als letztes kam unser Distrikt. Gale hatte eine 10, Rory eine 7. Schließlich kamen wir zu Madge und mir. Madge hatte eine 6,ich eine 5. War vermutlich in Ordnung.

Dennoch lag mir die Angst wie ein Stein im Magen,als ich zurück in mein Zimmer ging. Lange dauerte es nicht mehr.In 2 Tagen würden die Hungerspiele beginnen.

Die Tribute von Panem-Der Gesang der NachtigallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt